Johanna Kootz, 1942 geboren, absolvierte nach einer Bibliothekarsausbildung von 1965 bis 1971 ein Studium der Soziologie in München und an der FU Berlin. Ihre Diplomarbeit "Zur Frauenfrage im Kapitalismus" (zusammen mit Gisela Steppke) war eine der ersten Studien zur Frauen- und Geschlechterforschung. Diesem Thema blieb sie Zeit ihres Lebens treu, so war sie bereits in den 70ern maßgeblich daran beteiligt, Inhalte der Frauenbewegung in die Universität hinein zu tragen und dort bleibend zu verankern.
Frauen eine Zukunft geben
Neben ihrer wissenschaftlichen und Lehrtätigkeit in der Zentraleinrichtung Frauen- und Geschlechterforschung war und ist die Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen ihr Anliegen. Sie hat schön früh Frauen in Ost- und Westdeutschland miteinander vernetzt, "auch jenseits von Hierarchien", wie von der FU Berlin betont wird. Darüber hinaus organisierte sie beispielsweise auch einen Austausch mit Frauen in Israel und mit der Frauenbibliothek in der Türkei.
Es war ihr nicht nur ein Bedürfnis, Frauen für frauenpolitische Zusammenhänge zu begeistern und sie in ihrer Lebensplanung zu stärken, sie in ihren wissenschaftlichen Tätigkeiten zu unterstützen und immer wieder zu motivieren. "Es ist ihrem uneingeschränkten Einsatz und ihrer Auffassung, dass Wissen sich am besten potenzieren lässt, indem man es teilt, zu verdanken, dass sich weit über die Bundesrepublik Deutschland hinaus erfolgreiche Netzwerke von Wissenschaftlerinnen gebildet haben", so der Politologe Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr.
Frauen eine Gegenwart geben
Mit dem Aufbau einer Datenbank "Habilitierte Frauen in Deutschland 1970 ff." ist es der Preisträgerin nach Auffassung von Narr gelungen, ein institutionalisiertes Netzwerk zu etablieren, dass bereits vielen Frauen den Zugang zu einer wissenschaftlichen Laufbahn beträchtlich erleichtert, wenn nicht gar erst ermöglicht hat. Ausgehend von ihren Erfahrungen mit speziellen Weiterbildungsveranstaltungen für Wissenschaftlerinnen gehörte sie zu den Initiatorinnen des Rhoda-Erdmann-Programms. "Damit wurde ein erfolgreicher Weg gefunden, Frauen gezielt Schlüsselqualifikationen für ihre wissenschaftliche Karriere an die Hand zu geben, sie auf klassische Situationen, wie die Drittmitteleinwerbung und das Berufungsverfahren, vorzubereiten, ihnen aber zugleich auch einen Raum der Reflexion und Kommunikation über ihre Forschungsvorhaben und die eigenen Arbeitsbedingungen zu öffnen."
Zur erfolgreichen Verwirklichung wichtiger Zielsetzungen, wie der Verankerung der Frauenförderung in der Hochschulgesetzgebung und der Einrichtung des Berliner Förderprogramms, hat sie nach Angaben der FU Berlin im Rahmen hochschulübergreifender Kooperation einen wesentlichen Beitrag geleistet.
Außerhalb der Universität engagierte sich Kootz besonders im ersten Berliner Frauenhaus und im Verein "in Berlin wissenschaftlich und künstlerisch tätiger Frauen". Kootz war daran gelegen, die praktischen Erfahrungen in diesen Zusammenhängen in die Forschung und Lehre an der Universität einzubeziehen.
Frauen eine Geschichte geben
Als Mitarbeiterin der internationalen Frauenforschungsgruppe Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück veröffentlichte sie zusammen mit Ina Eschenbach "Das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück – Quellenlage und Quellenkritik", Berlin 1997.
Um Frauen eine Geschichte zu geben, hat Kootz eine Bibliothek zur Frauen- und Geschlechterforschung konzipiert und aufgebaut, die heute rund 6000 Bände und 20 laufende Zeitschriften und Periodika umfasst. Damit habe Johanna Kootz eine Sammlung begründet, die nicht nur die Ergebnisse der Frauen- und Geschlechterforschung umfasst, sondern auch "die Arbeit von Frauen sichtbar gemacht". Dazu dient zum Beispiel die von ihr initiierte Dokumentation der frauenforschungsbezogenen Abschluss- und Qualifikationsarbeiten an der FU Berlin seit dem Jahr 1979.
Das Preisgeld in Höhe von 11.000 Euro wird Johanna Kootz für interdisziplinäre Forschungen im Bereich Frauen- und Geschlechterforschung verwenden. Dazu ist das Lehr- und Forschungsprojekt "Zivilcourage – Der Zusammenhang von Kompetenzentwicklung und Bereitschaft von Verantwortungsübernahme in gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen" geplant.
Der Brentano-Preis wird seit 1995 für hervorragende Projekte und Maßnahmen zur Frauenförderung oder -forschung vom Präsidenten der FU vergeben. Er ist nach der Philosophin Margherita von Brentano benannt, die Anfang der 70er Jahre Erste Vizepräsidentin der FU war.