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EU soll Märkte nicht "mit der Brechstange" öffnen

WTO-Verhandlungen

Anlässlich der WTO-Verhandlungen, die sich seit Donnerstag unter anderem mit Zollsenkungen bei Industrie-, Forst- und Waldprodukten beschäftigen, fordert der Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) die Europäische Union (EU) dazu auf, Märzte "nicht mit der Brechstange" zu öffnen. Der Entwicklungsdienst fordert die EU auf, den Entwicklungsländern im Agrarbereich entgegenzukommen. "Subventionierte EU-Agrarprodukte überfluten die Märkte von Entwicklungsländern und zerstören in großem Maßstab die Existenzen von Kleinbauern", meint Rudolf Buntzel vom Evangelischen Entwicklungsdienst. Die EU wolle den geplanten Zollsenkungen für alle zustimmen und "damit den ruinösen Export fördern". Es sei jetzt entscheidend, dass die Entwicklungsländer "zumindest mit ihren Forderungen nach einem effektiven Schutz ihres Grundnahrungsmittelbereichs durchkommen". Die EU fordert den "Abbau handelsverzerrender Subventionen und Zölle".

Der Evangelische Entwicklungsdienst fordert die EU auf, auf die Vorschläge der G-33 - einem Zusammenschluss von 48 armen Entwicklungsländern - und der G-90, einer Gruppe von 90 Entwicklungsländern, einzugehen. Dies bedeute, dass sie bei 20 Prozent ihrer Zollinien, die als "Spezielle Produkte" ausgewiesen würden, keine weitere Marktöffnung vornehmen müssten. Die "Speziellen Produkte" dienten laut WTO-Vertrag der Armutsbekämpfung, der ländlichen Entwicklung und der Ernährungssicherung.

Die Bedeutung dieser Forderung werde von den "jüngsten Fällen von Agrardumping in Westafrika" unterstrichen. Die Bauern- und Verbraucherorganisation ACDIC aus Kamerun habe auf einer Pressekonferenz in Yaoundé die Ergebnisse einer neuen Recherche vorgestellt. Fazit: "Wir konsumieren nicht mehr, was wir produzieren, und wir produzieren nicht mehr, was wir konsumieren". Kamerun sei inzwischen von importierten Agrarerzeugnissen aus Europa und den USA abhängig. Importiert werden unter anderem Milch, Mais, Reis, Zwiebeln, Tomaten und Geflügel.

ACDIC mache "das Welthandelssystem, korrupte Regierungsbeamte und die Vernachlässigung der Landwirtschaft bei fehlendem Schutz vor Billigimporten" für diese Situation verantwortlich.

Zusammen mit anderen Bauern- und Verbraucherorganisationen aus sieben westafrikanischen Staaten habe ACDIC eine "Kampagne zur Ernährungssouveränität" gegründet. Die wichtigste Forderung: Förderung der eigenen landwirtschaftlichen Entwicklung und Ausbau des Schutzes vor Billigimporten. Bezüglich der WTO und bilateraler Handelsverträge fordert ACDIC, dass der politische Freiraum erhalten bleibt, "die eigene Landwirtschaft durch Schutz und Förderung konkurrenzfähig zu machen".

Der Evangelische Entwicklungsdienst fordert die EU bei den WTO-Verhandlungen dazu auf, "vor allem das Junktim aufgeben, dass die Entwicklungsländer ihre Ausnahmeregelungen für Spezielle Produkte zur Armutsbekämpfung nur dann erhalten, wenn die europäische Landwirtschaft ihre Ausnahmen bei den so genannten Sensitiven Produkten wie Weizen, Milch, Rindfleisch und Gemüse erhält". Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.

EU: "Abbau handelsverzerrender Subventionen und Zölle"

Nach Angaben der Europäischen Union sind die Doha-Verhandlungen im Agrarbereich bisher am weitesten fortgeschritten. Hier gehe es im Wesentlichen um drei Fragen: den Abbau der Zölle, die Exportsubventionen und die interne Stützung der Landwirte.

