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Lockerung des Werbeverbots für Medikamente kostet Versicherte Milliarden

Neue Kostenexplosion im Gesundheitswesen?

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat vor einer Kostenexplosion bei Arzneimitteln gewarnt. Sollte der EU-Ministerrat in der kommenden Woche die bisherigen Werbebeschränkungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel lockern, sei mit zusätzlichen Milliardenausgaben für die Krankenkassen zu rechnen. Der vzbv forderte Bundesgesundheitsministerin Schmidt auf, einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission abzulehnen. "Wir wollen, dass Patienten auch weiterhin die wirksamsten Arzneimittel verschrieben bekommen und nicht die, für die am meisten geworben wird", sagte vzbv-Vorstand Edda Müller. Der EU-Ministerrat entscheidet auf seiner Sitzung am 2. und 3. Juni über eine Veränderung der Arzneimittelrichtlinie. Bisher ist die Werbung für rezeptpflichtige Arzneimittel europaweit verboten.

Eine Aufweichung des Verbots hatte das Europäische Parlament bereits im Dezember mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Doch die Pharmabranche ließ nicht locker: Entgegen dem klaren Votum des Parlaments liegt nun erneut eine Initiative vor, die es den einzelnen Mitgliedsstaaten künftig freistellen soll, an Patienten gerichtete Werbung bei bestimmten Krankheitsbildern zuzulassen. Der Europäische Verbraucherverband BEUC und der vzbv lehnen dies als Einfallstor für eine schleichende Aufweichung der Werbebeschränkungen ab. "Patienten brauchen dringend zusätzliche Informationen über Arzneimittel - diese Informationen müssen aber unabhängig und zuverlässig sein und dürfen nicht von denen kommen, die etwas verkaufen wollen", sagte vzbv-Vorstand Müller.

Eine Lockerung des Werbeverbotes würde nach Ansicht des vzbv den gesundheitlichen Verbraucherschutz verschlechtern und zu weiteren Kostensteigerungen im Gesundheitswesen beitragen. Neue und teure Medikamente, deren Langzeitnebenwirkungen und Wechselwirkungen nicht hinreichend bekannt sind, würden erfahrungsgemäß stärker beworben als bewährte (und günstigere) Medikamente. "Patienten haben ein Recht auf umfassende und objektive Information über Medikamente und Therapieverfahren, und zwar von unabhängigen Institutionen", so Müller. Die Pharma-Industrie solle aufhören so zu tun, als ginge es ihr um objektive Information.

Öffentliche Werbung für Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist bisher nur in den USA und Neuseeland erlaubt. Mit negativen Folgen bei den Arzneimittelkosten: So stiegen nach einer Untersuchung der britischen Consumers Association nach Zulassung der Endverbraucherwerbung in den USA von 1993 bis 1998 die Ausgaben für Medikamente um 84 Prozent. Die 50 am meisten beworbenen Präparate verursachten dabei 47,8 Prozent der Mehrkosten. Insgesamt sind die Ausgaben für Endverbraucherwerbung in den USA von 55 Millionen Dollar 1991 auf 2,5 Milliarden Dollar im Jahr 2000 gestiegen. In den USA betragen nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) die gesamten Arzneimittelausgaben nach je Einwohner 628 Euro, in Deutschland 390 Euro. Die Ausgaben für verschreibungspflichtige Arzneimittel haben sich von 1992 bis 2001 verdreifacht: von 53,6 Milliarden Euro auf 156,3 Milliarden Euro. Allein im Jahr 2001 war hier ein weiterer Zuwachs von 15,5 Prozent zu verzeichnen.