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Hetzjagd auf Inder in Mügeln soll laut Zeugen von Deutschen ausgegangen sein

Bürgermeister Deuse bezweifelt Mediendarstellung

Die gewalttätigen Ausschreitungen gegen acht Inder vor knapp zwei Wochen bei einem Stadtfest in Mügeln gingen laut einem Zeitungsbericht von einer Gruppe von Deutschen aus. Zwei deutsche Augenzeugen schilderten der "Berliner Zeitung", dass die Inder in der Tatnacht das Festzelt zunächst verlassen hätten, nachdem sie dort bedroht worden seien. Anschließend seien sie vor dem Zelt auf eine große Gruppe Deutscher getroffen, die unmittelbar angefangen hätten, auf sie einzuprügeln. Die Inder seien auch mit Flaschen und Pfefferspray attackiert worden. Der Bürgermeister von Mügeln, Gotthard Deuse (FDP), bezweifelt hingegen die Darstellung in vielen Medien.

Laut Berliner Zeitung seien die Inder schließlich in eine nahe gelegene Pizzeria geflüchtet. Aus der sie verfolgenden Menge seien rechtsradikale Parolen wie "Ausländer raus!", "Türkenschweine raus!" und "Hier regiert der nationale Widerstand!", gerufen worden, so die Zeugen. Einige der Schläger seien aus Mügeln gewesen, andere verkehrten in einem als Neonazitreffpunkt bekannten Lokal aus dem nahe gelegenen Oschatz, heißt es.

Eine deutsche Angestellte der Pizzeria sei bereits zu Beginn der Eskalation vor dem Festzelt als "Ausländerschlampe" beschimpft worden, weil sie gemeinsam mit der Gruppe der Inder im Zelt getanzt habe. Die Sprecher der zuständigen Polizeidirektion standen am 30. August für eine Bestätigung der Zeugenaussagen zunächst nicht zur Verfügung.

Die Ausschreitungen in der Nacht zum 19. August wurden schließlich von einer alarmierten Einsatzbereitschaft der Polizei beendet. Nach Polizeiangaben wurden bei dem Gewaltexzess insgesamt 14 Menschen zum Teil schwer verletzt, darunter sieben Inder und drei Polizeibeamte.

Der Fall sorgte zusätzlich für Wirbel, weil der Bürgermeister des Ortes, Gotthard Deuse (FDP), rechtsextremistische oder fremdenfeindliche Motive im Zusammenhang mit dem Übergriff bislang ausschließt.

Deuse in "Junge Freiheit": "Urteilen, ohne die Fakten zu kennen"

Deuse hat der deutsch-national orientierten Zeitung "Junge Freiheit" ein Interview gegeben. In der am 31. August erscheinenden Ausgabe beklagt der sächsische FDP-Kommunalpolitiker "die Vorverurteilung" seiner Stadt durch Medien und Politik: "Urteilen, ohne die Fakten zu kennen! Diese Definition passt auch auf Mügeln, insofern sehe ich Mügeln in der Tat als neues Sebnitz."

Die sächsische Stadt Sebnitz war im November 2000 in die Schlagzeilen geraten, als die "Bild"-Zeitung auf der Titelseite berichtete, dass der sechsjährige Joseph Abdullah in einem Freibad von Rechtsradikalen ertränkt worden sei. Später stellte sich heraus, dass der Junge einem Badeunfall zum Opfer gefallen war.

Gegenüber der Jungen Freiheit sagte Deuse: "Tatsächlich stand die Prügelei, bei der die Inder – und vier Deutsche – verletzt wurden, nicht am Ende, sondern am Anfang der Geschehnisse. Daraus erst ergab sich dann offenbar die Flucht in die Pizzeria Picobello. Um nicht mißverstanden zu werden: Ich verurteile jede Form der Gewalt auf das schärfste. Aber es ist schon ein Unterschied, ob die Inder unschuldig und aus fremdenfeindlichen Motiven überfallen, gejagt und dann verprügelt wurden, wie das jetzt von den meisten Medien dargestellt wird. Oder ob sich in einem Festzelt eine an sich unpolitische Prügelei entsponnen hat – an deren Entstehen die Inder überdies möglicherweise einen Anteil hatten. Und die dann in einer Flucht mündete, in deren Verlauf aus Wut dumme und unsägliche Parolen gerufen wurden – wobei noch nicht einmal geklärt ist, ob das wirklich die Tatbeteiligten waren oder irgendwelche trittbrettfahrenden Zaungäste. Ich sage nicht, dass es so war, ich sage nur, keiner weiß, ob es vielleicht nicht so war, und deshalb hat auch keiner das Recht, in dem Fall vorschnell politisch zu urteilen."

Was sich wirklich zugetragen habe wisse er auch nicht, so Deuse. "Das versucht die Polizei jetzt herauszufinden. Ich kann und will den Ermittlungsergebnissen nicht vorgreifen."

Einigen Journalisten wirft Deuse vor, sie wollten die Fakten gar nicht hören. "Nachdem sie die Geschichte von der rechtsextremen Hetzjagd so schnell rausposaunten, haben sie jetzt natürlich das Problem, dass sie als die Blamierten dastünden, wenn sie jetzt alles zurücknehmen müßten."

Auf die Aussage der Jungen Freiheit, es sei allerdings auf jeden Fall äußerst bedenklich, wenn eine Gruppe in gewalttätiger Absicht einer kleineren Gruppe nachsetze und dabei aggressive politische Parolen gerufen würden, reagierte Deuse wie folgt: "Kein Zweifel, und deshalb haben wir auch jede Art von Gewalt entschieden verurteilt."

Nach Darstellung von Bürgermeister Deuse soll es in Mügeln keine so genannte sogenannten „no-go areas“ für Ausländer geben.

Deuse warf hochrangigen Politikern vor, sie hätten mit "giftigen Parolen" gegen Mügeln ihren Teil beigetragen. Sachsens Grünen-Fraktionschefin Antje Hermenau wisse offenbar nicht, "wovon sie spricht", sagte er. Ex-Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sei entweder uninformiert oder "entschieden böswillig".

Er fügte hinzu, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "steht eben auch unter Druck", und von dem für den Aufbau Ost zuständigen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) "bin ich enttäuscht".

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel distanzierte sich von den Äußerungen seines Parteifreundes. Bürgermeister Deuse sei selbst dafür verantwortlich, was er wem sage, sagte er und betonte zugleich: "Für die FDP sage ich: Es darf keinerlei Relativierung von Gewalttaten und ausländerfeindlicher Gesinnung geben. Für alle Demokraten gehört das zu den Grundsätzen einer weltoffenen und toleranten Gesellschaft."