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Mutter, Oma, Hure – aus dem Doppelleben einer Prostituierten

Susanne Wolff über Potenzstörungen, Hurenrate, Schüchternheit und ihr Buch

Wer Susanne Wolff im Café sitzen sieht, meint, eine erfolgreiche Geschäftsfrau vor sich zu haben – eine Frau, die ihr Berufsleben meisterte und sich nun auf ein selbstbestimmtes Leben im aktiven Ruhestand freut, mit viel Fitness und sozialen Aktivitäten. Doch Susanne Wolff hat ein anderes Leben hinter sich. In Wirklichkeit heißt die Autorin aus dem hessischen Vogelsberg nicht einmal Susanne Wolff. Sie arbeitete jahrelang als Prostituierte. In dem Buch „Ich war alt und brauchte das Geld“ beschreibt sie die Schattenseiten ihres Doppellebens, schildert die Erfahrungen mit ihren Gästen, berichtet, wie sie ihren Ausstieg vorbereitete. Sie hat es geschafft, in der Szene zu bestehen, Geld zurückzulegen und wieder auszusteigen; das alles, ohne dass ihre Familie davon erfuhr. Sie ist weiterhin darauf bedacht, diesen Lebensabschnitt vor bestimmten Leuten geheim zu halten und hat keinen Kontakt mehr zur Szene. Heute lebt sie zurückgezogen am Rande des Vogelsberges in einer kleinen Eigentumswohnung und kümmert sich in ihrer Freizeit um Missbrauchsopfer. Im Interview gibt sie Einblicke ins Rotlichtmilieu.

Susanne Wolff schrieb ihr Buch, um ihre Erfahrungen selbst aufzuarbeiten, aber auch als Warnung an Frauen, die nur das schnell verdiente Geld sehen und sich vor der Wirklichkeit dann in die Abhängigkeit flüchten. Ein „Beschützer“, der ihnen das Geld zum größten Teil wegnimmt, die Flucht in Alkohol und Drogen – und schon ist der ausweglose Dauerzustand hergestellt, der vielen ihrer Kolleginnen zum Verhängnis wurde.

NGO: Manch eine Leserin mag sich fragen: Wie kann frau bloß so etwas machen? Haben Sie denn gar keinen Stolz?

Susanne Wolff: Doch. Dass ich Prostituierte wurde, hängt sogar mit meinem Stolz zusammen. Ich war zu stolz, um jemandem um Unterstützung zu bitten.

NGO: Gibt es auch richtig ekelhafte Freier?

Susanne Wolff: Meist habe ich es am Telefon schon gemerkt, wenn einer zu viel Alkohol getrunken hatte z. B., dann habe ich einfach gesagt, dass ich keine Zeit habe oder meinen Preis so hochgeschraubt, dass der Kunde keine Lust mehr hatte. Wenn der Gast schon bei mir war, wurde es schwierig, doch im Notfall habe ich durchaus auch einen Gast wieder rausgeschmissen.

NGO: Eine Hure kann also einen Gast ablehnen? Ich übernehme mal Ihre Bezeichnung für die Kunden.

Ich in meiner Situation schon, klar, das habe ich immer selber entschieden. Die Hure im Club usw., da wird es schwierig, dann kommt der Clubbesitzer und macht Stress.

NGO: Fühlten Sie sich als Herrin des Verfahrens?

Ja, die meisten Männer geben die Führung gerne an die Frau ab.

NGO: Was schätzen Sie, wie viel Prozent der Männer schon mal bei einer Hure waren?

Ich schätze 80% der Männer waren mal bei einer Hure und ca. 65% der Männer gehen regelmäßig zu einer Hure.

NGO: Hatten sie manchmal Mitleid mit den Männern?

Ja, manche Männer haben mir schon leidgetan, meistens die, die Potenzprobleme hatten. Und es überrascht schon, dass weit mehr als die Hälfte der Freier Potenzprobleme haben, auch sogar unter Dreißigjährige… Obwohl die meisten Probleme psychisch bedingt sind und keine körperlichen Ursachen haben. Der Druck der Gesellschaft ist auf viele Männer zu hoch, im privaten Umfeld sowie beruflich.

