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Kritik an Kopftuch-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Diskriminierend oder frauenfeindlich

Der jahrelange Streit um ein Kopftuchverbot an staatlichen Schulen nimmt kein Ende. Einen Tag nach der Abweisung der Klage einer baden-württembergischen Lehrerin vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig warnten Politiker und Rechtsexperten am Freitag vor den Folgen eines generellen Verbotes. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, betonte, selbst eine Diskriminierung des Islam in seiner konservativen Form dürfe es nicht geben. Auch der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst Gottfried Mahrenholz lehnte ein Verbot als desintegrierend ab. Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) sieht sich indes in ihrer Politik bestätigt.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte am Donnerstag nach jahrelangem Rechtsstreit die Klage der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin auf Einstellung in den baden-württembergischen Schuldienst abgewiesen. Ludin hatte argumentiert, aus Glaubensgründen mit Kopftuch unterrichten zu wollen. Das neue Kopftuch-Gesetz des Landes erklärten die Richter zugleich für verfassungskonform.

Der Grünen-Politiker Beck forderte, dass ein weltanschaulich und religiös neutraler Staat alle Religionen gleich behandeln müsse. Aus der Bestimmung des baden-württembergischen Schulgesetzes dürfe eine einseitige Erlaubnis zum Tragen christlicher oder jüdischer Symbole nicht abzuleiten sein. Falls die Praxis sich hier gegen das Kopftuch wende, sei dies verfassungswidrig, betonte er.

Mahrenholz sagte, ein generelles Kopftuchverbot an den Schulen sei eine Diskriminierung gegenüber dem Christentum und dem Tragen der Nonnentracht im Unterricht. Das Gericht habe entschieden, dass das Tragen des Kopftuches auch Ausdruck der Religionsfreiheit sei. Die Konsequenz hätte demnach sein müssen, dass man die Frau in ihrer Person befrage, aber nicht generell das Kopftuch verbiete.

Becks Parteikollegin Irmingard Schewe-Gerigk verwies hingegen auf die höhere Rechtssicherheit. Das islamische Kopftuch störe den Schulfrieden. Es stehe für eine untergeordnete Stellung der Frau und sei deshalb nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Das Recht von Privatpersonen, ihre Überzeugung durch religiöse Symbole auszudrücken, bleibe davon selbstverständlich unberührt, betonte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag.

Nach Auffassung der baden-württembergischen Kultusministerin Schavan zeige das Urteil, dass das Landesgesetz eine geeignete Grundlage für ein Kopftuch-Verbot ist. Zudem hätten die Richter deutlich gemacht, dass die Regelung die christliche Religion nicht unzulässig bevorzuge. Schavan rechnet indes nicht mit Konsequenzen für Lehrerinnen in Ordenstracht. Es gebe in dieser Frage für den Staat keinen Handlungsbedarf, da das Bundesverwaltungsgericht ja die Vereinbarkeit des Kopftuch-Gesetzes mit der Landesverfassung bestätigt habe, sagte die Ministerin.

Der Verfassungsrechtler Ferdinand Kirchhof zeigte sich indes zuversichtlich, dass das Gesetz auch im Falle einer neuerlichen Verhandlung vor dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird. Ludin habe dort nur noch die Möglichkeit einer Beschwerde, die sich konkret gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts richtet. Darin müsste sie begründen, dass es sich um ein "willkürliches" Urteil handle. Diese Hürde sei "sehr hoch", betonte Kirchhof, der das baden-württembergische Kopftuch-Gesetz maßgeblich mitgestaltet hat.

Die Bundesvorsitzende Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eva-Maria Stange, sagte, ein generelles Kopftuch-Verbot verstoße gegen die grundgesetzlich verbürgte Glaubensfreiheit. Sie sei der Auffassung, dass das baden-württembergische Gesetz die verschiedenen Religionen unterschiedlich behandle. So sei das Tragen von Ordensgewändern weiter erlaubt. Stange sprach sich generell dafür aus, die Entscheidung über ein Kopftuch-Verbot den Schulen vor Ort zu überlassen. Diese könnten am ehesten abwägen, ob durch das Tragen eines Kopftuchs der Schulfrieden gestört werde oder nicht.