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Schily stellt Ausländer unter Generalverdacht

Pro Asyl

Vor dem Hintergrund der öffentlichen Debatte um das sogenannte Anti-Terror-Paket II fordert die Arbeitsgemeinschaft PRO ASYL, die Ausländer und Flüchtlinge betreffenden Teile des Gesetzespakets genau so kritisch und mit rechtsstaatlicher Sensibilität zu bewerten wie Maßnahmen, die die deutsche Bevölkerung insgesamt betreffen. Die ausländer- und flüchtlingsrelevanten Teile des schilyschen Gesetzespaketes würden in ihrer Tragweite bislang noch nicht wahrgenommen. Müsse Schily bei Maßnahmen, die die Gesamtbevölkerung betreffen Ausweitung der Zuständigkeiten des BKA, Zugriff des Verfassungsschutzes auf eine Vielzahl von Daten), zurückstecken, so bleibe dennoch ein Gesetzentwurf übrig, der Ausländer und Flüchtlinge weiterhin unter Generalverdacht stelle und rechtsstaatlich bedenklich sei.

So soll die Unschuldsvermutung, eine der zentralen Säulen des Rechtsstaats, für Ausländer außer Kraft gesetzt werden. Die Ausweisungstatbestände des § 47 Ausländergesetz sollen (in Verbindung mit § 8 AuslG) so gefasst werden, dass ohne rechtskräftige Verurteilung bereits bei Verdacht einer Straftat ausgewiesen werden kann. So sollen Personen ausgewiesen werden können, bei denen „tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen“, dass sie sich „an Bestrebungen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebietes beteiligen oder beteiligt haben, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden.“

Problematisch ist neben der generalklauselartigen Ausgestaltung insbesondere die Anknüpfung an Bestrebungen auch außerhalb des Bundesgebietes. Gefährdet eine Person, die zum gewaltsamen Sturz der menschenrechtsverletzenden Talibanregierung aufruft, die auswärtigen Interessen der Bundesrepublik Deutschland? Die Antwort hierauf könnte vermutlich jedes Jahr anders ausfallen. Auch der Verdacht der Unterstützung politischer Gruppen, die etwa Gewalt gegen Sachen im Ausland befürworten, wird künftig zum zwingenden Ausweisungstatbestand. PRO ASYL erinnert daran, dass das Bundesverfassungsgericht in Grundsatzurteilen deutlich gemacht hat, dass die Anwendung von Gewalt und Terrorismus keineswegs gleichzusetzen sind. Wäre diese Vorschrift in den letzten Jahrzehnten schon in Kraft gewesen, dann hätten viele derer, die heute als Asylberechtigte in Deutschland leben, zwingend ausgewiesen werden müssen. Dazu gehören etwa Eritreer, die den Sezessionskrieg gegen Äthiopien unterstützt haben.

Mit der Konstruktion einer schrankenlosen Datenübermittlungspflicht vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an den Verfassungsschutz legt der Terrorbekämpfungsgesetzentwurf die Axt an eine der Grundlagen des Flüchtlingsschutzes. Nicht nur ermöglicht, sondern geradezu gefordert wird die aktive Weitergabe von Inhalten der Asylverfahren. Damit wächst das Risiko, dass Informationen über Asylantragsteller auf den Geheimdienstkanälen bis ins Herkunftsland gelangen. Die Grundlage eines fairen Asylverfahrens wird zerstört, wenn Asylantragsteller damit rechnen müssen, dass die von ihnen offenbarten Fakten zum Beispiel Familienangehörige im Herkunftsland gefährden können. Das bisher schon bei Asylsuchenden in vielen Fällen vorhandene Misstrauen gegen die Datensicherheit in deutschen Asylbehörden würde künftig eine Grundlage im Gesetz finden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bei den Plänen für ein neues Zuwanderungsgesetz eine zentrale Rolle als künftiges Bundesamt für Migration und Flüchtlinge spielen soll. Sollten diese Pläne verwirklicht werden, dann wird das Bundesamt über die vermutlich größte Datensammlung aller bundesdeutschen Behörden verfügen. Es liegt auf der Hand, was eine umfassende Auskunftsverpflichtung an die Geheimdienste bedeutet.

Noch viel deutlicher wird der Generalverdacht gegen Asylsuchende und Flüchtlinge an anderer Stelle: Das Bundeskriminalamt soll Fingerabdrücke und andere Daten von Asylbewerbern mit dem Bestand von Tatortspuren abgleichen können. Es geht hier nicht um die bisher schon mögliche Ermittlung im Einzelfall, stattdessen werden die über Asylbewerber gewonnenen Daten künftig so behandelt, als wären sie alle in der Straftäterdatei. Mit dem Ziel einer Bekämpfung des internationalen Terrorismus hat dies nichts zu tun, vielmehr aber mit dem unersättlichen Datenhunger von Sicherheitsbehörden: Verdachtsraster "Flüchtling".

PRO ASYL fordert die Parteien der Regierungskoalition auf, die Ausländer und Flüchtlinge betreffenden Teile des Anti-Terror-Pakets II nochmals unter die Lupe zu nehmen: Was keine Anti-Terror-Maßnahme ist, gehört nicht in ein Anti-Terror-Gesetz.