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Laut IG Metall protestierten 54.800 Beschäftigte gegen Rente mit 67

"Zeichen der Wut"

Nach Angaben der IG Metall sind am Dienstag aus Protest gegen die Rente mit 67 bundesweit über 54.800 Beschäftigte auf die Straße gegangen. "Alleine heute gingen über 44.700 gegen die Rentenpläne der Bundesregierung auf die Straße", so die Gewerkschaft. IG Metall Bezirksleiter Jörg Hofmann wertet die gute Teilnahme als Beweis für den Unmut unter den Menschen und als Zeichen der Wut bei den Arbeitnehmern. "Die Politik in Berlin wäre gut beraten, die Signale der Aktionen nicht zu überhören. Über 54.000 Menschen an zwei Tagen sind ein mehr als deutliches Signal", so Hofmann. Mit über 10.000 Teilnehmern fand die größte Kundgebung vor dem Tor der DaimlerChrysler AG in Sindelfingen statt.

Erste Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, sagte vor 4000 Opel-Beschäftigten in Rüsselsheim: "Die Ignoranz der Großen Koalition treibt die Menschen auf die Straße. Ich appelliere an die Bundesregierung, diesen Unmut nicht zu überhören."

Peters forderte die Große Koalition auf, die Pläne zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit angesichts der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit und der starken Belastungen an den Arbeitsplätzen zu überdenken. "Wir brauchen keine starre Rente mit 67, sondern flexible Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Erwerbsleben." Wer 40 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt habe, müsse ohne Abschläge in den verdienten Ruhestand gehen können, sagte Peters.

Angesichts von vier Millionen Arbeitslosen sei die Rente mit 67 eine "absurde Geschichte". Die Politik müsse begreifen, dass dieses Projekt "die Leute erzürnt". Schon heute könnten viele Menschen nicht bis zum Alter von 65 Jahren arbeiten. Peters forderte, wer gesundheitlich angeschlagen sei, müsse Zugang zur Erwerbsunfähigkeitsrente haben. Auch die Möglichkeit der Altersteilzeit müsse erhalten bleiben.

Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) sagte dagegen, über die Rente mit 67 sei "lange genug" diskutiert worden. Er gehe jetzt davon aus, dass das Gesetz im März definitiv beschlossen werde.

Protest in Zahlen

Nach Angaben einer Gewerkschaftssprecherin nahmen allein bei DaimlerChrysler in Sindelfingen rund 10.000 Menschen an einer Kundgebung teil. Bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen seien mehr als 2000 Beschäftigte zu einer Demonstration zusammengekommen, bei Bosch in Stuttgart-Feuerbach rund 2500.

Bei Volkswagen im ostfriesischen Emden legten 6500 Beschäftigte ihre Arbeit nieder. In Hannover protestierten 3000 Mitarbeiter mehrerer Firmen gegen die Rente mit 67. In Nordrhein-Westfalen bildeten 4500 Beschäftigte bei Opel in Bochum den Schwerpunkt der Proteste. In mehreren bayerischen Städten gingen insgesamt rund 5600 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie auf die Straße.

In Rheinland-Pfalz beteiligten sich rund 3500 Beschäftigte der Metallindustrie an den Protestaktionen. Allein in Kaiserslautern legten nach Angaben des DGB am Morgen rund 2500 Mitarbeiter von Opel sowie des Gelenkwellenwerks GKN kurzzeitig die Arbeit nieder.

In Mecklenburg-Vorpommern nahmen rund 1550 Metaller an den Kundgebungen entlang der Küste teil. Mit einer fast einstündigen Demonstration durch die Wolgaster Innenstadt protestierten etwa 400 Beschäftigte der Peenewerft gegen die Rentenpläne. In Rostock kamen nach Gewerkschaftsangaben 650 Beschäftigte der Aker-Warnow-Werft, der Neptun-Werft und des Motorenherstellers Caterpillar zusammen. In Wismar nahmen 500 Schiffbauer der Aker-Werft am Protest teil.

Rund 5000 Beschäftigte der Metallindustrie protestieren im Saarland. In Saarbrücken legten nach Angaben der IG Metall rund 4000 Menschen die Arbeit nieder. Beteiligt waren dort Beschäftigte aus sieben Unternehmen, darunter der Automobilzulieferer ZF Saarbrücken und Festo. Im südpfälzischen Wörth standen für etwa eine Stunde die Bänder im Lkw-Werk von DaimlerChrysler still.

