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Berlin nach CDU-Bankenaffäre pleite

Landesrechnungshof

Für den Berliner Landesrechnungshof steht die Hauptstadt kurz vor der Pleite. Deshalb werde die Hilfe des Bundes benötigt. "Nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts erfüllt Berlin die Voraussetzungen einer extremen Haushaltsnotlage", sagte Rechnungshof-Vizepräsident Hans-Joachim Kerkau am Mittwoch. Die Situation verschärft sich noch dadurch, dass auf das Land weitere Risiken in Milliardenhöhe zukommen, um die mehrheitlich landeseigene Bankgesellschaft Berlin zu retten. Deren Vorstand, der CDU-Politiker Klaus Landowsky, war im Zuge der Affäre um die Vergabe riskanter Kredite an Parteifreunde im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer nicht ordnungsgemäß verbuchten Parteispende von diversen Funktionen unter anderem als CDU-Fraktionsvorsitzender und als Bankchef zurückgetreten. Nach Informationen der "Berliner Zeitung" war Landowsky mit seinem überraschenden Rückzug nur einer Ablösung durch die Bankenaufsicht zuvorgekommen.

Rechnungshof-Vizepräsident Kerkau verwies bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2001 darauf, dass die Stadt wie das Saarland und Bremen ihre Finanzen nicht aus eigener Kraft sanieren könne. Für einen ausgeglichenen Haushalt müsse Berlin drei Mal mehr Kredite aufnehmen als im Bundesdurchschnitt üblich. Mit fast 20.000 Mark pro Kopf sei der Schuldenstand zudem fast doppelt so hoch wie im Länderdurchschnitt.

Der Landeshaushalt von rund 40 Milliarden Mark wird durch die Schieflage der Bankgesellschaft Berlin weiter belastet: Gestern war bekannt geworden, dass die Bank weiteren Wertberichtigungsbedarf wegen fauler Kredite in Höhe von 2,2 bis 2,5 Milliarden Euro (4,3 bis 4,9 Milliarden Mark) hat. Um ein Kreditverbot durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen wegen mangelnden Eigenkapitals abzuwenden, hatte der Senat zugesagt, dafür aufzukommen. Weitere Risiken sieht der Landesrechnungshof zum Beispiel bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und der Krankenhausgesellschaft.

Ein Sprecher des Finanzsenators sah sich veranlasst zu der Beteuerung, "Berlin ist nicht zahlungsunfähig, und die Bankgeschäfte laufen uneingeschränkt weiter".

Für die aktuelle Notsituation des Landes ist wesentlich eine Tochter der Bankgesellschaft Berlin, die BerlinHyp, verantwortlich. Vorstand: der damalige CDU-Fraktionschef Landowsky. Die BerlinHyp hatte 1995 der Firma Aubis Kredite von rund 600 Millionen Mark zum Kauf und zur Sanierung von Plattenbauten in Ostdeutschland gegeben. Etwa zeitgleich hatten die Aubis-Geschäftsführer, frühere CDU-Politiker, Landowsky 40.000 Mark in bar als Spende übergeben, die nicht ordnungsgemäß verbucht worden waren. Mögliche Zusammenhänge zwischen Spende und Kreditgewährung sind derzeit Thema eines Untersuchungsausschusses.

Landowsky war am Freitag als Zeuge vor dem Ausschuss geladen, verweigerte jedoch die Aussage. Nach Informationen der "Berliner Zeitung" warf der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, Jochen Sanio, auf eben dieser Ausschuss-Sitzung Landowsky erhebliches Fehlverhalten vor. Das wirtschaftliche Konzept der Firma Aubis sei nicht tragfähig, die Kreditgewährung ohne Eigenkapital sei "ein grober Fehler" gewesen, wird Sanio zitiert. Außerdem sei Landowsky mit seinem Rücktritt von seinem Bank-Posten nur der Entlassung durch die Bankenaufsicht zuvorgekommen. Er habe einen vernichtenden Revisionsbericht über das Aubis-Engagement seines Kreditinstituts unter Verschluss gehalten, es seien sogar noch nach diesem Bericht weitere Kredite vergeben worden. Auch die Bankenaufsicht habe den Prüfbericht nicht erhalten, als sie Unterlagen zur Kreditvergabe angefordert hatte. Erst eine Konzernrevision der Bankgesellschaft habe den Bericht Anfang diesen Jahres aufgespürt.

Landowsky hatte nach Bekanntwerden der Spendenaffäre angekündigt, er werde nach der Hauptversammlung im Mai seinen Bank-Posten niederlegen. Er war allerdings bereits Anfang März überraschend zurückgetreten. Er hatte bisher stets bestritten, damit einer Ablösung zuvorgekommen zu sein. Nach Informationen der "Berliner Zeitung" habe die Bankenaufsicht "unter diesen Umständen den Verbleib Landowskys bis zur Hauptversammlung ebenfalls für nicht akzeptabel" gehalten.

Am Montag trat Landowsky dann von weiteren Ämtern in der Lotto-Stiftung, im SFB-Rundfunkrat und in der parlamentarischen Kontrollkommission zurück. Landowsky ist noch stellvertretende CDU-Parteichef. Auf diesen Posten war er nach seinem Rücktritt als Fraktionsvorsitzender unter heftiger Kritik der Opposition gewählt worden.

Der Landesrechnungshof forderte unterdessen, die "verworrene und komplizierte Konstruktion" der Bankgesellschaft zu ändern. Kerkau forderte eine klare Trennung der öffentlich-rechtlichen LandesBank Berlin von den privatrechtlichen Teilen der Bankgesellschaft. Die Struktur der Bankgesellschaft sei für die Schieflage mitverantwortlich, niemand habe mehr einen Überblick gehabt. "Auch die interne Kontrolle hat offenbar versagt."

Berlin

Die Staatsanwaltschaft hat 57 Ermittlungsverfahren zum Komplex Bankgesellschaft Berlin eingeleitet. Davon sind 21 Verfahren noch offen, wie der neue Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne) am Donnerstag mitteilte. Dabei geht es nach Angaben von Justizsprecher Sascha Daue vornehmlich um Untreue. Es werde aber auch wegen Parteiverrats, Einbruchs und Geheimnisverrats ermittelt.

Wieland kündigte an, die Ermittlungen im Rahmen einer "Sonderermittlungsgruppe Bankgesellschaft Berlin" würden mit Nachdruck fortgesetzt. Die Öffentlichkeit werde über den Ermittlungsstand umfassender als bisher unterrichtet, soweit dies die Ermittlungen nicht gefährde. Dadurch solle das Vertrauen in den Rechtsstaat und in die Funktionsfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden gestärkt werden.

Die erhebliche finanzielle Schieflage der Bankgesellschaft hatte mit zum Bruch der großen Koalition in Berlin geführt. Bei der Bankgesellschaft Berlin steht eine Deckungslücke von vier Milliarden Mark zu Buche.

Am 21. Jun. 2001