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Frieden - Zivile Konfliktbearbeitung

Reihe „Probleme des Friedens“ des Friedenszentrums Braunschweig e.V.

friedensforschungDas neuste und faszinierendste Beispiel für Zivile Konfliktbearbeitung (ZKB) ist der Zivile Friedensdienst (ZFD). Der Begriff tauchte seit den 1970er Jahren im Bereich der kirchlichen Friedensdienste und in ökumenischen Erklärungen auf. Als Alternative zum Wehrdienst und zum Wehrersatzdienst / Zivildienst wurde ein in der Gesellschaft verankerter, gesetzlich abgesicherter, staatlich geförderter und international eingebundener Ziviler Friedensdienst gefordert. Dafür gab es viele Anträge auf Synoden, Parteitagen und Unterschriftensammlungen.

Konzeptionelle Überlegungen wurden 1994/1995 von der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg und vom Bund für Soziale Verteidigung (BSV) veröffentlicht. Sie kamen direkt aus der Friedensbewegung unter Beteiligung von FriedensforscherInnen und FriedensaktivistInnen. Das erste Curriculum veröffentlichte der Quäker und Ostermarsch-Gründer Konrad Tempel aus Ahrensburg. Das Forum Ziviler Friedensdienst konnte schließlich mit 40 Trägerorganisationen kräftig voranbringen. Daraus entwickelte sich ab 1995 ein anderes, stärker am Modell der Entwicklungsdienste orientiertes Konzept, das nicht mehr an die Wehrpflicht angelehnt war. Es wendet sich daher auch nicht mehr nur an junge Männer, sondern an berufs- und lebenserfahrene Männer und Frauen mit einem Mindestalter von 30 Jahren.

Mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen unter Johannes Rau fand 1997 der erste Qualifizierungskurs zur Ausbildung von Friedensfachkräften für den Zivilen Friedensdienst statt. Seit 1999 (Rot/Grün) fördert die Bundesregierung den Zivilen Friedensdienst. Federführend ist dabei das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt.

Die zivilgesellschaftlichen Träger haben sich im Konsortium Ziviler Friedensdienst zusammengeschlossen. Ihm gehören die anerkannten Entwicklungsdienste Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH), Christliche Fachkräfte International (CFI), Deutscher Entwicklungsdienst (DED), EIRENE, Dienste in Übersee / Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) und Weltfriedensdienst (WFD), Forum Ziviler Friedensdienst, außerdem die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) an.

Mit Ausnahme des staatlichen DED handelt es sich um zivilgesellschaftliche Organisationen. Die Anerkennung des Forum Ziviler Friedensdienst (forumZFD) als Träger des Entwicklungsdienstes im Jahr 2007 war ein Zeichen des BMZ, dass der Zivile Friedensdienst langfristig ein fester Bestandteil der personellen Entwicklungszusammenarbeit bleiben soll. Im 2004 durch die Bundesregierung beschlossenen Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ wird der Zivile Friedensdienst als „das wichtigste friedenspolitische Instrument zur Förderung von Friedenspotenzialen in der Zivilgesellschaft“ bezeichnet. Die Bundesregierung bekennt sich in diesem Papier zum Vorrang für Prävention in enger Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Trägern.

Hauptsächliche Zielebenen sind die „Graswurzelebene“, also die Basis der Bevölkerung, sowie die mittlere Ebene der zivilgesellschaftlichen Multiplikatoren, d.h. Menschen, die durch ihre berufliche oder gesellschaftliche, oft ehrenamtliche Tätigkeit wiederum andere Menschen erreichen.

In früheren Kriegsgebieten steht neben der Aufarbeitung von Kriegstraumata vor allem die Herausbildung einer demokratisch orientierten Zivilgesellschaft und die Vermittlung gewaltfreier Konfliktlösungsstrategien im Mittelpunkt. In Projekten des ZFD arbeiten hauptamtliche Friedensfachkräfte. Dies sind die Frauen und Männer, die sich freiwillig zu einem solchen Einsatz bereit erklärt haben und über eine entsprechende Qualifikation in Konfliktbearbeitung verfügen. Diese kann vor ihrem Einsatz in einer mehrmonatigen Qualifizierung z. B. in Bonn-Walberberg oder in Wustrow bei Lüchow erworben werden.

Die Friedensfachkräfte erhalten ein Unterhaltsgeld, Sozialabgaben sowie Versicherungen nach dem Entwicklungshelfergesetz und können ihre Familien mitnehmen. Ein Spannungsfeld, das sich aus der staatlich-nichtstaatlichen Zusammenarbeit (public-private partnership) ergibt, ist das Verhältnis zum Militär bzw. zur militärgestützten Politik. Mit der Anerkennung der Erfolge und Möglichkeiten des Zivilen Friedensdienstes durch die Militärführung und die AußenpolitikerInnen verstärkt sich dieser Konflikt. Die Fachkräfte wehren sich gegen Vereinnahmung und Instrumentalisierung. Alle zivilgesellschaftlichen Träger des ZFD lehnen eine solche Zusammenarbeit ab, verweigern sich aber nicht dem politischen Dialog mit Militärs. Einsatzfelder gibt es auch in Deutschland.

Im Jahr 2010 wurde der Zivile Friedensdienst mit € 30 Mio aus dem Etat des BMZ gefördert. Zur Projektarbeit in den Krisengebieten waren ca. 230 Fachkräfte in 40 Ländern mit ihren lokalen Mitarbeitenden im Verbund mit örtlichen Partnerorganisationen tätig. Gegenwärtig fordert das forumZFD mit einer Unterschriftenaktion „20 Mio mehr vom Militär“, das heißt aus dem Verteidigungshaushalt. Die Nachfrage von Auszubildenden ist da.

Daniel Gottschalk, Frieder Schöbel