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Dramatischer Druckabfall im Atomkraftwerk Krümmel

Kritik an Trauernicht wächst

Rund eine Woche nach den Vorfällen in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel geraten Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) und Betreiber Vattenfall Europe immer mehr unter Druck. Die FDP bezeichnete Trauernicht am 5. Juli als "nur noch schwer tragbar". Unterdessen berichtete der "Tagesspiegel" unter Hinweis auf die der Zeitung vorliegende Ereignismeldung von einem dramatischen Druckabfall in Krümmel. Demnach sei bei der Schnellabschaltung eine Wasserpumpe des Speisewasserkreislaufs nach vier Sekunden ausgefallen. Nach der Öffnung zweier Sicherheitsventile sei der Druck im Reaktorkern von 65 auf 20 bar abgestürzt und der Wasserfüllstand im Siedewasserreaktor auf unter 11,6 Meter gesunken. Nach Informationen der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW wurden die Sicherheits- und Entlastungsventile in Krümmel von der Betriebsmannschaft für vier Minuten von Hand ausgelöst, was den Druck- und Füllstandsabsturz bewirkt habe. Durch den Reaktorschutz hätte daher das Einspeisesystem TJ und somit ein Sicherheitssystem aktiviert werden müssen, um den Reaktordruckbehälter wieder auf 14,07 Meter aufzufüllen.

"Derart gravierende Störungen im Rahmen der Notabschaltung sind dem Betreiber aufgrund zahlreicher Messeinrichtungen sofort bekannt", sagte Dirk Seifert von der Umweltschutzorganisation Robin Wood. "Dass Vattenfall noch tagelang nach dem Transformator-Brand behauptete, es habe keine Auswirkungen auf den Reaktor gegeben, ist eine bewusst fehlerhafte Darstellung des Atomkonzerns." Dieses Vorgehen habe Methode, so Seifert, und "war auch nach den Vorfällen im AKW Forsmark und bei der schweren Wasserstoffexplosion in Brunsbüttel nicht besser. Das Fass ist jetzt endgültig voll. Vattenfall muss die Betriebsgenehmigung für die AKWs entzogen werden."

Seifert kritisierte auch das Verhalten der Kieler Atomaufsicht. "Sollte die Behörde von Vattenfall korrekt informiert worden sein, so stellt sich die Frage, warum sie ihrerseits die Öffentlichkeit erst so spät über das Versagen von Sicherheitseinrichtungen informiert hat." Sollte Vattenfall die Aufsichtsbehörde nicht umgehend über die sicherheitstechnisch relevanten Auswirkungen in Folge der Notabschaltungen informiert haben, erwarte Robin Wood, "dass Kiel nun rasch ein Verfahren zum Entzug der Betriebsgenehmigung anstrengt".

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte die Informationspolitik der zuständigen Landesministerin. Greenpeace-Atomkexperte Thomas Breuer sagte, das Ministerium hätte schneller auf umfassende Information drängen müssen. Stattdessen sei die Aufsichtbehörde "dem Betreiber Vattenfall zur Seite gesprungen, um die Bevölkerung zu beschwichtigen". So sei behauptet worden, es habe in Krümmel nur einen Brand gegeben. In Wirklichkeit habe es sich aber auch um Probleme im Nuklearbereich gehandelt.

Falls der Betreiber nur tröpfchenweise Informationen geliefert habe, stelle sich laut Breuer eine weitere Frage: Wie könne dann ein Sprecher noch am selben Tag behaupten, dass keine Gefahr für die Bevölkerung bestehe?

Trauernicht selbst wies vor dem Sozialausschuss des schleswig-holsteinischen Landtages Vertuschungsvorwürfe entschieden zurück und machte dem Kraftwerksbetreiber ihrerseits schwere Vorwürfe.

Die Sozialministerin rechtfertigte ihre Informationspolitik damit, dass sie angesichts negativer Erfahrungen mit Vattenfall keine ungeprüften Informationen habe weitergeben wollen. Das Ministerium habe von dem Unternehmen am Freitag angeblich "lediglich Stichworte" über die Störungen bei der Abschaltung bekommen, sagte Trauernicht. Als am Dienstag Einschätzungen durch Gutachter vorgelegen hätten, habe ihr Ministerium noch am selben Tag die Öffentlichkeit informiert. Wenn es Hinweise gegeben hätte, dass die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet gewesen wäre, hätte sie diese auch ungeprüft weitergegeben.

Trauernicht kündigte an, die ohnehin für August geplante Jahresrevision des AKW Krümmel vorzuziehen. Außerdem wolle sie mit dem Betreiber über die notwendige Form der Informationspolitik sprechen. Der Reaktor selbst gehe erst nach Klärung aller Sicherheitsfragen wieder ans Netz. "Notfalls" behalte sie sich weiterhin atomrechtliche Anordnungen vor.

Der stellvertretende FDP-Landtagsfraktionschef Heiner Garg warf Trauernicht eine "Salamitaktik" vor. Es sei "ungeheuerlich und unverantwortlich, dass die Ministerin die ganze Wahrheit der Öffentlichkeit fünf Tage lang verschwieg", so Garg. Er bezweifle, ob Trauernicht "selbst noch die nötige Zuverlässigkeit aufbringen kann, um weiterhin die oberste Aufsicht über die Sicherheit an den schleswig-holsteinischen Kernkraftwerken auszuüben".