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"Schwiegermuttergift E 605"

Agrarhändler Raiffeisen verkauft offenbar illegale Pestizide

Nach Darstellung der Umweltschutzorganisation Greenpeace vertreiben einzelne Mitgliedsunternehmen von Deutschlands größtem Agrarhändler Raiffeisen und auch andere Händler in Süddeutschland und dem Elsass "giftige und strikt verbotene Pestizide wie unter anderem E 605". Das hätten sechsmonatige Recherchen von Greenpeace ergeben. Elf Händler hätten "an die Greenpeace-Ermittler insgesamt rund 100 Kilogramm illegaler Pestizide wie Bifenthrin, Malathion und Diethion" verkauft, "die entweder in Deutschland nie zugelassen waren oder seit vielen Jahren verboten sind", so Greenpeace. Vier der elf Händler gehörten zum Raiffeisen-Verband. Eine Filiale der Raiffeisen-Zentralgesellschaft Karlsruhe im französischen Salmbach/Elsass habe "sogar zehn Liter des hoch gefährlichen 'Schwiegermuttergifts' E 605 verkauft - gegen Barzahlung und ohne Rechnung". Rückstände solcher Mittel würden immer wieder von Greenpeace und Kontrollbehörden in Lebensmitteln deutscher Herkunft nachgewiesen. Vom Deutschen Raiffeisenverband in Bonn, dem Dachverband der Raiffeisen-Unternehmen, werden die Vorwürfe nicht zurückgewiesen. "Wir missbilligen das absolut", sagte Michael Reininger, Referent der Abteilung Warenwirtschaft im Raiffeisenverband gegenüber ngo-online.

Der Raiffeisenverband wurde nach Angaben von Reininger am vergangenen Freitag mit Teilen der Vorwürfe konfrontiert. Hierbei seien Dinge aufgezeigt worden, "die offenbar nicht rechtens gelaufen sind". Offenbar sei es gelungen, Pflanzenschutzmittel einzukaufen, die in Deutschland nicht zugelassen seien. Man weise jetzt die Mitgliedsunternehmen des Raiffeisenverbandes erneut auf die Problematik hin. Verbandsinterne Sanktionsmechanismen gebe es nicht, sagte Reiniger auf Nachfrage.

Zweifel an den Vorwürfen hat der Verband nicht. "Das denkt sich keiner aus." Es sei auch generell bekannt, dass es ein Problem mit dem grenzüberschreitenden Pflanzenschutzmittel-Handel gebe. Der Raiffeisenverband sieht das Problem beispielsweise darin, dass man in Frankreich aufgrund der niedrigeren Mehrwertsteuer Pflanzenschutzmittel teilweise billiger einkaufen könnte. "Das ist ein Anreiz", so Reininger. "Das bemängeln wir seit vielen Jahren."

Greenpeace: Wir sind entsetzt, dass es ganze Händler-Netzwerke gibt

Die Kunden "der Gifthändler" sind nach Auffassung von Greenpeace "skrupellose Bauern, die die illegalen Pestizide auf Obst oder Gemüse verspritzen". Schädliche Pestizide landeten so direkt auf unserem Essen und in der Umwelt, kritisiert Manfred Krautter von Greenpeace. "Wir sind entsetzt, dass es ganze Händler-Netzwerke gibt, die stark giftige, krebserregende, die Fortpflanzung und das Hormonsystem schädigende Mittel vertreiben. Und wir sind entsetzt, dass Raiffeisen massiv in diese kriminellen Geschäfte verstrickt ist."

Die Händler dies- und jenseits der deutsch-französischen Grenze hielten deutschsprachiges Verkaufspersonal bereit und wendeten sich mit ihrem Angebot speziell an "kaufwillige deutsche Landwirte", so Greenpeace. Auf Wunsch werde die Ware in Deutschland ausgeliefert. Die Umweltschutzorganisation untermauert ihre Vorwürfe durch einen Report, ausführliches Filmmaterial, Kaufbelege und etwa 100 Kilogramm illegaler Pestizide. 38 von Greenpeace "sicher gestellten Spritzmittelpackungen" enthielten elf in Deutschland und drei auch EU-weit verbotene Wirkstoffe. Die Umweltorganisation kündigte an, Anzeige wegen Verstoßes gegen das Pflanzenschutzgesetz und des Verdachts auf Steuerhinterziehung zu erstatten.

Landwirtschaftsministerium soll Ermittlungen abgelehnt haben

Nach Auffassung der Organisation haben Seehofer und die Agrarminister der Länder "versagt". Dadurch blühe der illegale Gifthandel. "Die Behörden sind für die illegalen Geschäfte mit verantwortlich: Wir haben uns an das Landwirtschaftsministerium von Baden-Württemberg gewandt, um gemeinsam mit den Kontrollbehörden einen Händler auf frischer Tat zu fassen, der die illegale Ware sogar per Türzustellung ausliefert", so Martin Hofstetter von Greenpeace. Das Ministerium habe dies jedoch abgelehnt und sich auch geweigert, Ermittlungsbehörden vor Ort zu benennen, so Greenpeace.

Greenpeace fordert nun "wirksame grenzüberschreitende Kontrollen". Händler und Bauern, die illegale Spritzmittel verkauften oder einsetzten, müssten "streng bestraft" werden. Ihnen müsse zudem die Handels- oder Produktionserlaubnis entzogen werden. Auch sollten ihnen die Agrarsubventionen gestrichen werden, fordern die Umweltschützer. Grundsätzlich sei Landwirtschaft ohne Gift und Gentechnik das Beste für Natur und Umwelt.