Am Mittwoch sollen die Proteste mit Aktionen an den Volkswagen-Standorten, bei Audi in Ingolstadt und zahlreichen weiteren Betrieben fortgesetzt werden.

"Rente mit 67: Arbeiten bis zum Umfallen, noch mehr Rentenkürzung, noch weniger Arbeitsplätze für Jüngere"

"Können Sie sich ein Land vorstellen, in dem fast 600.000 Menschen unter 25 Jahren und 1,2 Millionen über 50-jährige keinen Arbeitsplatz finden - und in dem die Regierung trotzdem beschließt, das Renteneintrittsalter um zwei Jahre herauf zu setzen?", fragt die IG Metall und gibt sogleich eine Antwort: "Dieses Land heißt Deutschland." Die Begründungen der Bundesregierung für die Rente mit 67 - die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Sanierung der Rentenkasse - sind nach Auffassung der Gewerkschaft nichts als "Scheinargumente".

Damit werde die Rente nicht sicherer. "In Wirklichkeit bedeutet Rente mit 67: Arbeiten bis zum Umfallen. Noch mehr Rentenkürzung. Noch weniger Arbeitsplätze für Jüngere."

Die Gewerkschaft kritisiert, dass "der Lebensstandard im Alter" nicht mehr gesichert sei. Der Rentenzahlbetrag liege heute nach 40 durchschnittlichen Versicherungsjahren bei etwa 950 Euro.

Zwar sei es richtig, dass die Gesellschaft altere. Dennoch ist die Gewerkschaft der Auffassung, dass man deswegen keine Rente mit 67 bräuchte. "Fakt ist: Die Sicherheit unseres Rentensystems hängt nicht davon ab, wieviel Jüngere es im Verhältnis zu den Älteren gibt. Entscheidend ist: Wieviel Beitragszahler kommen auf die Rentenbezieher?" Und vor allem sei wichtig, wie hoch ihr Einkommen sei, aus dem die Renten finanziert würden.

"Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden"

"Die wahre Ursache des Problems" sei nicht, dass es zuwenig Junge gebe, meint die Gewerkschaft. "Das Problem ist die Massenarbeitslosigkeit und ein zu geringer Anstieg der Löhne und Gehälter. Wir brauchen mehr anständig bezahlte und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze."

Bezogen auf die Aussage der Bundesregierung, wenn alle länger arbeiten würden, könnte die Rentenkasse saniert werden, fordert die IG Metall die Bevölkerung auf: "Das wollen uns die Regierungspolitiker weismachen. Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden. Rente mit 67 bringt höchstens eine Entlastung von fünf Milliarden Euro - das sind gerade mal 0,5 Beitragssatzpunkte."

Die Nachteile des Regierungsmodells seien, dass die Älteren länger arbeiten müssten und die Jungen keinen Job bekämen. "Fast 600.000 Jugendliche unter 25 und 1,2 Millionen über 50-jährige sind arbeitslos", so die Gewerkschaft. "Rente mit 67 heißt: Wer früher in Rente geht, muss pro Jahr 3,6 Prozent zusätzliche Abschläge hinnehmen. Noch mehr Rentenkürzung." Hinter vorgehaltener Hand würden das auch die Regierungspolitiker zugeben, behauptet die Gewerkschaft. "Verlierer wären wir alle: Weiter hohe Arbeitslosigkeit, arbeiten bis zum Umfallen, Rentenkürzung, schlechtere berufliche Perspektiven für die Jugend."

IG Metall fordert "Generationensolidarität"

Die IG Metall fordert eine "Beschäftigungsbrücke zwischen Jung und Alt". Dies erfordere einen "flexiblen Renteneintritt bis spätestens 65 Jahre". Nach 40 Versicherungsjahren solle ein "abschlagsfreier Zugang zur Rente auch vor dem 65. Lebensjahr" möglich sein. Weiterhin fordert die Gewerkschaft eine Verlängerung oder gleichwertige Nachfolgeregelung für das Altersteilzeitgesetz.

Der Zugange zu Erwerbsminderungsrenten solle erleichtert und die Abschläge bei dieser Rentenart getrichen werden. Weiterhin fordert die IG eine "schrittweise Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung".