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"Der Traum ein Leben" in Regensburg uraufgeführt

Oper

Mit überwältigendem Erfolg ist am Donnerstag in Regensburg Walter Braunfels Oper "Der Traum ein Leben" uraufgeführt worden. Die Vertonung von Franz Grillparzers Zaubermärchen entstand bereits in den 30er Jahren und spiegelt die Versuchung des faschistischen Größenwahns wider. Der Komponist war unter Hitler als "Halbjude" und erklärter Gegner des Naziregimes geächtet worden.

Die Bedeutung dieser Oper liegt vor allem in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext begründet. Wie später Thomas Mann in seinem berühmten Roman "Dr. Faustus" hat Braunfels eine Parabel über den Bund der Deutschen mit dem Teufel geschrieben, und zwar bereits bevor der totale Albtraum begann. Der prophetische Charakter des Stücks ergibt sich aus dem Libretto, das Grillparzers Märchenhandlung komprimiert: Der Bauernjunge Rustan erlebt im Traum den Aufstieg zur absoluten Macht. Auf dem Weg zur Krone des fantastischen Reiches von Samarkand wird er zum Mörder: Er erliegt den Einflüsterungen des "schwarzen Mannes" Zanga und einer alten Hexe. Er gibt sich fälschlicherweise als Retter des Königs aus, vergiftet diesen und beseitigt dessen wahren Retter, eine christusähnliche Gestalt. Mit der Prinzessin Gülnare macht er gemeinsame Sache und schwingt sich zum Führer des Volkes auf. Als seine Verbrechen aufgedeckt werden und nur noch der Selbstmord bleibt, erwacht Rustan und findet sich zwischen seiner Jugendliebe Mirza und seinem Kumpan Zanga wieder, hin- und hergerissen zwischen den Mächten des Guten und des Bösen, die sie repräsentieren.

Ungeachtet der politischen Hintergründe dieses Werkes beließ es Regisseur Alois-Michael Heigl jedoch bei einer konventionellen psychoanalytischen Deutung von Traum und Märchen. Er wolle weder ein "Läuterungsdrama" noch ein "reines Märchen", sondern "die Brutalität unserer Träume" zeigen, sagte Heigl, der sich auf dem Gebiet der modernen Oper durch Henze-Inszenierungen einen Namen gemacht hat. So findet das Spiel im Spiel anfangs auf einem riesigen Diwan à la Freud und zum Schluss vor der Kulisse des Paradieses statt. Im zweiten Akt steht eine goldene Sonnenscheibe im Zentrum, das Symbol für das allumfassende Gute, welches am Ende einem Schlachtfeld gleicht.

Der fatale zeitgeschichtliche Zusammenhang von Minderwertigkeitskomplex und Machtrausch wird dagegen kaum sichtbar. Nur noch ein paar cäsarenhafte Gesten und die Prinzessin als Domina im Gestapo-Mantel erinnern daran, warum dieses Stück während der Nazi-Herrschaft nicht mehr aufgeführt werden konnte. Als der korrupte Märchenkönig mit "Heil"-Rufen gefeiert wird, lässt ihn Heigl plötzlich als Pop-Heroen auftreten. Dieses Konzept ist letztlich gegen Braunfels' Musiksprache gerichtet. Dessen spätromantischer Stil zitiert und ironisiert das Pathos und die Gigantomanie deutscher Musik von Wagner bis Richard Strauss. Wie Schostakowitsch unter Stalin konterkariert er damit die Forderung moderner Diktaturen nach "heiler Welt" in der Musik.

"Der Traum ein Leben" war bisher nur ein Mal (1950) in einer Radio-Sendung des Hessischen Rundfunks zu hören. Dirigent Guido Johannes Rumstadt tritt mit dieser ersten Bühnen-Produktion die Nachfolge von Bruno Walter an, dessen 1938 in Wien geplante Uraufführung nach der Annexion Österreichs nicht mehr zustande kam.

Bereits mit einer Aufführung von Braunfels "Die Vögel" hatte er an der Wiener Volksoper zu aktuellen Wiederentdeckung des 1954 verstorbenen Komponisten beigetragen. Ensemble, Chor und Orchester des Theater Regensburg realisierten seine Partitur auf einem Niveau, das höchsten Ansprüchen gerecht wird - allen voran die Protagonisten Sally du Randt (Mirza/Gülnare), Adam Kruzel (Zanga) und in exzessiv-dramatischen Passagen auch Michael Waldenmeier (Rustan). So wird diese Regensburger Aufführung für jeden, der leibhaftig der Seele des modernen Totalitarismus ins Angesicht schauen möchte, zu einem beklemmenden Spektakel.