In Hongkong hätten die WTO-Mitglieder den Abbau aller Exportsubventionen bis 2013 vereinbart. Bis Ende April 2006 sollten die Unterhändler die Einzelheiten des Abbaus vereinbaren. Dazu gehörten auch die Reform der staatlichen Handelsunternehmen in Australien, Kanada und Neuseeland sowie die amerikanischen Nahrungsmittelhilfe- und Exportkreditregelungen.

Im Bereich der internen Stützung hätten sich die Verhandlungsführer auf einen "großzügigen Rahmen für die Senkung handelsverzerrender Subventionen" geeinigt, wobei die EU ihre Unterstützung am stärksten zurückfahren werde, gefolgt von den USA, Japan und anderen. Die EU habe sich bereit erklärt, "die handelsverzerrende interne Stützung" um 70 Prozent zu senken und die Exportsubventionen bis 2013 vollständig abzubauen, wobei viele Zahlungen bereits vor diesem Zeitpunkt auslaufen sollten.

In der Frage der Zollsenkungen habe es einen breiten Konsens für ein "System von Zollspannen" gegeben, nach dem die höchsten Zölle am stärksten gesenkt werden sollten. Die EU habe angeboten, ihre höchsten Zölle um 60 Prozent zu senken und ihren durchschnittlichen Agrarzoll auf 12 Prozent fast zu halbieren, was dem derzeitigen durchschnittlichen Agrarzoll der USA entspräche.

EU will Zölle für "Sensitive Produkte" nur wenig senken

Die WTO-Verhandlungsführer sollen sich nach der Vorstellung der EU außerdem auf die Anzahl der erlaubten "Sensitiven Produkte" einigen, "für die die Zölle zwar weniger gesenkt, aber der Marktzugang dennoch erheblich erleichtert" werde.

Die EU und auch andere Länder drängen die USA, größere Zugeständnisse beim Abbau handelsverzerrender interner Agrarsubventionen zu machen. Die amerikanischen Ausgaben zur internen Stützung der Landwirte haben laut EU "ein Rekordhoch erreicht", ohne dass sich die USA zu konkreten Reformen verpflichtet hätten. Die aktuell von der US-Regierung angebotenen Höchstsätze für handelsverzerrende Unterstützungszahlungen lägen über der letzten verbindlichen Zusage, die die USA 2001 in Genf gemacht hatten. Diese Anhebung sei den WTO-Mitgliedern "nur schwer zu vermitteln", meint die EU, "zumal die USA als Gegenleistung völlig unrealistische Zollsenkungen fordern".

EU will Marktzugang für Industriegüter und Dienstleistungen

Obwohl der Handel mit Industriegütern mehr als drei Viertel des gesamten Handels sowohl der Industrieländer als auch der Entwicklungsländer ausmache, sind die Verhandlungen über den Marktzugang von Nicht-Agrarprodukten (NAMA) laut EU bei weitem nicht so weit vorangekommen wie die Agrarverhandlungen. Die EU hat ihr Angebot im Agrarsektor an die Bedingung geknüpft, "dass andere Industrieländer und Schwellenländer den Marktzugang für Industriegüter und Dienstleistungen erweitern".

Die Forderung nach besserem Marktzugang für Industriegüter richte sich an "andere reiche Länder". Hier fordert die EU "durchschnittliche Zollsätze im unteren einstelligen Bereich". Der durchschnittliche Zollsatz für Industriegüter der EU liegt derzeit bei knapp 4 Prozent.

Auch so genannte "fortgeschrittene Entwicklungsländer" sollen nach den Vorstellungen der EU ihre Zollsätze für Industriegüter erheblich senken. Die geforderten Zölle würden aber "noch erheblich unter dem liegen", was die EU selbst für Industrieerzeugnisse oder auch im Agrarbereich anbiete. Außerdem würde diesen Ländern das Recht zugestanden, eine Reihe von Zolltarifpositionen von der Vereinbarung auszunehmen.

