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Hamburg baut Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen aus

Straftaten

Ein Jahr nach dem Start der Videoüberwachung auf der Hamburger Reeperbahn weitet die Stadt die Beobachtung öffentlicher Plätze aus. Im Sommer sollen auf dem Hansaplatz im Stadtteil St. Georg weitere fünf Kameras in Betrieb genommen werden, wie Innensenator Udo Nagel (parteilos) am Mittwoch mitteilte. Der Hansaplatz sei mit rund 300 Straftaten pro Jahr nach der Reeperbahn der am stärksten mit Kriminalität belastete Ort. Eine tödliche Auseinandersetzung vor knapp zwei Wochen habe erneut gezeigt, dass eine Kamerabeobachtung auch an diesem Standort notwendig sei.

Nagel zog eine erste positive Zwischenbilanz zur Videoüberwachung auf der Reeperbahn und auf dem Heiligengeistfeld. In den vergangen zwölf Monaten habe es allein auf der weltbekannten Amüsiermeile 271 Einsätze gegeben, die ohne die Kamerabilder entweder gar nicht oder deutlich später bemerkt worden wären. Die Folge seien 105 Festnahmen gewesen.

SPD: In St. Pauli steigt trotz Videoüberwachung die Kriminalität

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion findet die Videoüberwachung grundsätzlich ebenfalls richtig. Dennoch zog die Fraktion nach einem Jahr Videoüberwachung auf St. Pauli "eine gemischte Bilanz". Wer bisher erklärt habe, mit der Videoüberwachung seien die Sicherheitsprobleme auf St. Pauli gelöst, "ist nun schlauer", sagte der SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel. St. Pauli bleibe eine Kriminalitätshochburg in Hamburg.

Laut Dressel ist die Kriminalität in dem Stadtteil um 5,5 Prozent gewachsen. Bei den Körperverletzungsdelikten habe es sogar eine Zunahme von fast 27 Prozent gegeben. "Allein diese Zahlen beweisen, dass Nagel mit der Videoüberwachung seine selbst gesteckten Ziele nicht erreicht hat", sagte Dressel und sprach sich dennoch für die Überwachung aus: "Die Videoüberwachung- im öffentlichen Raum ist und bleibt im Rahmen eines polizeilichen Gesamtkonzeptes richtig. Als alleiniges Allheilmittel taugt sie nicht. Kameras ersetzen keine Polizisten.“

Ein Schatten auf der Videoüberwachungsbilanz des Innensenators sei die Zurechtweisung durch das Oberverwaltungsgericht. Es habe der Polizei untersagt, auch Privatwohnungen zu filmen. Dies sei nur zur Abwehr dringender Gefahren und in der Regel nur unter Wahrung des Richtervorbehalts zulässig. An diese Anforderungen hat sich die Polizei allerdings laut SPD-Fraktion "nicht gehalten".

SPD-Rechtsexperte Rolf-Dieter Klooß sagte, der Senat müsse auch auf skeptische Positionen reagieren - etwa auf die des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten. "Auch die Videoberwachung im öffentlichen Raum - die die SPD an Kriminalitätsbrennpunkte durchaus befürwortet - muss gesetzeskonform erfolgen", so Klooß.

Wenn der Hamburgische Datenschutzbeauftragte jetzt auf Grund einer Prüfung Mängel und Gesetzesverstöße aufzeige und Abhilfe verlange, sei dies "ernstzunehmen".

Datenschutzbeauftragter: Die elektronische Erfassung des Menschen

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Hartmut Lubomierski forderte: "Der beobachtungsfreie Raum darf nicht immer enger werden." Videoüberwachung solle zwar nicht verteufelt, dürfe aber auch nicht "verharmlost und zu einer sozialverträglichen Alltagserscheinung werden". Jeder habe grundsätzlich das Recht, sich im öffentlichen Raum unbeobachtet und unerfasst zu bewegen. Lubomierski fordert deshalb: "keine Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum vor einer sorgfältigen unabhängigen und ergebnisoffenen Evaluierung der Videoüberwachung der Reeperbahn".

Lubomierski wandte sich im 20. Tätigkeitsbericht des Datenschutzbeauftragten auch gegen Videoüberwachungen zur gezielten Beobachtung von Anwohnern und Hauseingängen, gegen Videoüberwachungen von Mitarbeitern und Arbeitnehmern sowie generell gegen "heimliche Videoüberwachung". Auch soll es nach Auffassung von Lubomierski in Schulen keine Überwachung von Unterricht und laufendem Schulbetrieb geben.

Nach Auffassung von Lubomierski geht "die elektronische Erfassung des Menschen" schon jetzt sehr weit: "Unser Bewegungsverhalten im öffentlichen Raum und in der Freizeit wird vielfältig beobachtet und ist weitgehend nachvollziehbar, denn jedes Handy wird automatisch geortet, im öffentlichen Raum und im Einkaufszentrum findet Videoüberwachung statt. Auf den Autobahnen erfolgt die Fahrzeugregistrierung per Toll Collect und die automatische Kennzeichenerfassung. Mit der RFID-Technologie kommt die automatische Zutritts- und Bewegungserfassung."

Zudem sollten die Gehaltsdaten aller Beschäftigten in Deutschland im Rahmen des JobCard-Verfahrens in einem zentralen Register gespeichert werden. "Unsere Identität wird biometrisch erfasst und gespeichert in biometrischen Passdaten. Unsere genetische Disposition wird durch Gentests immer vorhersagesicherer feststellbar. Es werden Tests entwickelt, die Aussagen über Lebenserwartung, Eigenschaften, Leistungsfähigkeiten sowie Veranlagungen zu Krankheiten ermöglichen. Körperliche Spuren wie Haare, Speichelreste, die wir hinterlassen, sind anhand des DNA-Identifikationsmusters uns eindeutig zuzuordnen", so Lubomierski. "Nehmen wir alle diese persönlichen Daten zusammen, die von uns erfasst werden, so ergibt sich ein Befund, auf den die Metapher 'gläserner Mensch' zutrifft."

Dem Staat und seinen Sicherheitsbehörden hält Lubomierski vor, für sie gelte das Motto: "Ich kommuniziere, also bin ich potenziell verdächtig." Also werde das Kommunikationsverhalten erfasst und gespeichert. Für die Wirtschaft und ihre Marketingstrategen gelte: "Ich konsumiere, also bin ich ein potenzieller Kunde." So werde das Konsumentenverhalten "erfasst und gespeichert und ausgewertet".

"Noch nie zuvor wurde unser Kommunikations- und unser Konsumverhalten so extrem elektronisch unterstützt und konnte technisch so perfekt und eindeutig abgebildet und aufgezeichnet und gespeichert werden wie heute", warnt der Datenschutzbeauftragte.