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Tiefensee wehrt sich gegen angeblichen Kahlschlag bei der Bahn in der Fläche

"Aus für kleine Bahnhöfe"

Seit der "Bahnreform" in den 1990er Jahren tobt ein Streit darüber, ob die Bundesregierung gemeinsam mit der Industrie einen Kahlschlag der Bahn in der Fläche plant oder nicht. Tausende Streckenkilometer wurden seitdem stillgelegt und Güterverkehrsstellen geschlossen, obwohl ein Aufschwung für die Bahn versprochen worden war. Doch die Bahn setzt vor allem auf die Hauptverkehrsachsen. Am 9. Oktober sah sich Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee genötigt, Presseberichte über die mögliche Schließung kleiner Bahnhöfe zu dementieren. "Es ist hanebüchen, einem Bundesverkehrsminister zu unterstellen, dass er in einem Bundesland etwa 50 Prozent aller Bahnhöfe schließen möchte", sagte Tiefensee am Rande der Verkehrsministerkonferenz in Merseburg. Das Gegenteil sei der Fall.

Die Berichte über mögliche Reduzierungen von Bundesmitteln für wenig genutzte Bahnhöfe und Strecken wies Tiefensee zurück. Es sei nicht hinzunehmen, dass Vertragstexte zur Teilprivatisierung der Bahn in dieser Weise tendenziös verfälscht würden, so der Minister. "Ich will den Regionalverkehr erhalten und die Qualität verbessern. Dazu dient die Teilpriatisierung der DB AG. Mein Ziel ist es, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen", so die Aussage von Tiefensee, praktisch gleichlautend mit den offiziellen Aussagen seit vielen Jahren. "Ich erwarte trotz aller unterschiedlichen Meinungen eine sachliche und faire Argumentation und keine unseriöse Panikmache."

In einer weiteren Mitteilung des Ministeriums heißt es: "Die Presseberichte sind vollkommen haltlos und entbehren jeder Grundlage. Offenbar handelt es sich um gezielte Desinformationen, um die Teilprivatisierung der DB AG zu diskreditieren. Fest steht: Es ist und war nie die Absicht der Bundesregierung, die Mittel für wenig genutzte Zugstrecken und Bahnhöfe zu reduzieren. Der Bund wird Ersatzinvestitionen in Nahverkehrsstrecken auch weiterhin finanzieren wie bisher. Die in der Presse zitierte Passage einer Anlage zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung gilt lediglich für Neu- und Ausbaumaßnahmen von Strecken, z.B. den Bau zusätzlicher Gleise. Sie basiert auf einem bereits im Jahr 2006 mit allen Bundesländern Wort für Wort abgestimmten Verfahren. Vor diesem Hintergrund sind die Äußerungen des sachsen-anhaltinischen Verkehrsministers Daehre absolut unverständlich. Er selbst hat dieser Regelung vor anderthalb Jahren zugestimmt und will jetzt nichts mehr davon wissen. Der Bund will die Länder künftig noch besser in die Lage versetzen, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen an Bahnhöfen und Strecken durchzuführen. Nach der Teilprivatisierung sind dafür generell Baukostenzuschüsse möglich. Unser Anliegen ist es, auch in strukturschwachen Gegenden den Regional- und Bahnverkehr auf der Schiene zu stärken. Diesem Ziel dient die geplante Teilprivatisierung der DB AG."

Verkehrsclub: Geplantes Aus für kleine Bahnhöfe steht für falsche Verkehrspolitik des Bundes

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hält offenbar wenig von den Dementis aus dem Ministerium. Der VCD kritisierte "die Pläne" von Tiefensee scharf, die Länder zur Aufgabe kleiner Bahnhöfe und wenig genutzter Strecken zu zwingen. Diese Überlegungen im Zusammenhang mit der Bahnprivatisierung zeigten exemplarisch, wie weit die aktuelle Verkehrspolitik von gezieltem Klima- und Ressourcenschutz entfernt sei. Wenn der Bund wirklich mehr Klimaschutz im Verkehr erreichen wolle, müsse er dafür auch etwas unternehmen.

"Statt Strecken und Bahnhöfe nach und nach vergammeln zu lassen und damit immer mehr Menschen im ländlichen Raum von der umweltschonenden Bahn abzubringen, muss die Verkehrspolitik endlich dafür sorgen, dass viel mehr Menschen für ihre täglichen Wege eine echte Alternative zum Auto haben", forderte VCD-Bundesvorsitzender Michael Gehrmann. "Das funktioniert aber nur mit Investitionen in ein attraktives Bahnangebot in der Fläche."

Der Verkehrsclub forderte die Bundesregierung nachdrücklich dazu auf, "die Stilllegungen von Bahnstrecken zu beenden". Es gelte vielmehr "die vielen Langsamfahrstellen" vor allem auf Nebenstrecken zügig zu beseitigen und damit die Voraussetzungen für kürzere Fahrzeiten und attraktive Angebote zu schaffen, insbesondere im Nahverkehr.

Doch statt das gesamte Schienennetz in diesem Sinne zu stärken, konzentriere sich der Bund bei den Investitionen lieber "auf einzelne Prestigeprojekte, die viel Geld verschlingen und wenig Effekt für den Bahnverkehr insgesamt bringen".

Nach Ansicht des VCD ist fehlendes Geld nicht das Problem. Der Bund müsse seine Mittel nur richtig einsetzen. Verkehrspolitisch unsinnige und überteuerte Vorhaben wie der Transrapid, die Y-Trasse, der Bahnhofsneubau Stuttgart 21 oder die Schnellstrecke Nürnberg - Erfurt müssten fallen gelassen werden. Die frei werdenden Finanzmittel könnten dann bundesweit in ein funktionierendes Streckennetz von hoher Qualität investiert werden.

Volkssolidarität: Tiefensee-Pläne gefährden öffentliche Daseinsvorsorge Auch die Volkssolidarität forderte, "statt einen Kahlschlag im öffentlichen Personen- und Nahverkehr (ÖPNV) zu organisieren", sollte der Bundesverkehrsminister dafür sorgen, dass die öffentliche Daseinsvorsorge gewährleistet bleibe.

"Wir warnen davor, im Zuge der geplanten Bahn-Privatisierung weitere Strecken still zu legen, Bahnhöfe zu schließen und den Service weiter abzubauen", so Bernd Niederland, Bundesgeschäftsführer der Volkssolidarität am 9. Oktober in Berlin.

Die Pläne von Tiefensee müssten abgelehnt werden. Leidtragende eines Förderstopps seien vor allem Ältere, Familien mit Kindern, Menschen mit Behinderungen sowie soziale Benachteiligte. Diese Personen seien neben Berufspendlern besonders auf "funktionierende, kundenfreundliche und bezahlbare Angebote des ÖPNV angewiesen. Die Rendite künftiger Bahn-Aktionäre darf nicht die Oberhand über den öffentlichen Versorgungsauftrag der Deutschen Bahn AG erlangen."

Die bekannt gewordenen Pläne bestätigten Befürchtungen, dass die geplante Bahn-Privatisierung zu Kürzungen im Personen-Schienenverkehr führen. Würden die Tiefensee-Vorgaben umgesetzt, würden viele Menschen in ihren Rechten auf gesellschaftliche Teilhabe und Gleichstellung eingeschränkt. "Gerade die betroffenen Personengruppen verfügen aus verschiedenen Gründen über keine eigenen Fahrzeuge oder sind in ihrer Mobilität eingeschränkt."