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Deutsche AIDS-Hilfe und Verbraucherzentrale mahnen Pharmariesen ab

Medikamentenwerbung

Die Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) und der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) gehen gemeinsam gegen Verstöße gegen das Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel vor: Der vzbv hat die Firma Bristol-Myers Squibb wegen einer Anzeige abgemahnt, in der gleich drei rezeptpflichtige Medikamente gegen HIV genannt werden. "Wir sehen darin einen besonders dreisten Versuch, das in Deutschland geltende Werbeverbot für Arzneimittel zu unterlaufen", sagte dazu Dr. Stefan Etgeton, Referent für Gesundheit beim vzbv. Der Zeitpunkt für dieses Vorgehen sei offenbar bewusst gewählt: Nachdem die EU-Kommission vorgeschlagen hat, die direkte Werbung für rezeptpflichtige Medikamente zur Behandlung von HIV/AIDS, Diabetes und Asthma modellhaft zulassen, wird am kommenden Mittwoch im zuständigen Ausschuss des Europäischen Parlamentes über die Arzneimittelgesetzgebung der EU verhandelt.

Das Beispiel von Bristol-Myers Squibb zeige exemplarisch, wohin eine Lockerung des Werbeverbots führe, warnte Hannelore Knittel, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen AIDS-Hilfe: "Nach unserer bisherigen Erfahrung zeigt Werbung für HIV-Medikamente ein geschöntes Bild von Menschen unter Therapie und suggeriert, HIV sei problemlos behandelbar. Diese Botschaft ist falsch, unterläuft die Präventionsarbeit und verhöhnt diejenigen Menschen mit HIV, die unter schwersten Nebenwirkungen leiden."

Wann und mit welchen Medikamenten behandelt werde, müsse auf der Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse und gemäß den Bedürfnissen der Patienten entschieden werden. "Werbung aber hat immer das Ziel, den Absatz zu steigern, und darf bei dieser Entscheidung keine Rolle spielen", so Knittel weiter. Ein zu früher Therapiebeginn könne ebenso schädlich sein wie ein Therapiebeginn mit den "falschen", weil nicht zur individuellen Situation des Patienten passenden Medikamenten oder ein unnötiger Wechsel des Medikaments. "Diese Art von Werbung ist bisher nur in den USA und Neuseeland erlaubt", so Etgeton weiter. "Mit negativen Folgen bei den Arzneimittelkosten: Nach Zulassung der Endverbraucherwerbung in den USA stiegen die Ausgaben für Medikamente um 84 % von 1993 bis 1998." Die 50 am meisten beworbenen Präparate seien dabei für 47,8 % der Mehrkosten verantwortlich.

Insgesamt seien die Ausgaben für Laienwerbung in den USA von 55 Mio. Dollar in 1991 auf 2,5 Milliarden Dollar im Jahr 2000 gestiegen. Eine Lockerung des Werbeverbotes würde nach Ansicht des vzbv den gesundheitlichen Verbraucherschutz insgesamt verschlechtern und zu weiteren Kostensteigerungen im Gesundheitswesen beitragen.

Neue und teure Medikamente, deren Langzeitnebenwirkungen und Wechselwirkungen nicht hinreichend bekannt sind, würden nämlich erfahrungsgemäß stärker beworben als bewährte (und günstigere) Medikamente. "Patienten haben ein Recht auf umfassende und objektive Information über Medikamente und Therapieverfahren, und zwar von unabhängigen Institutionen", sagte Stefan Etgeton, "Werbung und Produktinformationen der pharmazeutischen Industrie aber sind niemals objektiv."

Das sehen offenbar auch die Verbraucher so: Eine Umfrage des britischen Verbraucherverbands Consumers Association hat ergeben, dass lediglich sechs Prozent der englischen Bevölkerung Informationen der Pharmaindustrie trauen würden. Auch Erfahrungen der USA untermauern die Skepsis. So hat die amerikanische Überwachungsbehörde FDA bisher bereits über 70 Firmen wegen falscher Gesundheitsangaben, der Verniedlichung von Risiken oder aber irreführender Informationen abgemahnt.

Bristol-Myers Squibb ist weltweit der sechstgrößte Pharmahersteller. Das amerikanische Unternehmen hat einen Weltmarktanteil von 4,3 Prozent. Der Arzneimittelumsatz von 17 Mrd. Euro macht 79 Prozent des Konzernumsatzes aus.