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Umweltschützer warnen vor Kahlschlag im Nahverkehr

"Falsche Kanäle"

Die Bahnexpertengruppe "Bürgerbahn statt Börsenbahn" (BsB) warnt vor einem Kahlschlag im Schienenpersonennahverkehr. Die Pläne der Bundesregierung zur Kürzung der Regionalisierungsmittel müssen nach Auffassung der Fachgruppe, zu der unter anderem der ehemalige Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf (Autor von "Eisenbahn und Autowahn"), der Verkehrswissenschaftler Professor Heiner Monheim und der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Hans-Joachim Kernchen, gehören, zu einem deutlichen Rückgang im Nahverkehr der Bahnen führen. "Sie werfen nach auch ein Licht auf die Art des beabsichtigten Bahn-Börsengangs: den eines Ausverkaufs", heißt es in einer Stellungnahme. Nach der Kabinettsvorlage für Mittwoch käme es bereits ab 2006 und Jahr für Jahr zu zusätzlichen Kürzungen bei den Regionalisierungsmitteln – bis 2009 um 2,3 Milliarden Éuro. Das sei ein Drittel der noch 2005 an die Bundesländer ausgereichten Mittel in Höhe von 7,1 Milliarden Euro.

Diese Kürzungen müssen nach Auffassung der "Bahnexpertengruppe" zu einer erheblichen Reduktion des Angebots im Nahverkehr und zu einem Abbau der Fahrgastzahlen führen. "Die logischen Folgen" seien: "Ein deutlicher Rückgang bei den Beschäftigten im Schienennahverkehr, ein weiterer Rückgang der Investitionen in diesem zentralen Bereich und ein weiterer Abbau der Beschäftigten in der Bahnindustrie".

Die "faktische Stagnation" der Regionalisierungsmittel, die es in den letzten Jahren gegeben habe, und der Einsatz eines Teils dieser Mittel "in falsche Kanäle", hätten bereits zu einem ersten Rückgang im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) geführt.

Nach jüngsten Angaben des Bundesverkehrsministeriums im Standardwerk "Verkehr in Zahlen" habe die Leistung im Schienenpersonennahverkehr 2001 bei 40,1 Milliarden Personenkilometer (Pkm) gelegen. In den Jahren 2002 und 2003 sei sie dann auf 38,2 und 39,7 Milliarden Personenkilometer gesunken. 2004 hätten sie mit 40,2 Milliarden Personenkilometer "immer noch unter dem Niveau von 2001" gelegen.

Die Bahnexpertengruppe "Bürgerbahn statt Börsenbahn" hält auch die in den vergangenen Jahren behaupteten Steigerungsraten im Schienenpersonennahverkehr für unseriös. Man habe bereits mehrfach "im Detail nachgewiesen", dass diese Steigerungsraten "fragwürdig sind". Die jüngste offizielle Statistik bestätige dies. Vor ihrem Hintergrund erhalte die Kritik an den geplanten Kürzungen der Nahverkehrsgelder "eine zusätzliche Bedeutung".

Die Kürzung der Regionalisierungsgelder muss sich nach Auffassung der Bahnfachleute auch direkt im Ergebnis der Deutschen Bahn AG niederschlagen. 2004 habe die Deutsche Bahn einen Gewinn von 253 Millionen Euro ausgewiesen. Die Nahverkehrstochter DB Regio habe allein einen Gewinn von 424 Millionen Euro verbuchen können. "Sie trug also – zusammen mit dem Straßenbereich von Schenker-Stinnes - wesentlich dazu bei, die Verluste des Fernverkehrs und des Güterschienenverkehrs (Railion) zu auszugleichen beziehungsweise den zitierten Gesamtgewinn zu erreichen."

Die Kürzungen der Regionalisierungsmittel machten zudem einen großen Teil "der behaupteten haushalterischen Effekte", die laut dem neuen Bahngutachten von Booz Allen Hamilton der Bahn-Börsengang bringen solle, zunichte. Damit zeichne sich ab, "dass die Bundesregierung die Bahn im Rahmen des anvisierten Börsengangs aufspalten und in getrennten Häppchen verkaufen will".

Die Bahnexpertengruppe wendet sich grundsätzlich gegen jede Art eines Verkauf des Bundeseigentums Deutsche Bahn AG an private "Investoren". Dies werde zu einem weiteren Rückgang der Schiene als umweltfreundlichem Verkehrsmittel führen. Die sich abzeichnende Aufspaltung der Bahn im Rahmen dieser Ausverkaufspolitik werde diese negativen Tendenzen noch verstärken.

Der baden-württembergische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wies unterdessen darauf hin, dass die geplanten Mittelkürzungen für den Schienennahverkehr für Baden-Württemberg in den nächsten drei Jahren einen Verlust von über 250 Millionen Euro bedeute. Pro Jahr stünden damit über 84 Millionen Euro weniger für den Schienenpersonennahverkehr zur Verfügung. Damit drohe ein "Kahlschlag im Schienenverkehr des Landes". Nach Einschätzung des Umweltverbandes müsste dann schätzungsweise jeder sechste Zugkilometer künftig gestrichen werden. "Die Folgen wären massive Angebotseinschränkungen, unattraktive Fahrpläne und Streckenstilllegungen vor allem in den ländlichen Regionen von Baden-Württemberg."