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SPD-Chef Beck präsentiert Modell für Teil-Privatisierung der Bahn

"Schlechte Erfahrungen bei Telekom und TUI"

Nach einer vierstündigen Sitzung mit den Landes- und Bezirksvorsitzenden der SPD hat sich die Partei auf ein Modell zur vorläufigen Teil-Privatisierung der Bahn geeignigt. Nach den Plänen sollen bis zu 24,9 Prozent des Personen- und Güterverkehrs an private "Investoren" verkauft werden. Bahnhöfe und Schienen sollen hingegen komplett im Staatsbesitz bleiben. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte, das neue SPD-Konzept sei eine gute und vernünftige Grundlage für einen Konsens. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) freut sich über die Möglichkeit einer Teilprivatisierung: "Besser jetzt als gar nicht", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf. Die jetzt offensichtlich von der SPD angestrebte Veräußerung von "zunächst" 24,9 Prozent eröffne endlich Chancen für den Schienenverkehr und die Kunden in Deutschland. Doch nicht alle SPD-Politiker sind glücklich mit dem Vorschlag.

Der frühere Juso-Chef Björn Böhning sieht immer noch die Gefahr einer zu großen Einflussnahme auf die Unternehmenspolitik, wenn ein Viertel der Anteile privaten Investoren gehört. Auch das Bündnis "Bahn für Alle" warnt, die Erfahrung bei Telekom und TUI zeige, dass bereits ein paar Prozent Anteile einem Investor reichten, "um massiv Einfluss zu nehmen". Die Bevölkerung lehnt die Bahn-Privatisierung mehrheitlich ab.

Dem SPD-Modell zufolge bleibt der Mutterkonzern zu 100 Prozent in Besitz des Bundes, ebenso wie das Schienennetz. Private Investoren sollen sich aber an den Betriebsgesellschaften des des Personen- und Güterverkehrs mit bis zu 24,9 Prozent beteiligen können. Bis zu diesem Wert bestimmt der Mehrheitseigner, also der Bund, über die personelle Besetzung des Aufsichtsrats. "Kurzfristige Kapitalinteressen dürfen sich nicht auf die Bahnpolitik auswirken", so Beck einerseits. Es spreche aber auch nichts dagegen, den Aufsichtsrat für "Experten" zu öffnen.

Das vorgelegte Modell finde Zustimmung bei der Konzernleitung, Bahngewerkschaften und Experten, sagte Beck. So habe Bahn-Chef Hartmut Mehdorn versichert, auf dieser Grundlage könne man gut arbeiten. Der konzerninterne Arbeitsmarkt solle tarifvertraglich abgesichert werden, so dass die 230.000 Beschäftigen "größtmögliche" Sicherheit erhielten.

Pofalla sagte, dass die Union weiterhin eine Privatisierung der Betriebsgesellschaften von 49 Prozent anstrebe. Der jetzige SPD-Vorschlag könne aber "eine erste Tranche" für die laufende Legislaturperiode bis 2009 sein. Die CDU werde in den Verhandlungen mit der SPD darauf drängen, dass "in absehbarer Zeit" eine zweite Tranche folge. "Erfreut und dankbar" zeigte sich Pofalla darüber, dass das frühere Modell einer Privatisierung über Volksaktien bei der SPD vom Tisch sei und diese nun auch das Holding-Modell favorisiere.

Auch BDI-Hauptgeschäftsführer Schnappauf forderte sogleich, die Option für weitere Privatisierungsschritte der Transportunternehmen müsse erhalten bleiben. "Eine feste Privatisierungsschranke lehnen wir ab." Bei den Überlegungen für einen langjährigen Privatisierungsvertrag sollten CDU/CSU und SPD auf ein "offenes Modell" setzen, fordert der BDI. "Dies muss die Chancen für eine spätere Anpassung und Weiterentwicklung erhalten", so Schnappauf.

Im Personennahverkehr und im Güterverkehr sei mit dem Wettbewerb auf der Schiene eine positive Entwicklung in Gang gekommen. Davon profitierten Kunden, Unternehmen und Steuerzahler gleichermaßen. "Diese Entwicklung muss weiter vorangehen. Mit den Erlösen aus der Privatisierung sollten die Investitionen in die Infrastruktur gestärkt werden", so Schnappauf.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Gesine Lötzsch, sagte, "die SPD ebnet einer renditeorientierten Börsenbahn den Weg, bei der Bahnkunden und –beschäftigte auf der Strecke bleiben." Eine schlechte Idee werde keine gute Idee, nur weil man die Idee in Scheibchen serviere. "Das neue Modell der SPD will ein bisschen Privatisierung. Doch jedem ist klar, dass diese Lösung die Fortsetzung der kompletten Privatisierung der Bahn bedeutet." Die Linke ist daher auch gegen das neue Privatisierungsmodell. "Wir wollen keine Einstiegsdroge in die weitere Privatisierung der Daseinsvorsorge", so Lötzsch unter Verweis auf das Grundgesetz.

"Mit jeder Variante des Steinbrückschen Holding-Modells wird der Einfluss privater Miteigentümer in den gesamten DB-Konzern geholt - auch auf die Infrastruktur, die Teil des DB-Konzerns ist", kritisiert Stefan Diefenbach-Trommer vom Bündnis "Bahn für Alle". Zugleich könnten weder Gesetze noch Verträge dauerhaft sichern, dass es im Konzern einen gemeinsamen Arbeitsmarkt gebe, dass keine weiteren Anteile oder einzelne Unternehmen verkauft würden, dass private Miteigentümer Forderungen an die DB AG stellten "und bei Nichterfüllung Milliarden Euro an Nachteilsausgleich fordern".

Die gesamte Struktur mit Subholdings sei "gefährlicher Murks", meint Klaus Ihlau von Attac. "Es wird Aktenordner voller Verträge geben, zum Teil geheim, zum Teil so kompliziert, dass selbst Juristen die Folgen kaum einschätzen können."

"Kurt Beck täuscht sich selbst und die SPD, wenn er meint, im Holding-Modell gebe es Sicherungen gegen einen weiteren Ausverkauf und gegen Kündigungen", sagte Carl Wassmuth von Attac. "Tatsächlich hat Beck den Einstieg in Zerschlagung und Ausverkauf der Bahn beschrieben. Jede politische Mehrheit kann einen Vertrag zwischen DB AG und Bund abändern. Je nach Gusto kann eine Regierung Vertragsverletzungen ihres eigenen Unternehmens, der DB AG, akzeptieren."

"Unser Bündnis 'Bahn für Alle' steht mit der Forderung nach einer Bahn in öffentlicher Hand für 70 Prozent der Bevölkerung", sagte Wassmuth. "Sollte der SPD-Parteirat kommende Woche dem faulen Kompromiss zustimmen, dann tauscht die SPD einen Milliarden-Konzern und politischen Einfluss auf den Verkehr gegen eine winzige Haushaltseinnahme - winzig im Vergleich zum Wert der Bahn und zu den jährlichen öffentlichen Aufwendungen dafür." Beck habe versprochen, von den Vorgaben des SPD-Parteitages nicht ohne neuen Parteitagsbeschluss abzuweichen.