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Strommengenübertragung auf Atomkraftwerk Biblis A offenbar verboten

RWE stellte gleich "hilfsweisen Antrag"

Eigentlich sollte mit dem so genannten Atomkonsens aus dem Jahr 2000 der jahrzehntelange Streit um die Atomenergie beigelegt werden. Das jedenfalls wollte die rot-grüne Bundesregierung Glauben machen und warb immer wieder für die Vereinbarung mit der Atomindustrie vom 14. Juni 2000, die sich später in der Änderung des Atomgesetzes niederschlug. Doch der Streit hört nicht auf und geht jetzt auf Betreiben von RWE in eine neue Runde. Der Atomkraftwerksbetreiber hat am Dienstag beim Bundesumweltministerium einen Antrag auf Zustimmung zur Strommengenübertragung auf den Block A des Kernkraftwerks Biblis gestellt. Gleichzeitig wurde der Antrag an das Bundeskanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium übermittelt. Das Unternehmen will 30 Terawattstunden aus dem "Stromkontingent" des im Rückbau befindlichen und per Gerichtsbeschluss stillgelegten RWE Power Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich auf die Bibliser Anlage übertragen.

Durch diese Maßnahme soll die Laufzeit von Block A vorläufig bis zum Jahr 2011 verlängert werden, teilte das Unternehmen mit. Hessens Umweltminister Wilhelm Dietzel klatscht Beifall, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will den Antrag nach Recht und Gesetz prüfen, die Umweltverbände werfen RWE "Wortbruch" vor und verurteilen den Atomkonsens zum Teil wie schon vor Jahren als "Nonsens". RWE nutzt den Anlass für eine politische Breitseite zugunsten der Atomenergie. Gabriel wies darauf hin, dass eine Strommengenübertragung von Mülheim-Kärlich auf Biblis A laut Atomgesetz verboten ist. Für den denkbaren Fall, dass die Regierung auf dem geltenden Recht besteht, hat RWE einen hilfsweisen Antrag gestellt.

Mit dem Weiterbetrieb von Biblis A bis 2011 wäre laut RWE "eine Angleichung an die Laufzeit von Block B möglich, der unter Berücksichtung einer zustimmungsfreien Übertragung von 21,45 Terawattstunden aus dem so genannten Mülheim-Kärlich-Kontingent voraussichtlich bis in die zweite Jahreshälfte 2011 betrieben werden kann." Ein Weiterbetrieb ist aus Sicht des Unternehmens technisch uneingeschränkt möglich, "sicherheitstechnisch voll verantwortbar und wirtschaftlich geboten".

"Die Kernenergie wird nach unserer Auffassung weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung des Landes leisten", erklärte Jan Zilius, Vorstandsvorsitzender der RWE Power, obwohl der Gesetzgeber vor Jahren in der Begründung des Atomgesetzes diese Energieform als höchst problematisch bezeichnet hatte.

RWE: Wir nutzen nur die Flexibilität, die das Atomgesetz bietet

RWE stehe nach wie vor "zur Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen aus dem Jahr 2000", so Zilius. Der Antrag führe zu keiner Veränderung der Gesamtproduktionsmenge, die vereinbarungsgemäß von deutschen Kernkraftwerken noch produziert werden könnten. Man nutze lediglich die Möglichkeit der "Strommengenübertragung", die die Bundesregierung der Atomindustrie eingeräumt hatte. Laut Atomkonsens billigte die rot-grüne Bundesregierung zugunsten von RWE sogar für das per Gerichtsbeschluss bereits stillgelegte Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich ein Stromkontingent zu. RWE erhielt für das wegen der Erdbebengefahren gestoppte Atomkraftwerk ein Stromkontingent von 107,25 Terawattstunden für die Übertragung auf andere Anlagen. Man nutze nun nur "die Flexibilität, die das Atomgesetz bietet", so RWE.

Die Gerichtsentscheidung erwähnt RWE nicht. In der aktuellen Pressemitteilung des Atomkonzerns heißt es vielmehr: "Die Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen sah die Stilllegung des RWE Kraftwerks Mülheim-Kärlich vor."

Für das "derzeit in Entwicklung befindliche energiepolitische Konzept für die Bundesrepublik Deutschland" schaffe der Antrag für alle Beteiligten zeitlichen Spielraum, die Diskussion auch über die künftige Rolle der Kernenergie ergebnisoffen zu führen. "Wir halten es für falsch, vor Fertigstellung dieses Konzepts durch die vorzeitige Stilllegung von Kernkraftwerken vollendete und irreversible Tatsachen zu schaffen", so Zilius.

Kernkraftwerke bieten derzeit mit die günstigste Möglichkeit, Strom in der Grundlast zu produzieren, erklärte der Energiekonzern, die in der jüngsten Vergangenheit trotz der billigen Stromerzeugung die Strompreise kräftig anhob. Insgesamt deckten die Anlagen rund ein Viertel der in Deutschland benötigten elektrischen Energie. Ein Abschalten der Anlagen zöge laut RWE nicht nur eine Verknappung des Angebots mit den entsprechenden Konsequenzen für den Strompreis nach sich. Auch ein Erreichen der ehrgeizigen klimapolitischen Ziele Deutschlands würde durch den Wegfall "der CO2-freien Stromerzeugung" gefährdet, argumentiert der Konzern.

In Deutschland entfielen rund 40.000 hoch qualifizierte Arbeitsplätze auf die Kerntechnik. RWE Power beschäftige am Standort Biblis 650 eigene und rund 300 Mitarbeiter aus anderen Unternehmen. Zusätzlich würden in den jährlichen Revisionen bis zu 1.300 Mitarbeiter in der Anlage tätig. "Mit einem jährlichen Auftragsvolumen von bis zu 200 Millionen Euro ist RWE Power damit der größte Auftraggeber der Region." Mit Blick auf "die Stabilität des Stromnetzes" komme dem Kraftwerk eine besondere Bedeutung zu. Durch eine Stilllegung könnte ein Nadelöhr im Höchstspannungsbereich bei der Stromdurchleitung auf der Nord-Südverbindung entstehen, behauptet der Stromriese.

"Sicherheit hat für uns oberste Priorität", sagte Jan Zilius. RWE Power habe deshalb in den vergangenen Jahren rund eine Milliarde Euro in ein umfangreiches Nachrüstungs- und Modernisierungsprogramm am Standort Biblis investiert. Zu einem sehr positiven Ergebnis sei auch die hessische Atomaufsichtsbehörde nach Auswertung der Periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) gekommen, die in diesem Jahr abgeschlossen worden sei. Sie habe der Anlage ein "hohes" Sicherheitsniveau testiert. Der RWE-Manager verglich das Alt-Atomkraftwerk sogar mit Neuanlagen: "Demnach erfüllt Block A wichtige von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) gestellte Forderungen für Neuanlagen."

Dietzel: Wir unterstützen den RWE-Antrag ausdrücklich

Der Hessische Umweltminister Wilhelm Dietzel hat den RWE-Antrag zur Laufzeitverlängerung "ausdrücklich begrüßt". Laufzeiten von Kernkraftwerken sollten sich nach Auffassung des Ministers "primär nach den Erfordernissen der Sicherheitstechnik, des Klimaschutzes und der Volkswirt- und Betriebswirtschaft richten. Ich bin der Meinung, dass die politische und gesetzliche Festlegung auf den Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie falsch war."

Dietzel forderte die Bundesregierung auf, "den Antrag des Biblis Betreibers RWE Power zügig und ideologiefrei zu prüfen". Man habe als Landesregierung immer betont, dass eine "Restlaufzeitverlängerung" der Anlage in Biblis durch Strommengenübertragung weitere Nachrüstungen "zur weiteren Reduzierung des Restrisikos bedingen". Ein Mehr an Laufzeit könne es nur mit einem "Noch-Mehr an Sicherheit" geben. Dies sei aber keine rechtlich zwingende Notwendigkeit, behauptete der Minister, sondern folge aus "der Forderung" nach ständiger angemessener Verbesserung der Sicherheit.

Der hessische Umweltminister verwies auf Zeiten, als in Hessen grüne Umweltminister in Amt und Würden waren. Die grüne Ministeriumsspitze in Hessen habe in den Jahren 1991 bis 1999 nur zwölf Nachrüstmaßnahmen genehmigt. "Ab 1999, in dem von mir geführten Ministerium, bis heute wurden für Biblis A insgesamt 82 Genehmigungen mit einem Investitionsvolumen von rund 500 Millionen Euro erteilt."

Das hohe Sicherheitsniveau zeige sich daran, dass sicherheitstechnische Gründe für die Stilllegung von Kraftwerken "vom ehemaligen Bundesumweltminister Trittin" und seinem Haus in den letzten Jahren nicht geltend gemacht worden seien. Auch der heutige Bundesumweltminister Gabriel "scheint keine ehrlichen Bedenken wegen der Sicherheit in Biblis zu haben, sonst hätte er die hessische Atomaufsicht angewiesen, tätig zu werden. Das hat er nicht getan", so Dietzel, ohne allerdings zu erwähnen, dass die Bundesregierung mit dem Atomkonsens der Atomindustrie einen "ungestörten Betrieb" der Kernkraftwerke zugesichert hatte. Weiterhin hatte die rot-grüne Bundesregierung der Atomindustrie versprochen, keine Initiative zu ergreifen, um den derzeitigen Sicherheitsstandard zu erhöhen.

Trotz der erfolgten Nachrüstungen sieht das Hessische Umweltministerium in Biblis A noch immer Sicherheitslücken. So "fordert" das Ministerium "Verbesserungen der Auslegung des sekundären Wasser- und Dampfkreislaufes für Störfälle von Innen und den Lastfall Erdbeben, weitere Verbesserungen der Auslegung der Systeme und der Gebäude für den Lastfall Kühlmittelverlust, Verbesserung des Überflutungsschutzes durch Auslaufen großer Behälter und die Verbesserung der Auslegung gegen Wasserstofffreisetzung bei Notstandsereignissen".

Conrad: Eine Provokation vor dem Hintergrund der Rekordgewinne von RWE

Auf der anderen Rheinseite des Atomkraftwerks, in Rheinland-Pfalz, wird seitens der Umweltministerin zumindest verbal eine andere Politik als in Hessen vertreten. Für die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad ist der RWE-Antrag "gegen die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung gerichtet". Der Atomkonsens eröffne "ausdrücklich die Option, die Strommengen von Mülheim-Kärlich, zustimmungsfrei auf die sechs deutlich jüngeren Kraftwerksblöcke zu übertragen". Es sei "dreist", dass RWE das Stromkontingent jetzt auf die beiden älteren Atommeiler Biblis A und B übertragen wolle.

Die Ministerin verwies darauf, dass die im Atomkonsens vorgesehene Übertragungsmöglichkeit von Reststrommengen den Sinn gehabt habe, die Sicherheit zu erhöhen. "Bei Biblis trifft das sicher nicht zu. Hier werden Sicherheitsaspekte auf den Kopf gestellt", so Conrad. Die Ministerin sprach sich auch strikt gegen die von RWE geplante Laufzeitverlängerung für Biblis B aus.

Der Antrag sei "eine Provokation vor dem Hintergrund der Rekordgewinne von RWE", so Conrad. Auch wegen der geringeren Sicherheitsstandards - "zum Beispiel was die fehlende beziehungsweise unzureichende Auslegung gegen Flugzeugabstürze betrifft" - sei dies nicht hinnehmbar. Es gebe eine "nicht abreißende Folge und hohe Zahl von meldepflichtigen Ereignissen an diesem Standort". Conrad wiederholte ihre Forderung, Biblis wie geplant abzuschalten.

Gabriel: RWE-Antrag für Biblis A wird auf Grundlage des Atomgesetzes entschieden

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel teilte mit, der Antrag von RWE werde "nach Recht und Gesetz" geprüft. Im Atomgesetz sei die Verteilung der Elektrizitätsmengen des früheren Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich "abschließend" geregelt. In Anlage 3 des Gesetzes seien die Atomkraftwerke einzeln aufgeführt, auf welche die Strommenge von insgesamt 107,25 TWh (Terawattstunden) aus Mülheim-Kärlich übertragen werden dürften. "Es sind dies die Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf sowie Grundremmingen B und C. Auf Biblis B dürfen maximal 21,45 Terawattstunden von Mülheim-Kärlich übertragen werden."

Die Sensation: "Das AKW Biblis A ist in dieser Anlage nicht genannt", so Gabriel. In Paragraph 7, Absatz 1d des Atomgesetzes sei zudem festgelegt, dass die aus Mülheim-Kärlich stammende Elektrizitätsmenge "nur nach Übertragung auf die dort aufgeführten Kernkraftwerke in diesen produziert werden darf".

Grundsätzlich könne die Prüfung "solcher Anträge" laut Gabriel mehrere Monate dauern und hänge wesentlich von der Qualität der vorgelegten Unterlagen ab. Bei dem von RWE gestellten Antrag auf Strommengenübertragung von Mülheim-Kärlich auf Biblis A will das Bundesumweltministerium laut Gabriel "zunächst prüfen, ob dieser Antrag überhaupt rechtlich begründet ist".

Für den hilfsweise gestellten Antrag, vom Atomkraftwerk Lingen auf Biblis A zu übertragen, wäre eine "umfassende Sicherheitsüberprüfung" erforderlich, so der Minister. Dabei gelte der den Regelungen des Atomgesetzes zugrunde liegende Grundsatz, dass eine solche Übertragung nicht zu Lasten der Sicherheit gehen dürfe.

Robin Wood: Bei RWE genießt der Profit oberste Priorität

Ebenso wie andere Umweltverbände hat die Umweltschutzorganisation Robin Wood RWE wegen des Antrags scharf kritisiert und dem Atomkraftwerksbetreiber "Wortbruch" sowie einen "verantwortungslosen Umgang mit der Sicherheit" vorgeworfen. Gabriel solle den Antrag ablehnen. Laut Konsensvertrag, den auch RWE unterzeichnet habe, müsste Biblis A spätestens 2008 vom Netz gehen. Statt längerer Laufzeiten fordert die Organisation "die sofortige Stilllegung des Meilers". Auch alle anderen Atomanlagen in Deutschland müssten vom Netz, da anders eine sichere, klimafreundliche und effiziente Energieversorgung in Deutschland nicht zu gewährleisten sei.

"Die Glaubwürdigkeit von RWE hat heute mit dem Bruch der Konsensvereinbarung einen neuen Tiefpunkt erreicht. Wer den Managern des Konzerns bislang noch Glauben geschenkt hat, wurde jetzt endgültig eines Besseren belehrt", meint Jürgen Sattari von Robin Wood. "Der Konzern schreibt sich auf die Fahnen, er handele im öffentlichen Interesse. Das ist falsch. Die Mehrheit der Bevölkerung will den Atomausstieg - und zwar deutlich schneller, als geplant. Doch bei RWE genießt der Profit oberste Priorität. Die Sicherheit der Bevölkerung ist da nicht so wichtig."

Der Antrag von RWE könnte einen Stein ins Rollen bringen, befürchtet die Organisation. Auch Vattenfall, E.ON und EnBW hätten bereits angekündigt, ihre Meiler länger betreiben zu wollen. "Mit dieser gemeinschaftlichen Aktion wollen die Atombosse der vier großen Konzerne den Atomausstieg bereits im Keim ersticken", so Sattari. "Die Konsequenz heißt: Noch mehr Störfälle in veralteten, unsicheren Reaktoren. Noch mehr Jahrtausende lang strahlender Atommüll, für den es kein Endlager gibt. Noch mächtigere Oligopole, die dreist bei ihren Kunden abkassieren und sich die Taschen füllen."

Eine Wende hin zu einer sicheren, klimafreundlichen und effizienten Energieversorgung ist nur möglich, wenn die Atomkraftwerke abgeschaltet werden - doch darüber könne man "keinen Konsens" mit ihren Betreibern erzielen.

Greenpeace: Die damalige Bundesregierung hat das Risiko von Biblis A "erkannt" Die Umweltschutzorganisation Greenpeace legte ein "Rechtsgutachten" vor, wonach eine Strommengenübertragung auf Biblis A generell rechtswidrig sei, unabhängig davon, ob das Stromkontingent aus Mülheim-Kärlich oder aus Lingen käme.

Bei der Übertragung von Strommengen auf Altanlagen wie Biblis A stünden Sicherheitsaspekte im Vordergrund. Die Sicherheit von Biblis A müsste mit dem Reaktor verglichen werden, der die Strommengen abgebe. Biblis A weist nach Darstellung von Greenpeace "gegenüber neueren Anlagen erhebliche bauliche Mängel auf. So ist die Druck- und Temperaturfestigkeit des Sicherheitsbehälters geringer, der das Entweichen von Radioaktivität in die Umwelt erschweren soll. Zudem fehlt in Biblis A eine verbunkerte Notstandswarte, von wo aus im Notfall der Reaktor gesteuert werden könnte." Fazit: Der Reaktor müsse planmäßig im Jahr 2008 abgeschaltet werden.

Biblis A nehme im Atomkonsens und im Atomgesetz eine "Sonderstellung" ein, so Greenpeace. Der Atomkonsens mit der damaligen Bundesregierung verpflichte RWE, auf Strommengenübertragungen auf Biblis A zu verzichten. "Mit dem heutigen Antrag von RWE zeigt sich wieder, dass man Selbstverpflichtungen der Industrie nicht trauen kann", so Thomas Breuer von Greenpeace und legt nach: "Mit dem Versuch, Biblis A länger laufen lassen zu wollen, hat RWE jegliches politische Kapital verspielt. Dem Wort von RWE kann eine Bundesregierung nicht mehr trauen." RWE wolle mit dem Weiterbetrieb "vor allem seine Gewinne erhöhen", kritisiert die Organisation.

Die damalige Bundesregierung habe das Risiko von Biblis A "erkannt", so Breuer. Dennoch ist die Anlage noch immer in Betrieb und hat mehrere grüne Umweltminister in Hessen und im Bund überlebt. Greenpeace fordert den Ausstieg aus der Atomindustrie, das schnellstmögliche Abschalten der Atomkraftwerke und den massiven Ausbau der Erneuerbare Energien und von Maßnahmen zur Effizienzsteigerung.

NABU: Der Profit einiger Leute ...

Für den Naturschutzbund NABU in Hessen handelt es sich bei der Atomtechnologie um eine "Technik von gestern". Die Argumentation des Konzernchefs, man sei dies den Aktionären schuldig hält der hessische Landesvorsitzende Gerhard Eppler für menschenverachtend. "Der Profit einiger Leute darf nicht mit der Gefährdung von mehreren Millionen Menschen erkauft werden."

Der NABU fuhr vergleichbar mit der Pro-Argumentation von RWE eine Breitseite gegen die weitere Nutzung der Atomenergie, speziell des ATomkraftwerks Biblis. Laut Umfragen seien 70 Prozent der Bevölkerung für einen Ausstieg, 25 Prozent sogar "noch schneller als im Atomkonsens". In einer Demokratie müsse der Wille der Bevölkerungsmehrheit durchgesetzt werden, und nicht das Profitinteresse einzelner Unternehmen, fordert der Umweltverband.

Ein Terror-Anschlag auf das Atomkrafwerk Biblis hätte für den Ballungsraum Rhein-Main katastrophale Auswirkungen für die dort lebenden Menschen. Die Reaktorkuppel von Biblis A halte dem Absturz eines Passagierflugzeugs oder einer Militärmaschine nicht stand. Hinzu komme die Erdbebengefahr: "Der Atomreaktor in Biblis steht im Oberrheingraben, einer besonders Erdbeben-gefährdeten Zone. Er ist aber nur für schwächere Erdbeben ausgelegt."

Auch mangele es dem Atomkraftwerk an "Sturmfestigkeit", kritisiert der NABU. Am 8. Februar 2004 habe ein schweres Unwetter zu dem gefürchteten "Notstromfall" in Biblis B geführt, schreibt der Verband bezugnehmend auf entsprechende Recherchen der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW. Schon die atomenergie-freundliche Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) habe schon 1992 in einer Arbeit für das Bundesumweltministerium eindringlich vor "Überspannungen" bei Unwetter, Blitzschlag, Sturm oder einem umfallenden Strommast gewarnt.

In den letzten 30 Jahren habe es in Biblis A und B insgesamt 737 meldepflichtige Ereignisse gegeben. "Wie man bei dieser Bilanz den Eindruck einer unfehlbaren Technologie erwecken kann, ist nicht nachvollziehbar", schreibt der Naturschutzbund. Recherchen der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) hätten ergeben, dass es auch in Biblis B rund 50 Sicherheitslücken gebe. Beim "Beinahe-SuperGAU" von Biblis A im Jahr 1987 hatten mehrere Schichten der Betriebsmannschaft eine Warnmeldung ignoriert. Am 18.August 1997 seien in Biblis B drei von vier Pumpen des Kühlsystems gleichzeitig ausgefallen, "weil ein vergessener Schutzhelm einen Lagerschaden verursacht und das Pumpenhaus unter Wasser gesetzt hatte". Wäre auch noch die letzte Pumpe ausgefallen, hätte es laut IPPNW zum Super-GAU kommen können.

Der NABU kritisierte weiterhin "die Arbeitsplatz-Lüge", eine unzureichende Haftpflichtversicherung gegen Schäden sowie eine "fehlende Wirtschaftlichkeit" von Biblis. Grund: Die Kosten der Endlagerung seien nicht einkalkuliert, und müssten unsere "Ururur..enkel" noch tragen, "die aber gar keinen Strom aus dem Atomkraftwerk mehr bekommen".

Auch das Klimaargument sei eine "Lüge". Die Atomenergie decke weltweit nur 6,5 Prozent des Primärenergieverbrauchs. "Für einen effektiven Klimaschutz müssten also bei verdoppeltem Energieverbrauch im Jahr 2050 neben den bestehenden rund 450 Atomkraftwerken mehrere tausend neue Atomkraftwerke gebaut werden, welches angesichts fehlender Akzeptanz, fehlender Entsorgungsmöglichkeiten und fehlender Absicherungsmöglichkeit gegen Terroranschläge gar nicht möglich ist." Die aktuelle Diskussion um die Atomtechnologie im Iran zeige die Brisanz einer globalen Ausweitung dieser Risikotechnik.