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"Deutsche Asylpolitik verstößt gegen Verfassung und Völkerrecht"

"Staatliches Interesse an einer Abschiebung"

Der Umgang mit Asylbegehren in Deutschland widerspricht dem Verfassungs- und Völkerrecht. Dies kritisiert ein breites Bündnis aus Menschenrechts-, Wohlfahrts-, Richter-, und Anwaltsvereinigungen in einem Memorandum am Donnerstag. Unter den Unterzeichnern befinden sich amnesty international, Caritas, die Evangelische Kirche in Deutschland und ein Rechtsberatergremium das mit der UN zusammenarbeitet. Laut Memorandum ist die Politik der westeuropäischen Staaten "von einer Abdrängungshaltung geprägt". Die Verantwortung für Flüchtlinge solle auf andere Staaten und letztlich auf die Staaten der Herkunftsregionen der Flüchtlinge "abgewälzt" werden. Gleichzeitig sei in Deutschland ein Verfahrensklima entstanden, das nicht flüchtlingsfreundlich ist. Es sei stattdessen von polizeirechtlichen Grundsätzen und einer insgesamt verhärteten Grundhaltung geprägt. Die Organisationen schrieben, die meisten Asylbewerber der vergangenen fünf Jahre stammten aus Herkunftsländern, in denen es zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommt.

Genannt wurden die Türkei, der Irak, Syrien, die Russische Föderation und Afghanistan. Dennoch habe die Anerkennungsquote im Verwaltungsverfahren für Asylberechtigte im Jahr 2004 lediglich 1,5 Prozent und für Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention 1,8 Prozent betragen. Diese Anerkennungsquoten vermittelten den Eindruck, als kämen kaum noch schutzbedürftige Personen nach Deutschland. Dies entspreche nicht der Realität.

Ständiger Prozess des Verfalls

Es hieß: "Das Asylverfahren befindet sich in einem beständigen Prozess des Verfalls. Sorge bereitet den Unterzeichnern des Memorandums insbesondere die Qualität von Anhörungen und Entscheidungen in Asylverfahren." Ziel der Bündnisorganisationen sei eine öffentliche Debatte sowie ein Kurswechsel der Politik. Asylantragsteller müssten fair behandelt und ihre Fluchtschilderungen ohne Vorbehalte mit kritischem Wohlwollen geprüft werden.

Abwehrende Grundhaltung

Die angesprochene, abwehrende Grundhaltung zeige sich unter anderem bei der unzureichenden und "lediglich widerwilligen" Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention seitens Politik, Asylbehörden und Gerichten. Die Konvention sei in den vergangenen 25 Jahren "aus dem deutschen Asylverfahren gedrängt worden", obwohl sie das das wichtigste internationale Schutzinstrument für Flüchtlinge sei. Das Asylverfahren sei zu dem zu einem "Ort eines verdichteten Misstrauens" geworden. Das staatliche Interesse an einer Abschiebung der Flüchtlinge überlagere das Prüfungsverfahren bis in die in der Anhörung gestellten Fragen hinein.

Standardisierte Handlungen und Texte für aus der Heimat geflohene

Nach Ansicht der beteiligten Organisationen ist die "persönliche Anhörung [...] das Herzstück des Asylverfahrens". Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erwecke den Eindruck, dass es kein wirkliches Interesse an einer gerechten Entscheidung habe, weil in der Praxis die persönliche Anhörung und die Abfassung des Bescheides häufig von zwei verschiedenen Beamten vorgenommen würde. Standardisierte Handlungsanleitungen der Amtsleitung führten zu Abstumpfung und Gleichgültigkeit bei den Einzelentscheidern. Auch die Qualität der Entscheidungsfindung beim Bundesamt sei mangelhaft. Statt sich mit individuellen Fluchtgründen auseinander zu setzen, würden zunehmend Textbausteine verwendet. Die persönliche Anhörung des Asylsuchenden werde dann darauf zugeschnitten.

Asylsuchende sind bloße Objekte der Verwaltung

Das Bündnis schrieb: "Asylsuchende sind in Deutschland in vieler Hinsicht bloßes Objekt des Verwaltungshandelns." Verfahrensgerechtigkeit zu gewährleisten, hieße aber, sie fair in den Prozess der Tatsachenfeststellung einzubeziehen. Bislang werde ihnen "aber nicht einmal der Zugang zu unabhängigen Beratungssystemen ermöglicht".

Recht auf Informationen

Das Bündnis verwies auf das Bundesverfassungsgericht. So hätte dieses die Asylbehörden verpflichtet, dem Asylantragsteller mögliche Widersprüche und Unklarheiten vorzuhalten und von Amts wegen aufzuklären. In der Praxis geschehe dies aber oft nicht.

Häufiger Wiederruf des Asyls

Auch die aktuelle Praxis bei den Widerrufsverfahren gegen einmal gewährtes Asyl wurde scharf kritistiert. Sie widerspreche den flüchtlingsrechtlichen Grundsätzen der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Widerrufsverfahren würden nämlich in großer Zahl eingeleitet, jedoch würden dabei vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Sicherheitsbedingungen in den jeweiligen Herkunftsländern ausgeblendet. Mit dem Widerruf würden aus Flüchtlingen in vielen Fällen lediglich noch Geduldete. Diese Statusverschlechterung geschehe, obwohl die Betroffenen auf absehbare Zeit nicht abgeschoben werden könnten.

Voraussetzung: Wille

Nach eigener Aussage schlägt das Memorandumsbündnis "konkrete und großenteils kurzfristig umsetzbare Maßnahmen vor, um zu gewährleisten, dass Schutzbedürftige ihren Schutzanspruch in einem fairen Verfahren geltend machen können." Voraussetzung für die Umsetzung sei allerdings der erklärte Wille der politisch Verantwortlichen, durch eine angemessene Ausgestaltung des Verfahrens ihrer Verantwortung beim internationalen Flüchtlingsschutz Rechnung zu tragen.

Die Unterzeichner

Das Bündnis besteht aus amnesty international (ai), dem Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt, der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltverein, dem Deutschen Caritasverband, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem Diakonischen Werk, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Neuen Richtervereinigung, Pro Asyl, dem Republikanischen AnwältInnenverein und der Rechtsberaterkonferenz der mit den Wohlfahrtsverbänden und UNHCR zusammenarbeitenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte.