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Das Bundesinnenministerium, Guantanamo und das deutsche Ausländerrecht

"Erlöschenstatbestand"

Das Bundesinnenministerium rechtfertigt seine 2002 getroffene Entscheidung gegen eine Wiedereinreise des jahrelangen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz damit, dass dieser wegen seiner illegalen Inhaftierung im US-Gefangenenlager Guantanamo nicht nach sechs Monaten wieder nach Deutschland eingereist sei, was ihm als Gefangener der USA natürlich auch nicht möglich war. Eine Wiedereinreise nach Deutschland - und somit eine Freilassung aus dem international heftig kritisierten Gefangenenlager - hätte nicht dem damaligen deutschen Ausländerrecht entsprochen. Der Aufenthaltstitel des Bremer Türken sei 2002 "kraft Gesetzes" erloschen, sagte der damals mit dem Prüfauftrag befasste Ministeriumsmitarbeiter Hans-Georg Maaßen am Montag vor dem BND-Untersuchungsausschuss des Bundestages in Berlin. Er verteidigte sich gegen den Vorwurf, damit sei die Grundlage für eine weitere Inhaftierung im US-Sondergefangenenlager gelegt worden.

Der in Bremen geborene Kurnaz war 2001 von US-Streitkräften zunächst im afghanischen Kandahar, später in Guantanamo inhaftiert worden. Erst im August 2006 kam er frei. Er wurde eigenen Angaben zufolge gefoltert.

Maaßen sagte, nach bis heute gültiger Rechtslage erlösche eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn der Ausländer nicht nach sechs Monaten wieder nach Deutschland eingereist ist. Dabei komme es laut Ausländergesetz nicht auf individuelle Gründe des Fernbleibens an, vielmehr sei der Entzug des Aufenthaltstitels nach längerer Abwesenheit "zwingend" vorgeschrieben. Dabei handele es sich also nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um einen "Erlöschenstatbestand".

Im Übrigen sollte nicht vergessen werden, dass Kurnaz damals von den deutschen Sicherheitsbehörden als gefährlich eingestuft worden sei, so Maaßen. Daher sei das Referat bei seiner Prüfung des Falles im Oktober 2002 zum Ergebnis gekommen, dass Kurnaz wegen der Gefahrenabwehr nicht wieder nach Deutschland einreisen sollte. Erst 2006 sei im Kanzleramt anders entschieden worden.

Stadler: Juristerei statt Menschlichkeit

Die Opposition erhebt im Fall des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz neue Vorwürfe gegen die frühere und die jetzige Bundesregierung. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) für die Geheimdienste, Max Stadler (FDP) warf der früheren rot-grünen Regierung am Montag vor, die Freilassung von Kurnaz bewusst verschleppt zu haben.

Stadler sagte, ob es ein offizielles Freilassungsangebot der Amerikaner für Kurnaz gegeben habe, spiele keine Rolle. Er warf der damaligen Bundesregierung vor, weder mit den Amerikanern noch mit der Türkei das Gespräch gesucht zu haben, um Kurnaz aus der Haft zu befreien. Im Fall Kurnaz habe Rot-Grün "Juristerei statt Menschlichkeit" praktiziert.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei) warf dem Verfassungsschutz vor, mit vagen Verdachtsmomenten nach dem System "Stille Post" gearbeitet zu haben. Pau sagte, die Gründe, warum Deutschland Kurnaz die Einreise verweigert habe, blieben "höchst umstritten und vage". Vieles sei vom Hörensagen zustande gekommen. Bei der Konstruktion des Tatverdachts gegen Kurnaz habe beim Verfassungsschutz zwischen 2002 und 2006 jeder seinen Teil hinzufügt. Selbst wenn alles berechtigt gewesen wäre, hätte die Bundesregierung die Chance einer Freilassung von Kurnaz nutzen und den Bremer Türken vor ein deutsches Gericht stellen müssen "und ihn nicht weiter im rechtslosen Raum der Folterhölle von Guantanamo lassen dürfen".