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Rechnungshof kritisiert private Berater von Bundesministerien

"Neutralität des Verwaltungshandelns"

Der Bundesrechnungshof will offenbar im ersten Quartal die externen Mitarbeiter in allen Ministerien zählen lassen. Um zu ermitteln, "wer die Personen bezahlt, die in den Ministerien, beispielsweise an Gesetzen mitarbeiten", werde ein Fragebogen verschickt, sagte Rechnungshofsprecher Michael Reinert der Wochenzeitung "Die Zeit". Geklärt werden solle, ob und in welcher Funktion die Ministerien Mitarbeiter von Unternehmen oder Verbänden beschäftigten. Zudem werde gefragt, warum externe Beschäftigte in das jeweilige Ministerium eingebunden und wie deren Arbeitsergebnisse verwendet würden. Es sei nötig zu prüfen, ob "die Neutralität des Verwaltungshandelns gewährleistet" sei, wenn beispielsweise "Personen an Gesetzen mitarbeiten und von Verbänden oder Unternehmen bezahlt werden".

Ende des vergangenen Jahres war aus einer parlamentarischen Anfrage im Bundestag hervorgegangen, dass Lobbyisten aus Industrieverbänden und großen Konzernen in erheblichem Umfang in Bundesministerien tätig sind.

In seiner Funktion als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung veröffentlichte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, unlängst "Empfehlungen für ein wirtschaftliches und transparentes Verfahren beim Einsatz externer Berater". Diese "Arbeitshilfe" soll die Bundesverwaltung laut Rechnungshof "in die Lage versetzen, typische Fehler beim Beratereinsatz zu vermeiden".

"Kernaufgaben der Verwaltung" an Private übertragen

Die öffentliche Verwaltung nutze seit Jahren "in zunehmendem Maße die Unterstützung externer Berater" bei der Bewältigung unterschiedlicher Aufgaben, heißt es in den "Eckpunkten für den wirtschaftlichen Einsatz externer Berater durch die Bundesverwaltung" vom 29. Januar. Ein sachgerechter Einsatz des Sachverstands Dritter könne der Verwaltung helfen, richtige Antworten auf neue und komplexe Fragestellungen in einem sich rasch verändernden Umfeld zu finden.

"In zahlreichen Prüfungen sind für den Bundesrechnungshof allerdings Fehlentwicklungen erkennbar geworden, welche die Grenzen und Risiken des Beratereinsatzes für die öffentliche Verwaltung verdeutlichen. Immer wieder hat der Bundesrechnungshof zum Beispiel festgestellt, dass auch solche Aufgaben an Externe übertragen werden, die zu den Kernaufgaben einer verantwortlich handelnden Verwaltung gehören. Vielfach waren die Auftraggeber nicht ausreichend in der Lage, die Beratungstätigkeit sachgerecht zu kontrollieren und zu nutzen", heißt es in den Eckpunkten.

Gründe für Externe: "Bessere Durchsetzbarkeit"

Nach Auffassung des Rechnungshofes muss die Verwaltung zunächst prüfen, "ob sie die Leistung selbst erbringen kann, bevor sie die Auftragsvergabe an externe Kräfte in Betracht zieht". Eine Beratung könne nur dann notwendig werden, wenn keine verwaltungseigenen Erkenntnisse vorlägen oder aufgebaut werden könnten.

Prüfungserkenntnisse des Bundesrechnungshofes belegten jedoch, dass Behörden vielfach Gründe für einen Beratereinsatz angäben, die nicht direkt in Zusammenhang mit dem zu lösenden Problem stünden. Hierzu zähle beispielsweise die "Erschließung anderer Sichtweisen" oder die "bessere Durchsetzbarkeit" von vorgeschlagenen Maßnahmen. Derartige Gründe rangieren nach Darstellung des Rechnungshofes "deutlich vor dem Grund, fehlendes fachliches oder technisches Know-how ausgleichen zu müssen".

Kritik an Bundesverwaltung: "Wer das zu lösende Problem nicht beschreiben kann ..."

Der Bundesrechnungshof geht hart mit der Auftragsvergabe ins Gericht. Aus den Empfehlungen deutlich herauszulesen, dass nach Auffassung der Kontrollbehörde, die externen Berater vielfach nicht richtig eingesetzt und kontrolliert werden. So heißt es in den Eckpunkten, dass im Falle der Erforderlichkeit einer externen Beratung "die gewünschte Beratungsleistung durch die Verwaltung eindeutig und umfassend zu beschreiben" sei.

Das setze entsprechende, zumindest grundlegende Fachkenntnisse der Verwaltung im Hinblick auf die zu lösende Aufgabe voraus. "Fehlen diese, sind auch eine sachgerechte Beraterauswahl und die spätere Kontrolle des Beratungsprojektes nicht ausreichend gewährleistet. Sieht sich die Verwaltung nicht in der Lage, die Leistung selbst zu beschreiben, ist dies ein Indiz dafür, dass das Projekt noch nicht für das Hinzuziehen externen Sachverstands geeignet ist."

Unverblümt heißt es weiter: "Wer das zu lösende Problem nicht beschreiben kann oder – wie häufiger zu beobachten – wiederum von einem Dritten beschreiben lassen muss, ist auch nicht in der Lage zu prüfen, ob eine vom externen Berater erarbeitete Leistungsbeschreibung dem eigenen Bedarf entspricht." Spricht aus diesen Worten die Arroganz der Kontrolleure oder handelt es sich um eine zutreffende Kritik an den Zuständen in den Bundesministerien?

Zweifel an Wirtschaftlichkeit der externen Beratung

In den vergangenen Jahren hieß es stets, private externe Berater seien billiger und effizienter als Beamte. An dieser Sichtweise meldet der Bundesrechnungshof Zweifel an. Nach Auffassung der Kontrollbehörde müssten im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung "alle Lösungsalternativen" dargestellt und bewertet werden.

Hierzu zähle neben der Eigenleistung beispielsweise auch die Beauftragung "verwaltungsinterner" Beratungsteams. Wirtschaftliches Handeln setze Denken in Alternativen voraus. "Der Bundesrechnungshof hat festgestellt, dass Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen – als Instrumente zur Umsetzung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit – im Vorfeld von externen Beratungsaufträgen ausgesprochen selten durchgeführt wurden. Alternativen zur Beauftragung externer privater Berater sind neben der Eigenleistung durch den Bedarfsträger zum Beispiel auch Unterstützungen durch verwaltungsinterne Beratungsteams aus dem eigenen oder einem anderen Geschäftsbereich der Bundesverwaltung."

Zur möglichen Einflussnahme der externen Berater, darunter Lobbyisten aus Industrieverbänden und großen Konzernen, auf die Gesetzgebung, äußerte sich der Bundesrechnungshof nicht.

Umwelt- und Verbraucherschützer: Lobbyisten dürfen nicht in Ministerien arbeiten

Umwelt- und Verbraucherschützer fordern, dass bezahlte Lobbyisten von Unternehmen, Verbänden oder Gewerkschaften künftig nicht mehr in Regierungsministerien arbeiten dürfen. "Diese Praxis muss sofort beendet werden", sagte Gerhard Timm, Bundesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND). Auch Carel Mohn, Sprecher der Verbraucherzentrale Bundesverband (VzBv), verlangt ein "Ende dieses Zustands".

Laut "Süddeutsche Zeitung" waren in den vergangenen vier Jahren 100 externe Mitarbeiter "im Geschäftsbetrieb" der Bundesregierung oder des Kanzleramtes tätig, die ganz oder teilweise von ihren Firmen, Verbänden oder Gewerkschaften bezahlt würden. Auf Anfrage des Abgeordneten Ulrich Maurer (Die Linke) veröffentlichte die Bundesregierung kürzlich eine Liste, aus der hervorgeht, dass gegenwärtig unter anderen die Allgemeinen Ortskrankenkassen, die Gesellschaft für Reaktorsicherheit, der Energieriese E.on, aber auch die IG Metall Mitarbeiter in Ministerien entsandt haben.

Die Bundesregierung argumentiert, die externen Mitarbeiter seien in die hierarchischen Strukturen der Ministerien eingebunden und eine inhaltliche Einflussnahme auf Entscheidungen daher ausgeschlossen. Für Verbraucherschützer Mohn ist dieser Zustand dennoch nicht akzeptabel: "Das ist ein großer einseitiger Vorteil für Konzerne, der die Gewichte noch weiter zugunsten der ohnehin schon einflussreichen Großunternehmen verschiebt." Dies könne auch nicht im Interessen mittelständischer Firmen sein.

Falls die Ministerien bisher nicht genügend eigenes Fachwissen besäßen, so Mohn, "müsse überlegt werden, wie man die Kompetenz dort bei Wahrung der Unabhängigkeit erhöhen kann. Es geht aber nicht, dass sich Ministerien deshalb Interessenvertreter direkt ins Haus holen."

Timm meint, dass "hier die gebotene Äquidistanz der Regierung zu verschiedenen Interessengruppen nicht gewahrt wird. Das höhlt die Demokratie aus und muss deshalb beendet werden".

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte im Herbst 2006: "Ich kannte diesen Umstand nicht, dass Mitarbeiter von Firmen in Ministerien sitzen und an Gesetzesvorhaben vorbereitend mitarbeiten."