Im Gegenzug zu diesen begrenzten, "aber sehr wichtigen Senkungen" erklärt sich die EU dazu bereit, ihre verbleibenden "Spitzenzölle zu verringern", die Zolleskalation abzubauen und sogar ganz zu beseitigen und "echten Marktzugang" für viele wichtige Exportgüter der Entwicklungsländer, vor allem Textilien und Schuhe, aber auch Agrarerzeugnisse, zu schaffen.

Die EU beharrt darauf, dass die Länder, ihre tatsächlich an den Grenzen erhobenen Zölle senken, die in vielen Fällen sehr viel niedriger seien als die bei der WTO notifizierten Höchstzollsätze.

Die Liberalisierung kommt den europäischen Autoherstellern, Chemieunternehmen und Maschinenbauunternehmen zugute

Der Handel mit Industriegütern steht laut EU im Mittelpunkt der umfassenden Entwicklungsziele der Doha-Runde. "Die Liberalisierung des Handels mit diesen Produkten kommt sicherlich den europäischen Autoherstellern, Chemieunternehmen und Maschinenbauunternehmen zugute", schreibt die EU-Kommission. Einen Vorteil hätten auch Textilproduzenten in Bangladesch, Arbeitnehmer in der indischen Lederindustrie und "Abermillionen Beschäftigte" der verarbeitenden Industrie in den Entwicklungsländern.

Über drei Viertel des Handels der Entwicklungsländer entfalle auf Industriegüter. Mehr als drei Viertel der von den Entwicklungsländern entrichteten Industriezölle flössen in andere Entwicklungsländer. Wenn in der Doha-Runde "die Zollbelastung gemindert" und die Tür zu einem tragfähigen "Süd-Süd-Handel" zwischen den Entwicklungsländern aufgestoßen werden solle, "müssen wir auf einen freien Handel mit Industrieerzeugnissen hinarbeiten", so die EU-Kommission.

"Weltweit größter Exporteur von Dienstleistungen"

Die Kommission beklagt weiterhin, dass die Verhandlungen über den Dienstleistungshandel "ebenfalls stark ins Hintertreffen geraten" seien. Als "weltweit größter Exporteur von Dienstleistungen" habe die EU ein sehr großes Interesse an der Ausweitung des Dienstleistungshandels. Außerdem sei ein verstärkter Dienstleistungshandel eines der wichtigsten Entwicklungsziele der Doha-Runde.

"Bessere Verkehrs-, IT- und Telekommunikationsdienstleistungen" sowie ein "stärkerer und zuverlässigerer Banken- und Versicherungssektor" bildeten das Rückgrat einer wachsenden Wirtschaft und seien ausschlaggebend für die Entwicklung. "Mit Zustimmung der Entwicklungsländer" können EU-Dienstleister und EU-Investoren entscheidend zum Aufbau der genannten Bereiche in diesen Ländern beitragen.

Am 28. Februar hätten die Industriestaaten und die Entwicklungsländer in der WTO gemeinsam eine Marktöffnung in verschiedenen Dienstleistungsbereichen gefordert. "Diese Forderungen läuteten die multilateralen Verhandlungen über den Dienstleistungshandel ein, die von den WTO-Mitgliedern auf dem Ministertreffen im Dezember letzten Jahres in Hongkong vereinbart worden waren. Als Ergebnis werden wie verabredet Ende Juli stark überarbeitete Angebote auf den Tisch gelegt."

Für den 1. Juli hat EU-Handelskommissar Peter Mandelson etwa 20 Minister zu einer informellen Bestandsaufnahme der Dienstleistungsgespräche eingeladen, "bei der die wünschenswerten und die realistischen Verhandlungsziele in diesem für die EU so wichtigen Bereich ausgelotet werden sollen".