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Ägypten am Scheideweg in eine neue Ära?

Ein paar Hintergründe zu den Anfängen in Ägypten.

Geschichtlich gesehen hat Ägypten immer wieder Umwälzungen erfahren und kennt den Wandel der Zeiten aus einer 5000 Jahre alten Geschichte nur zu gut. Die Pharaonen leben aber weiter im Gedächtnis der Ägypter und es werden heute Witze über Mubarak gemacht. Mubarak zeigt sich stolz auf Bildern mit Ronald Reagan, Maggie Thatcher oder Helmut Schmidt. Auf einmal holt er ein Bild von sich mit Napoleon heraus. Die Lacher sind auf der Seite des Witzeerzählers. Aber dieses Verhalten zeigt auch das Verständnis, in dem sich Mubarak sieht und auch von einer ägyptischen Bevölkerung geteilt wurde. Bis jetzt! Seit dem 25.1.2011 ist alles anders geworden.

Seit der Ermordung Sadats (1981) und dem Frieden mit Israel von 1979 herrscht Muhammad Husni Mubarak als Sadats Vize-Präsidentnachfolger mit harter Hand in seinem Land. In seiner Regierungszeit, seit Oktober 1982, herrscht Kriegsrecht und Notstandsgesetze werden gegen die Bevölkerung eingesetzt. Er vermittelt den Eindruck als Übervater für das ägyptische Volk alles zu managen und den Frieden zu erhalten. Das wird ihm auch vom Westen und vor allem von Amerika sowie den europäischen Staaten zu gute gehalten. Die Beziehungen zum Westen wurden so gut, dass Ägypten ausserhalb der NATO zum wichtigsten Verbündeten für die USA wurde. Ägypten wurde sogar von Amerika in der Aufrüstung bevorzugt zu manch anderen NATO Partnern. Ägypten hat es unter Mubarak geschafft eine dominierende Rolle in der arabischen Liga zu spielen und ist das wirtschaftlich sowie militärisch stärkste Land auf dem afrikanischen Kontinent sowie der arabischen Welt. Allerdings auf Kosten der Bevölkerung.

Innenpolitisch wurde so getan, als wenn Ägypten eine Demokratie hätte, welche zu vergleichen ist mit der ehemaligen DDR. Es gibt eine dominierende Partei, die auch den Präsidenten stellt. Mubaraks National Demokratische Partei (NDP – bis zum 31.1.2011 Mitglied der „sozialistischen Internationale“ in der die New Labour Party, SPD oder auch SPÖ vertreten sind) könnte man mit der SED vergleichen und alle anderen Parteien sind Blockparteien mit eigenen kleinen Interessen, die ihnen auch solange gewährt wurden, solange sie das System ansich oder generellen Richtlinien nicht in Frage stellen. Eine Opposition in dem Sinne gibt es nicht in der Parteienlandschaft. Hat einmal wirklich jemand substantielle Kritik in der Öffentlichkeit geäussert wurde er gleich verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Meist unter fadenscheinigen Gründen, die formal begründet wurden. Noch vor 2 Jahren stellte sich ein mutiger Mann mit dem Namen Kamal El Gnzory in die Öffentlichkeit und war besorgt um die Wirtschaft sowie die ägyptische Währung in der Finanzkrise. Er bemängelte, dass die Gebühren für den Suezkanal in Euro und Dollar abgerechnet werden, aber kaum etwas davon in den Staatshaushalt fliessen würde.

Er machte den Vorschlag, dass die Gebühren in ägyptische Pfund erhoben werden sollen, was zum einen den Pfund aufwerten würde und zum anderen auch die Lebensmittelpreise stabil halten könnte über die Subventionen. Denn dafür sind die 25 Mio Dollar pro Tag Einnahmen aus den Suez Kanal Gebühren gedacht. Ein Fladenbrot kostete so subventioniert 5 Piasta, was sich jeder leisten konnte. Heute kostet es 25 Piasta. Das hat Diskussionen ausgelöst, die viele Dinge, die mit daran hingen, in der Öffentlichkeit offenbarten. Es wurde bekannt, dass sich jeder an dem Ausbau und Reparatur des Suezkanals bereicherte und das meiste in Taschen weniger landet. Es wurde bekannt, dass die Amerikaner keine Gebühren zahlen müssen. Es wurde bekannt, dass es kein Interesse gibt, dass dieses stolze Ägypten eine stärkere Währung haben sollte, um den europäischen Interessen vor allem zu dienen. Kamal El Gnzory wurde verhaftet und sitzt seit 2 Jahren im Gefängnis. Deutsche Unternehmen und Banken verdienen mit an dem Ausbau und Reparatur des Suezkanals, was heute unter dem Entwicklungsministerium Niebels verwaltet und gemanaged wird.

Dieses sind Auslandsschulden, die exorbitant die letzten Jahre gewachsen sind, da sich auch in der EU insgesamt die Entwicklungshilfe mehr darauf versteht Kredite zu geben, um europäischen Unternehmen eine Möglichkeit von Aufträgen zu geben. Das Prinzip ist das gleiche, wie man es in Deutschland in Kommunen kennt vom Strassenbau und Sanierung. Unternehmen bekommen den Zuschlag eine Strasse neu zu asphaltieren und bekommen jedes Jahr aufs neue diesen Auftrag, auch wenn es nicht notwendig wäre, wenn sie von vornherein guten Asphalt verwendet hätten. So findet in einem gemeinsamen Agreement der ägyptischen Regierung mit den europäischen Staaten Entwicklungshilfe statt. Die Regierungsmitglieder stecken sich Geld in die Tasche von den Auftragsnehmern und die Auftragsnehmer haben ständig neue Aufträge garantiert. Je mehr „Entwicklungshilfe“ geleistet wird, desto mehr wächst die Auslandsverschuldung Ägyptens und je reicher werden einige wenige.

Ägypten hat so 50 Dollar Milliardäre hervorgebracht, wovon bei der letzten Parlamentswahl Ende letzten Jahres 35 für die NDP im Parlament sitzen. Die Wahlen waren offensichtlich gefälscht, denn im September sollte Mubarak oder sein Sohn Jamal als Präsident vom Parlament gewählt werden. Die NDP hat so 4/5 aller Sitze bekommen, was die Wahl nicht gefährden kann. Doch seit dem 25.1.2011 ist jetzt alles anders.

Die Bevölkerung hat verstanden, wie die Zusammenhänge sind, warum die einen immer mehr korrupt sich bereichern und auf der anderen Seite die Überlebenschancen für die Masse immer schlechter werden. Ägypten hat eine breite gebildete junge Facebook Generation, die sich nicht das Brot vom Teller nehmen lässt und ihre Chancen für ihr Leben suchen.

Rüdiger Heescher

Rüdiger Heescher (ehemaliger Mitarbeiter der Bundestagsfraktion und Parteivorstand der Linken, attac) hat 1 Jahr im nahen Osten vor, während und nach der Revolution in Ägypten verbracht. Ab November 2011 hält er Vorträge und Diskursveranstaltungen zum arabischen Frühling zu seiner Erfahrung im Rückblick, wie er die Revolution erlebt hat und wie seine Einschätzung zur weiteren Entwicklung im nahen Osten ist.