NGO: Wie haben Sie potenzielle Kunden angesprochen und gewonnen?

Die meisten Kunden kommen aufgrund der Werbung, Anzeigen im Internet. Einige Männer kamen aber aufgrund der Empfehlungen von Gästen die mal bei mir waren und dann so zufrieden gingen, dass sie mich weiterempfohlen haben.

NGO: Wie haben Sie rausgekriegt, wie viel Geld sie nehmen können?

Mein "Freund", der Clubbesitzer, hat mir da weitergeholfen, und dann auch mal bei Kolleginnen angerufen und nach gängigen Preisen gefragt.

NGO: Warum brauchen das so viele Männer, machen wir insgesamt zu wenig Sex?

Das Verlangen nach Sex ist sehr unterschiedlich, und wenn zwei Menschen zusammen leben, die sehr unterschiedlicher Meinung sind, geht einer der Partner einen anderen Weg. Außerdem lässt in einer Beziehung die sexuelle Anziehung im Laufe der Jahre nach. Und die Männer möchten Praktiken ausprobieren, die die Partnerin ablehnt.

NGO: Ist mein Eindruck richtig, dass Millionen Männer und Frauen zu Hause rumhocken und von Sex träumen, und statt dass sie einander ansprechen gehen die Männer lieber zur Hure und die Frauen verzichten?

Ja, vom Grundsatz schon, die Männer trauen sich oft nicht, ihre Wünsche gegenüber der Partnerin zu äußern, oder sie wollen einfach mehr Sex. Aber auch einfach mal eine andere Frau zu haben ist für viele von Reiz. Die Frauen verzichten eher oder suchen sich einen Freund.

NGO: Waren ihre Freier überwiegend eher hässlich - oder eher schüchtern?

Die meisten waren schüchtern. Hässlich ist immer relativ, und es waren erstaunlich viele gutaussehende Männer bei mir.

NGO: Wie oft wurde bei Ihnen bei der Nummer gelacht?

Gelacht wird meist, wenn man sich etwas besser kennt, dann zu 70 %.

NGO: Wie viele Männer haben sie ca. kennengelernt?

Das kann ich schwer abschätzen. Ich denke, 800-1000 Männer.

NGO: Waren auch deutlich Jüngere darunter?

Ja, zu meinem Leidwesen waren auch sehr viel jüngere Männer dabei, teilweise solche, die gerade mal volljährig waren. Da hatte ich dann immer das Gefühl, das könnte mein Sohn sein.

NGO: Gab es ein Ereignis, bei dem Sie beschlossen haben: Jetzt muss ich aufhören!?

Ja, als ich mal bei dem Mann war, der sich im Nachhinein als Mörder herausstellte, da war mir klar, ich muss gezielter daraufhin arbeiten, so schnell wie möglich auszusteigen.

NGO: Was war das schwerste beim Anfangen und das Schwerste beim Aufhören?

Beim Einsteigen die Angst, dass irgendwann Zuhälter o. ä. vor meiner Tür stehen und mich erpressen wollen, oder dass ein Gast Dinge von mir mit Gewalt verlangt, die ich nicht wollte. Beim Aufhören war es schwer, den Punkt abzupassen und zu beschließen, dass die finanziellen Rücklagen reichen, um auszusteigen. Auch wenn ich heute noch mit einer "normalen" Tätigkeit etwas Geld verdiene, ist es schwierig, nach dem Ausstieg die Männer nicht weiter mit den Augen einer Hure zu sehen.

NGO: Was fiel ihnen überraschend leicht beim Anfangen und beim Aufhören?

Beim Einsteigen habe ich sehr schnell gelernt, abzuschalten und alles auszublenden. Der Kunde war schon für mich vergessen in dem Moment, als er die Tür hinter sich schloss – außer bei ein paar wenigen guten, netten Gästen. Beim Aufhören fiel mir der Verzicht aufs schnelle Geld und der Einstieg ins bürgerliche Leben überraschend leicht.

