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Kritik an "illegitimen" WTO-Verhandlungen beim G8-Gipfel

"In der Geschichte ohne Beispiel"

Nach Angaben von Entwicklungsorganisationen, Umweltverbände und Gewerkschaften sollen beim G8-Gipfel in St. Petersburg auch die Ende Juni in Genf gescheiterten Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) fortgesetzt werden. Dies sei jedoch illegitim: "Die G8 haben überhaupt kein Mandat für WTO-Verhandlungen", so der Handelsexperte beim Evangelischen Entwicklungsdienst (EED), Michael Frein. "Eine Vereinbarung in St. Petersburg wäre illegitim und undemokratisch. Mehr als 90 Prozent der WTO-Mitglieder wären von den WTO-Verhandlungen der G8 ausgeschlossen." Die Staats- und Regierungschefs der G8 dürften jetzt "keine neuen Fakten schaffen". Die aktuellen Forderungen der Industrieländer an die Entwicklungsländer seien "in der Geschichte ohne Beispiel".

Zu den kritischen Punkten der WTO-Verhandlungen gehörten die Bestrebungen, die Märkte für Agrar- und Industriegüter zu öffnen. Während die Agrarkonflikte im öffentlichen Interesse stünden, bleibe die Debatte über Industriegüter stärker im Hintergrund. Organisationen wie der Evangelische Entwicklungsdienst (EED), Greenpeace, Oxfam, Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED) und die IG Metall warnen vor einem "Desaster für Umwelt und Entwicklung".

Auf einer Konferenz dieser Organisationen am Donnerstag hätten vor allem Vertreter aus Entwicklungsländern ihre Sorgen geäußert: "Für die meisten Entwicklungsländer wäre eine drastische Senkung ihrer Industriezölle eine Katastrophe", so Goh Chien Yen vom Third World Network (TWN) aus Malaysia. "Statt ökonomischer Entwicklung wären viele Länder von Deindustrialisierung bedroht."

Goh verwies dabei auf Beispiele: "Als die Zölle der Elfenbeinküste 1986 um 40 Prozent gesenkt wurden, brachen die Chemie-, Textil-, Schuh- und Automobilsektoren praktisch zusammen." Was die Industrieländer nun von den Entwicklungsländern forderten, sei, so Goh, in der Geschichte ohne Beispiel: Viele Entwicklungsländer wie Brasilien, Indien, Indonesien Pakistan, Paraguay, sollen ihre Zölle um bis zu 70 Prozent senken.

Die Gewerkschaften betonten, dass die Zollsenkungen Arbeitsplätze in Entwicklungsländern bedrohten. Im Senegal etwa sei in Folge eines Liberalisierungsprogramms in den neunziger Jahren ein Drittel aller Arbeitsplätze im produzierenden Sektor verloren gegangen.

Auch die Umwelt leide unter niedrigeren Zöllen, der Druck auf die natürlichen Ressourcen wachse. "Es ist absurd, dass in der WTO Wälder wie Autos behandelt werden", kritisiert Hapsoro von Greenpeace SouthEastAsia die Verhandlungen, "die Forst- und Fischereiprodukte unter Industriegütern subsumieren".

Niedrigere Zölle führten zu niedrigeren Preisen. Und niedrigere Preise erhöhten die Nachfrage, die oft durch Raubbau gedeckt werde. "Die Pläne der WTO zur Liberalisierung des Handels mit Forstprodukten müssen aufgegeben werden" fordert Hapsoro. "Die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt wären unverantwortlich."