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Kritik an Flüchtlings-Beschlüssen der EU in Thessaloniki

EU-Gipfel

Ein breites Bündnis aus Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen sowie Juristenvereinigungen warnt aus aktuellem Anlass sowohl vor den Plänen der britischen Regierung als auch vor den Vorstellungen des UNHCR zum Umbau des Flüchtlingsschutzes in Europa. Das Thema wurde beim EU-Gipfel in Thessaloniki am Donnerstag diskutiert. PRO ASYL begrüßt, dass der britische Frontalangriff auf das internationale Flüchtlingsschutzsystem auf der EU-Ebene zurück gewiesen wurde. Die Regierung Blair zog wenige Tage vor dem EU-Gipfel ihren Vorschlag zurück, den Flüchtlingsschutz in die Herkunftsregionen und Transitstaaten auszulagern.

Erfreulicherweise hätte die Bundesregierung, neben Schweden, durch ihren Widerstand maßgeblich zum Scheitern der britischen Initiative beigetragen. Dass so zumindest das Schlimmste verhindert wurde, könne nicht verdecken, dass auch in Thessaloniki der asylpolitische Schwerpunkt der Staats- und Regierungschefs auf Repression und Restriktion lag. 390 Millionen EURO werden in den nächsten Jahren zusätzlich für verstärkten Grenzschutz und gemeinsame Abschiebungsmaßnahmen ausgegeben. Trotz eines kontinuierlichen Rückgangs von Asylgesuchen in der EU ist die Botschaft von Thessaloniki: Die Flüchtlingsaufnahme soll noch weiter in die Transit- und Herkunftsregionen verlagert werden.

"Eine erste Analyse der Beschlüsse zeigt, dass nach den Vorstellungen des Europäischen Rates Flüchtlingsschutz in Europa in erster Linie heißt: mehr Grenzschutz, mehr Lager, mehr Abschiebungen und mehr Kontrolle", bewertet Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL die bis jetzt bekannt gewordenen Ergebnisse. Für die Schaffung eines gemeinsamen Asylsystems hat der Gipfel keinen positiven Impuls gegeben. Hier blockiert die rot-grüne Bundesregierung weiterhin "allein gegen Alle" durch über ein Dutzend Vorbehalte die Annahme der Richtlinie zum Flüchtlingsbegriff und dem so genannten Ergänzenden Schutz.

PRO ASYL mahnt die rot-grüne Koalition, diese Vorbehalte noch in diesem Monat zurückzuziehen, damit der vorgesehene Zeitplan eingehalten und endlich das Fundament eines Europäischen Asylsystems gelegt werden kann. Sollte Deutschland die Blockadepolitik fortsetzen, würde dies den Vergemeinschaftungsprozess nachhaltig schädigen und den Verdacht nähren, dass der Widerstand gegen die britischen Vorschläge nicht menschenrechtlichen Bedenken geschuldet ist, sondern einzig und allein auf einem anderen Abschreckungsmodell fußt.

Darüber hinaus ist aus der Sicht von PRO ASYL die prinzipielle Gefahr für den internationalen Flüchtlingsschutz nicht gebannt. Denn die augenblickliche "Coalition of the Willing" (Großbritannien, Dänemark, Holland, Australien und die USA) wird ihr Projekt weiter treiben.

Letztlich laufe das britische Modell darauf hinaus, "dass sich eine gesamte Region ihren Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention weitgehend entzieht". An die Gewährung internationalen Rechtsschutzes für Flüchtlinge trete humanitäre Hilfe.

Auf Kritik stößt ebenfalls der Vorschlag des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, Ruud Lubbers, geschlossene Lager zur Aufnahme von Asylsuchenden an den Rändern der Europäischen Union auf dem Gebiet der Beitrittsstaaten zu errichten. Die Asylanträge angeblicher "Wirtschaftsemigranten" aus "sicheren Herkunftsstaaten" sollen dort in Kurzasylverfahren von lediglich einmonatiger Dauer behandelt werden.

Ein derartiges Verfahren könne nur unter Inkaufnahme erheblicher Rechtsschutzdefizite durchgeführt werden. Die Förderung unterschiedlicher Verfahrensstandards widerspreche der traditionellen Politik von UNHCR. Die Vorstellung, solche Verfahren könnten innerhalb eines Monats zum Abschluss gebracht werden, sei "illusionär". Ein auf unbestimmte Zeit angelegter Lageraufenthalt in den geplanten "closed reception centres" werde die Folge solcher Pläne sein, warnen die Unterzeichnerorganisationen.