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Gabriel kritisiert Lobbyverbände und sich selbst wegen Biosprit-Beimischung

Künast kritisiert Besteuerung reiner Pflanzentreibstoffe

Nach dem Scheitern der geplanten höheren Beimischung von Biokraftstoffen zum Benzin streiten Opposition und Koalition über die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung. Im Bundestag verteidigte sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am 9. April gegen die Kritik von FDP, Links-Fraktion und Grünen. Anderthalb Jahre hindurch habe man mit der Fahrzeugindustrie, der Mineralölwirtschaft und dem ADAC über die Kraftstoffqualitätsnorm gesprochen. In dieser Zeit hätten diese angegeben, angesichts der geringen Zahl betroffener Fahrzeuge "kein Problem" zu sehen, sagte Gabriel. Dabei hätte man "den Verbänden nicht glauben dürfen", sondern von Anfang an Herstellerangaben abfragen müssen, räumte der Ressortchef ein. Dies sei der "Fehler, den wir in der Anhörung gemacht haben". Man sei aber davon ausgegangen, "dass die, die uns auf Anhörungen antworten", auch wissen, worüber sie reden, so Gabriel. Für Grünen-Fraktionschefin Renate Künast war die von der Bundesregierung forcierte Beimischung von Anfang an die falsche Strategie. Mit der Besteuerung reiner Pflanzentreibstoffe habe die Regierung den heimischen Bauern die Grundlage entzogen, "um tatsächlich Nachhaltige-Energie-Landwirte" zu werden. Ein zweiter Fehler sei die "Zwangsbeimischung", die dazu geführt habe, dass statt der Landwirte die Mineralölkonzerne daran verdienen, Treibstoff aus Übersee importiert werde und sich Zuckerrohrplantagen immer weiter ausdehnten.

Die Bundesregierung hatte ursprünglich geplant, den Bioethanolanteil im Benzin 2009 von fünf auf zehn Prozent (E10) zu erhöhen. Besitzer von Fahrzeugen, die auf die höhere Beimischung nicht ausgelegt sind, hätten dann nicht mehr Normal- oder Super-Benzin tanken können, sondern auf teurere Super plus umsteigen müssen. Da davon - angeblich - mehr als drei Millionen Fahrzeug betroffen gewesen wären statt der zunächst angenommenen 375.000, hatte Gabriel die Verordnung am 4. April zurückgezogen.

Der FDP-Parlamentarier Michael Kauch kritisierte, Gabriel habe zwar die zwangsweise Einführung der Ethanol-Beimischung E10 gestoppt, doch wolle er weiterhin sieben Prozent Biodiesel beimischen. Dabei habe man gerade beim Diesel mit Soja- und Palmöl Rohstoffe mit mehr als fragwürdigem Anbau. Gabriel dürfe sich nicht "aus der Verantwortung für die Regenwälder" stehlen, in dem er einfach nur festschreibe, diese dürften nicht aus dem Regenwald kommen.

Für die Links-Fraktion sagte die Abgeordnete Eva Bulling-Schröter, Gabriel sei bei der Verordnung nicht etwa wegen der "miesen Klimabilanz des Bioethanols" oder der "irrwitzigen Auswirkungen der Agrosprit-Importen auf Tropenwälder" auf die Notbremse getreten. Der Grund sei vielmehr gewesen, das Bioethanol den Motoren schaden könne.

Gabriel verwies demgegenüber darauf, dass sich die Opposition mit der Forderung nach höheren Beimischungsquoten "überboten" hätten, für die es in Deutschland aber keine hinreichende Reinkraftstoffproduktion gebe. Daher hätten auch Reinkraftstoffe importiert werden müsse, behauptete der Minister. Auch dann hätte die berechtigte Kritik an der Zerstörung von Regenwäldern und Mooren zugetroffen.

Mühlstein: Die im ÖPNV verwendeten reinen Biokraftstoffe steuerfrei stellen

Der für die Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes zuständige Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion, Marko Mühlstein, sagte "nach dem medialen Trommelfeuer der vergangenen Tage" hinsichtlich einer zehnprozentigen Ethanolbeimischung werde es Zeit, die Debatte um Biokraftstoffe wieder auf einer sachlichen Basis zu führen. Zentrale Aufgabe sei es, so schnell wie möglich Instrumente einzuführen, die den "Nachweis" über die nachhaltige Produktion von Agrarrohstoffen ermöglichten.

Da aber die Verankerung eines globalen Zertifizierungssystems einige Jahre dauern werde, müsse man kurzfristig wirksame nationale "Zwischenschritte" gehen.

Es sei bei einer Anhörung deutlich geworden, "dass die reinen Biokraftstoffe wie Biodiesel nach wie vor in vielerlei Hinsicht eine große Bedeutung haben. Im Transportgewerbe oder im Öffentlichen Personennahverkehr (OePNV) eingesetzt, leisten sie einen unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz und zur Stabilisierung der Versorgungssicherheit." Mühlstein fordert daher, die im ÖPNV verwendeten Biokraftstoffe steuerfrei zu stellen.

Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer hatte unlängst kritisiert, Bundesfinanziminster Peer Steinbrück habe die Besteuerung der reinen Biokraftstoffe unbedingt durchsetzen wollen.

Derzeit verfüge Deutschland über Produktionskapazitäten von knapp fünf Millionen Tonnen Biodiesel, so Mühlstein. "Damit ließen sich rund 15 Prozent des gesamten Dieselverbrauchs ersetzen. Dieses Potenzial und die damit verbundene Technologie müssen wir auch zukünftig nutzen", fordert der SPD-Abgeordnete. "Denn die aus der Energieerzeugung resultierende Wertschöpfung sowie die Arbeitsplätze sollten in den deutschen Regionen bleiben und nicht in Russland oder Saudi-Arabien entstehen."