NGO: Hat in ihrer Familie jemals jemand was von ihrem Doppelleben geahnt?

Ich glaube nein. Der einzige kritische Punkt war mal, als ich eine Zeitlang ein sehr teures Auto gefahren habe, das wurde sehr kritisch hinterfragt: „Woher stammt das viel Geld?“ Aber ich habe den Preis herunterspielt und das Auto älter gemacht, als es wirklich war.

NGO: Gab es eine Situation in der Sie beinahe aufgeflogen wären?

Nein, das gab es niemals.

NGO: Wie haben sie sichergestellt, dass sie niemals von einem Bekannten oder Verwandten besucht wurden?

Das war manchmal, denke ich, Glück – und ein paar hundert Kilometer Entfernung bestärkten mich in der Meinung, dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass mich Bekannte besuchen könnten.

NGO: Hat ihnen das Doppelleben auch manchmal Spaß gemacht?

Meist war das Doppelleben eher belastend für mich, sehr wenige Augenblicke gab es, die mir Spaß machten.

NGO: Waren die Wünsche der Gäste vielfältig oder eher einfältig?

Die meisten Wünsche der Gäste sind eher gewöhnlich; einfältig ist mir zu negativ besetzt. Viele wollen auch nur reden und suchen das Gespräch.

NGO: Wird der Sex überschätzt, ist der Sex eher langweilig?

Den Sex auf Dauer spannend , anregend und aufregend zu halten mit einem Partner, ist sehr schwierig, ich würde sagen, heute fast unmöglich. Der Sex wird von einigen sehr hoch eingeschätzt, und andere legen weniger Bedeutung darauf. Den Partner zu finden, der auf der gleichen Wellenlänge schwimmt, das ist wie sechs Richtige im Lotto.

NGO: Vielen Dank, Frau Wolff, für das spannende Gespräch!

Rezension: "Ich war alt und brauchte das Geld"

Susanne Wolff ist zornig und gefrustet und merkt, dass sie wieder einmal „die Sache selbst in die Hand nehmen muss!“ So, wie sie in ihrem bisherigen Leben einiges anders machte als andere Frauen, so nimmt sie jetzt die Vermarktung der bisher nicht verkauften Bücher in die Hand, Bücher, die sie beim Verlag auslösen musste, um wieder an die Rechte für ihr Werk zu kommen. Nicht akzeptieren wollte sie, dass hunderte von Büchern vernichtet werden und die Rechte an ihrem eigenen Werk beim Verlag verbleiben. Kompromisslosigkeit in ihren Taten hat sie bei der Trennung von ihrem Mann schon bewiesen und auch in dem Moment, als sie, schon einige Zeit arbeitslos, sich entschloss, den Lebensunterhalt und die Absicherung für das Alter „im Gewerbe“ zu verdienen. Es gibt wenige Frauen, die das so konsequent durchziehen wie sie.

In diesem Buch beschreibt sie als Ich-Erzählerin den Weg in die Prostitution, was sie dort erwartet, wie sie sich durchbeißt, ihre zwei streng voneinander getrennte Leben, auf der einen Seite die „Nutte“, auf der anderen die liebende Mutter und Oma, deren Familie nicht wissen darf, auf welche Weise die erfolgreiche Oma ihr Geld wirklich verdient!

Es gelingt ihr, emotional zu beschreiben, wie sie sich durch dieses Leben kämpft, natürlich auch in der Wortwahl dieses Milieus – und trotzdem irgendwie diskret. Was mir noch wichtiger erscheint, sie lässt auch anklingen, dass viele Kunden bei ihr und den Kolleginnen das finden, um das sie ihre Frauen niemals bitten würden, Wünsche, von denen manche schon sehr skurril sind.

Das Buch ist jetzt im Eigenvertrieb
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Die Fragen stellten Harald Herrmann und Jens Jürgen Korff. Die Rezension schrieb Harald Herrmann.