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Breite Bundestags-Mehrheit für erweiterten Kriegseinsatz in Afghanistan

Kritik der Friedensbewegung

Die Bundeswehr soll bis mindestens Dezember 2009 in Afghanistan bleiben. Der Bundestag billigte am Donnerstag (16. Oktober) in Berlin einen Antrag der Bundesregierung, das ISAF-Mandat der deutschen Streitkräfte um 14 Monate bis zum 13. Dezember 2009 zu verlängern. Dabei können künftig bis zu 4500 Soldaten und damit 1000 mehr als bisher eingesetzt werden. In namentlicher Abstimmung votierten 442 Abgeordnete für die Verlängerung. 96 votierten dagegen und 32 enthielten sich. Für die Linksfraktion bekräftigte ihr Abgeordneter Paul Schäfer in der Debatte die Forderung nach einem Rückzug der NATO-Truppen aus Afghanistan, während Vertreter der anderen Fraktionen sich gegen ein sofortiges Ende des deutschen Engagements wandten. Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin sprach zwar von einem "Strategiewechsel", möchte aber, dass die Bundeswehr weiterhin am Afghanistan-Krieg teilnimmt. Auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SDP) sprach sich für eine weitere Kriegsbeteiligung Deutschlands aus.

Dem Mandat zufolge bleiben die ISAF-Regionen Kabul und Nord die "Haupteinsatzgebiete" der Bundeswehr. Für die "Tornado"-Kampfflugzeuge gilt allerdings der gesamte ISAF-Verantwortungsbereich, also ganz Afghanistan. Neu im Mandat ist ein zeitlich und räumlich unbefristeter deutscher Beitrag "zur Führung und Durchführung von Informations- und Fernmeldeeinsätzen", womit unter anderem eine dauerhafte Beteiligung an der NATO-Mission im südafghanischen Kandahar möglich wird.

Die einsatzbedingten Zusatzaufgaben für die 14-monatige Verlängerung werden auf 688,1 Millionen Euro beziffert. Sie werden aus dem Etat von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) kommen.

Wieczorek-Zeul: Massakrieren von Frauen

Ministerin Wieczorek-Zeul behauptete in der Debatte, die Konsequenz eines Rückzugs aus dem Land wäre der Bürgerkrieg und "das Massakrieren von Frauen". Sie verwies zugleich darauf, dass die Bundesregierung allein für den zivilen Wiederaufbau 170,7 Millionen Euro zur Verfügung stelle. Hinzu komme humanitäre Hilfe.

Kritik äußerte Wieczorek-Zeul am Vorgehen der USA im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Es sei "falsch und unproduktiv", wenn das US-Militär dort unterschiedslos Raketenangriffe auf Stammesgebiete vornehme und "mutmaßlich Militante erschießt".

Trittin: Die Afghanen sollen stufenweise "Verantwortung" über Afghanistan übernehmen

Trittin bezeichnete es als "Illusion", ein sofortiger Abzug der Truppen würde zu Frieden führen. Es sei aber auch verantwortungslos, sich um die Frage zu drücken, mit welcher Perspektive Deutschland in Afghanistan präsent sei. Notwendig sei ein Stufenplan, in welchen Schritten "die Verantwortung" an die Afghanen übergeben werden soll. Trittin kritisierte zugleich, dass der notwendige Strategiewechsel in Afghanistan nicht stattgefunden habe. Auch werde die Stabilisierung scheitern, wenn beim Aufbau weiterhin "gekleckert und nicht endlich geklotzt" werde.

Homburger: Bessere Koordination des Aufbaus

Auch FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger sprach nicht so richtig über den zerstörerischen Krieg in Afghanistan. Sie verlangte vielmehr eine bessere Koordination des "Aufbaus" an.

Vor allem der Aufbau der "Sicherheitsstrukturen" müsse besser und schneller vorangehen. Sie betonte zugleich, dass der ISAF-Einsatz nicht nur dazu diene, den Afghanen "zu helfen", sondern auch "im Interesse der Sicherheit Deutschlands" sei. In Afghanistan werde klar gesagt, falls die internationale Gemeinschaft abzöge, würde Kabul wieder "die Hauptstadt des Terrors", behauptete die FDP-Politikerin.

Schockenhoff: Afghanistan stabilisieren

Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) sagte, man werde das ISAF-Mandat noch einige Jahre verlängern müssen. Das Militär könne aber nur 20 Prozent der "Mammutaufgabe" übernehmen, Afghanistan zu stabilisieren. Die restlichen 80 Prozent müssten durch zivile Anstrengungen abgedeckt werden.

Schäfer: Die NATO-Mission ist gescheitert

Der Links-Abgeordnete Paul Schäfer sieht die NATO-Mission am Hindukusch als gescheitert an. Auch werde die "Doppelstrategie" mit mehr Entwicklungshilfe sowie mit mehr Infanterie und Luftwaffe nicht funktionieren.

Er forderte, alle Kräfte auf eine politische Konfliktlösung zu konzentrieren. Dazu sei der Abzug der NATO-Truppen eine Vorbedingung. "Ohne den unverzüglichen Beginn eines geordneten Rückzugs und ohne eine konkrete Abzugsperspektive wird der Frieden nicht zu erreichen sein", meint er.

Steffen: Die deutsche Aufbauhilfe orientiert sich zuerst an militärischen Zielen

Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) kritisierten die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan durch eine Mehrheit des Bundestages. "Das ist eine verheerende Strategie des weiter so und des immer mehr so", so der friedenspolitischer Sprecher der IPPNW, Jens-Peter Steffen. "Wann wird verstanden, dass der 'Krieg gegen den Terror' militärisch nicht zu gewinnen ist?"

Nach Auffassung von Steffen gibt es zum Krieg Alternativen, an denen ein Dialog "mit allen politischen Kräften Afghanistans" ansetzen könne. "Die Grundlage dafür sind aber konkrete militärische Abzugspläne", so Steffen. Statt dessen werde aber ein Krieg fortgesetzt, der auf allen Seiten immer mehr Opfer koste.

Laut IPPNW "orientiert sich die deutsche Aufbauhilfe zuerst an militärischen Zielen" und weniger an den Interessen der Bevölkerung vor Ort. Es müsse eine klare Trennung zwischen Militär und Entwicklungshilfe geben, fordert die Organisation.

Die IPPNW sieht Ansätze für eine friedliche und die Demokratie fördernde Entwicklung des Landes unter anderem in den Ergebnissen der im August stattgefundenen Friedensdschirga, einem traditionellen Instrument der Konfliktlösung der paschtunischen Stämme. Diese fordert von der deutschen Bundesregierung und den europäischen Regierungen, islamischen und blockfreien Ländern, Gespräche für einen neuen Verhandlungsprozess voranzutreiben. Beteiligt sollten die unterschiedlichen Gruppierungen der afghanischen Opposition einschließlich der Taliban und die afghanische Regierung sein. Vorbedingung dafür sei allerdings ein konkreter militärischer Abzugsplan aller Truppen.

Die Ärzteorganisation erinnert daran, dass nach insgesamt 20 Kriegsjahren in Afghanistan die gesundheitlichen Probleme gewaltig seien. Das Land habe eine der höchsten Müttersterblichkeitsraten der Welt, ein Kind von Vieren sterbe, bevor es fünf Jahre alt werde. Die IPPNW fordert von der Bundesregierung und den anderen Staaten, die Ansätze in der Verbesserung der Gesundheitsversorgung viel entschiedener und nachhaltiger zu fördern.