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Abschaffung der Pendlerpauschale war verfassungswidrig

Schlappe für Hessische Landesregierung

Das Bundesverfassungsgericht hat die Abschaffung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt. Bis zu einer Neuregelung sei rückwirkend zum 1. Januar 2007 die Pauschale vorläufig unbeschränkt ab dem ersten Entfernungskilometer wieder zu gewähren, entschieden die Karlsruher Richter am Dienstag (9. Dezember). Bei der geforderten Neuregelung sei der Gesetzgeber allerdings "nicht verpflichtet, die Pendlerpauschale in alter Form wieder einzuführen", betonte Gerichtsvizepräsident Andreas Voßkuhle. In der geltenden Regelung sah das Gericht aber einen Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung. Seit Januar 2007 konnten die ersten 20 Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsplatz nicht mehr steuerlich abgesetzt werden. Lediglich Fahrtkosten ab dem 21. Kilometer konnten über eine Härtefallregelung "wie Werbungskosten" mit 30 Cent pro Kilometer abgezogen werden. Der Staat erhoffte sich damit Einsparungen von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Die vom Gesetzgeber angeführte Begründung für die Streichung der Entfernungspauschale reichte den Karlsruher Richtern nicht aus. Das "fast ausschließlich angeführte Ziel der Haushaltskonsolidierung" könne trotz aller Dringlichkeit für sich genommen die Streichung der Entfernungspauschale nicht rechtfertigen, betonte der Zweite Senat. Der "rein fiskalische Zweck staatlicher Einnahmeerhöhung" sei kein hinreichender Grund. Anerkannt wären höchstens "Förderungs- und Lenkungsziele" wie verkehrs- und umweltpolitische Ziele.

Der Zweite Senat entschied über Normenkontrollanträge des Bundesfinanzhofs sowie der Finanzgerichte Niedersachsens und des Saarlandes, die die Streichung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig hielten.

Die Entscheidung des Zweiten Senats erging mit 6 zu 2 Richterstimmen.

(AZ: 2 BvL 1/07 u.a. - Urteil vom 9. Dezember 2008)

Die Bundesregierung reagierte bereits auf das erwartete Urteil. Nun gelte wieder die alte Pendlerpauschale ab dem ersten Entfernungskilometer, teilte das Bundesfinanzministerium. Dies beziehe sich rückwirkend auf die Jahre 2007 und 2008 und auch auf 2009, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Nicolette Kressl (SPD), in Karlsruhe.

Man werde das Urteil so schnell wie möglich umsetzen, damit die Bürger "noch zu Beginn 2009 ihre Steuerrückerstattungen erhalten", hieß es, vermutlich mit Blick auf den Wahlkampf. Millionen Pendler bekämen damit "schnell ihr Geld". Ab dem 1. Januar 2009 gelte "automatisch wieder" das bis zum 31. Dezember 2006 geltende Recht.

Bundesfinanzministerium und Hessische Landesregierung bedauern Urteil

Das Verfassungsgericht habe sich "leider nicht" der Rechtsauffassung von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat angeschlossen, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung von Bundesfinanzministerium und Hessischer Landesregierung. Diese betonen: "Auch wenn wir diese Entscheidung für falsch und ihre nachteiligen Konsequenzen für die Reformfähigkeit unseres Landes für noch nicht absehbar halten, ist sie selbstverständlich für unser politisches Handeln bindend."

Die Bundesregierung werde keine Maßnahmen ergreifen, um die mit der Umsetzung des Urteils einhergehenden Steuerausfälle von insgesamt rund 7,5 Milliarden Euro für die Jahre 2007 bis 2009 an anderer Stelle einzusparen. Der Verzicht auf eine Gegenfinanzierung bis Ende 2009 solle der "Stärkung der Konjunktur" dienen. Wie eine künftige Neuregelung der Pendlerpauschale ab dem Veranlagungszeitraum 2010 aussehen werde, werde die Bundesregierung "zur gegebenen Zeit entscheiden".

Über sieben Millionen Bürger fahren über 20 Kilometer zur Arbeit Von der Wiedereinführung der alten Pendlerpauschale profitieren mehrere Millionen Arbeitnehmer. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden parallel zur Karlsruher Verfassungsgerichtsentscheidung mitteilte, sind im Jahr 2004 rund 7,6 Millionen Menschen mehr als 20 Kilometer bis zur Arbeit gefahren. Bei 7,4 Millionen Menschen betrug der Arbeitsweg bis zu 20 Kilometer.

Somit hätten von der damaligen Entfernungspauschale, die keine Kilometerbeschränkung vorsah, 15 Millionen Bundesbürger profitiert. Ihnen seien steuerlich insgesamt 69,1 Milliarden Kilometer anerkannt worden. 2004 ist laut Statistikamt das letzte verfügbare und vollständige Veranlagungsjahr.