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"Systematische Politik der Abschottung, Abweisung und Auslagerung"

EU-Grenzagentur Frontex

Anlässlich eines Treffens der Innen- und Justizminister der EU in dieser Woche wirft die Menschenrechtsorganisation Amnesty international der EU vor, sie verfolge gegenüber Flüchtlingen "eine systematische Politik der Abschottung, Abweisung und Auslagerung". Sie ergreife immer neue Maßnahmen, um Flüchtlinge "schon an den Grenzen abzuwehren" und den Umgang mit ihnen den Nachbar- und Herkunftsländern zu überlassen. "Dass Menschen vor Verfolgung fliehen, wird nur noch als 'illegale Einwanderung' gesehen", moniert die Organisation. Zugang zu einem fairen Asylverfahren in der EU zu erhalten, sei heute kaum noch möglich. Mit der EU-Grenzagentur Frontex Frontex wolle man flüchtige Menschen auf See "aufspüren" und nach Afrika zurückbringen, bevor sie europäischen Boden erreichen könnten. "Damit wird den Menschen ihr Recht verwehrt, in Europa einen Antrag auf Asyl zu stellen."

Amnesty spricht von einer "Festung Europa" und beklagt zahlreiche Todesopfer im Zuge der versuchten Einwanderung allein im Jahr 2006. So seien allein 650 Menschen beim Versuch, in die EU zu flüchten ertrunken. 81 Menschen seien im Jahr 2006 auf ihrer Flucht verhungert, zum Teil auch in Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Amnesty listet noch eine ganze Reihe weiterer Todesursachen auf. Insgesamt dokumentiert die Organisation über 1150 Todesfälle bei der Flucht in die EU. Amnesty stützt sich bei diesen Angaben auch auf das Noborder Network sowie auf das Europäische Netzwerk gegen Nationalismus, Rassismus, Faschismus und zur Unterstützung von Migranten und Flüchtlingen.

Faire Asylverfahren - Rückführungen in Sicherheit und Würde

Die Menschenrechtsorganisation fordert, dass die EU sicherstellt, dass die Rechte von Flüchtlingen und Migranten in ihrem "Kampf gegen irreguläre Zuwanderung" volle Anerkennung finden. "Rückführungen müssen in Sicherheit und Würde stattfinden." Darüber hinaus müsse der Zugang zu einem fairen Asylverfahren auf dem Gebiet der EU und an den Außengrenzen gewährleistet werden. "Die EU-Mitgliedstaaten dürfen sich ihrer Verantwortung aus der Genfer Flüchtlingskonvention nicht entziehen."

Abzulehnen sei das EU-Konzept der "sicheren Drittstaaten" ab. Ankommenden Flüchtlingen müsse in der EU ein faires Asylverfahren offen stehen. Es dürfe unter keinen Umständen zu Kettenabschiebungen kommen. Auch das Konzept der "sicheren Herkunftsstaaten" dürfe nicht umgesetzt werden. "Es gibt grundsätzlich kein Land, in dem keine Verfolgung droht", so Amnesty.

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft: "Enttäuscht auf der ganzen Linie"

Der deutschen Bundesregierung wirft Amnesty vor, sie habe "die Chance, die EU-Flüchtlingspolitik gemäß internationaler Menschenrechtsabkommen zu gestalten" während ihrer EU-Ratspräsidentschaft bislang verstreichen lassen.

Hinsichtlich des Schutzes von Flüchtlingen enttäusche das Programm der deutschen EU-Präsidentschaft vom November 2006 "auf der ganzen Linie", meint Amnesty. "Betonte der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs 1999 im finnischen Tampere noch ausdrücklich die Verpflichtung der EU zum Flüchtlingsschutz und bekannte sich zur uneingeschränkten Geltung der Genfer Flüchtlingskonvention, so ist davon im deutschen Präsidentschaftsprogramm nicht mehr die Rede."

Im Kapitel "kohärente Asyl- und Migrationspolitik" gehe es fast ausschließlich um die "Bekämpfung der illegalen Migration", des "internationalen Terrorismus" und der Verstärkung der Außengrenzen der EU.

Zur Bekämpfung der illegalen Migration solle auch verstärkt mit den Herkunfts- und Transitstaaten zusammengearbeitet werden. Dagegen sei zunächst einmal nichts einzuwenden, meint die Organisation. "Wenn Druck auf die Herkunftsstaaten von Flüchtlingen mit dem Ziel der Verbesserung der Menschenrechtssituation ausgeübt wird, ist dies zu begrüßen." Wenn Transitstaaten deutlich gemacht werde, dass sie Migranten nach menschenrechtlichen Standards zu behandeln hätten, sei dies auch zu unterstützen. Ebenso Bemühungen, in einem Land ein Flüchtlingssystem mit der Durchführung fairer Asylerfahren einzuführen.

Steinmeier in Lybien: "Menschenrechtliche Irrwege"

Auf welchen "menschenrechtlichen Irrwegen" sich die europäischen Regierungen aber bewegen könnten, habe der Besuch von Bundesaußenminister Walter Steinmeier in Libyen gezeigt. Während Steinmeier sich lobend über die Politik Ghaddafis geäußert habe, der den Weg in die Staatengemeinschaft zurückgefunden hätte, habe Ghaddafi ein sehr problematisches Menschenrechtsverständnis deutlich gemacht. Auf der Migrationskonferenz im libyschen Tripoli am 22./23.11.2006 habe Ghaddafi gesagt, viele Nordafrikaner, die in Europa als Flüchtlinge anerkannt würden, seien in Wirklichkeit gewöhnliche Kriminelle. Für Amnesty ist dies eine "pauschale und diffamierende Leugnung von Menschenrechtsverletzungen" in nordafrikanischen Ländern.

Marokko: "Verpflichtungen in der Zusammenarbeit mit der EU"

Aber auch die Zusammenarbeit der EU mit anderen Staaten an ihren Außengrenzen laufe nicht gut. So habe die EU mit Marokko Maßnahmen zur Verhinderung der "illegalen Migration" und zur Sicherung der Außengrenzen der EU vereinbart. Zwischen dem 23. und 29. Dezember 2006 hat Marokko nach Darstellung von Amnesty jedoch die Menschenrechte zahlreicher Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten schwer verletzt. Die marokkanische Polizei soll insgesamt mehr als 300 von ihnen verhaftet und an die algerisch-marokkanische Grenze in der Wüste transportiert haben, wo sie ohne Versorgung geblieben seien.

Nach Angaben des UNHCR sollen 70 der Verhaften Dokumente gehabt haben, die sie als Asylbewerber auswiesen, zehn von ihnen seien sogar vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge gewesen, deren Dokumente von den Polizisten vernichtet worden sein sollen. Nachdem der UNHCR eine Aufklärung dieser Vorfälle verlangt habe, habe die marokkanische Regierung erklärt, dass dieses Vorgehen als Teil der Verpflichtungen in der Zusammenarbeit mit der EU im Kampf gegen illegale Einwanderung zu verstehen sei.

"Da ist also etwas schief gelaufen", meint Amnesty. "Entweder hat die marokkanische Regierung nicht verstanden, dass ihre Behörden mit der EU nur auf der Basis der Einhaltung der Menschenrechte und der Standards des Flüchtlingsschutzes zusammenarbeiten können oder die Vertreter der EU haben suggeriert, dass die marokkanischen Behörden an diese Grundsätze nicht gebunden sind. Bemerkenswert ist, dass diese Vorfälle in Deutschland und in der EU weitgehend totgeschwiegen worden werden."