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Bundestag beschließt Neuordnung der Bund-Länder-Kompetenzen

"Föderalismusreform"

57 Jahre nach Verkündigung des Grundgesetzes hat der Bundestag die umfangreichste Verfassungsreform in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. In namentlicher Abstimmung votierten am Freitag in Berlin 428 Abgeordnete für die lange umkämpfte Föderalismusreform. Dagegen stimmten 162 Parlamentarier, 3 enthielten sich. Damit wurde die erforderliche Zweidrittelmehrheit von 410 Parlamentariern klar übertroffen. Die große Koalition verfügt über 448 Mandate. Ziel der Staatsreform ist unter anderem eine Änderung der Zuständigkeiten von Bund und Ländern sowie eine Reduzierung der Zahl der im Bundesrat zustimmungspflichtigen Bundesgesetze.

Die Neuordnung der Bund-Länder-Kompetenzen bedarf nun noch der Zustimmung des Bundesrates, der am kommenden Freitag über die Reform entscheiden will. Auch in der Länderkammer ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, damit die rund 40 Verfassungsänderungen in Kraft treten können.

In der gut vierstündigen Debatte äußerten die drei Oppositionsfraktionen scharfe Kritik an dem von der Koalition vorgelegten Kompromisspaket. Die Spitzen von Union und SPD warben dagegen eindringlich für das nach jahrelangem Tauziehen erreichte Konzept. Bundeskanzlerin Angela Merkel gab sich überzeugt, "dass die Weichen heute für unser Land richtig gestellt werden". Dabei gehe es um eine "grundlegenden Überarbeitung" des Grundgesetzes, bei der die historische Chance zur Neuordnung der "verflochtenen Verantwortlichkeiten" von Bund und Ländern bestehe.

SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte, die Neuordnung des Bund-Länder-Verhältnisses bedeute "kein neues Grundgesetz, aber die Runderneuerung des bewährten, damit es sich auch in den nächsten Jahrzehnten bewähren kann". Ohne die Reform drohe dem Bund "akute Handlungsunfähigkeit", behauptete der SPD-Politiker. Der SPD-Fraktionschef wies zudem darauf hin, dass es nach der ersten Reformstufe auch zu einer Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern kommen müsse. Dabei müssten die schwächeren Länder weiterhin von der gesamtstaatlichen Solidarität profitieren.

FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte, dass die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sowie der Länder untereinander bei den Verhandlungen über die Reform von vornherein ausgeklammert worden sei. Dies sei ein Konstruktionsfehler, denn ohne eine Neuregelung dieser Finanzbeziehungen habe man es nicht mit einer echten Föderalismusreform zu tun. "Man kann Bund-und-Länder-Beziehungen nicht wirklich neu regeln, wenn man das entscheidende Thema auf die lange Bank schiebt", so Westerwelle.

Links-Fraktionsvize Bodo Ramelow monierte, bei der Staatsreform sei "ein fauler Kompromiss in den Parteizentralen gezimmert worden". So könne von einem ausgeglichenen Wettbewerb der Länder kaum die Rede sein, wenn sehr unterschiedlich finanzstarke Bundesländer in einen Wettbewerbsföderalismus getrieben werden. Damit dürfte die Reform dazu führen, dass "die starken Länder die Gewinner" sein werden.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bemängelte, statt der "Mutter aller Reformen" sei ein "Scheinriese" herausgekommen. Künast begründete das Nein ihrer Fraktion insbesondere mit den Regelungen im Bildungs- und Umweltbereich. So werde der Bund beispielsweise nicht mehr gemeinsam mit den Ländern für ein Ganztagsschulprogramm sorgen können. Im Umweltbereich gebe es zu weit reichende Abweichungsrechte der Länder.