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Erste Rede von Gauck – misslungener Versuch einer klaren Kommunikation

Kommunikation im Alltag (4)

Gaucks erste Rede aus Sicht einer effektiven KommunikationDer neue deutsche Bundespräsident hat seine erste Rede gehalten. Sie sollte die Richtung vorgeben, die Richtung seines Wirkens. Fazit: Klarheit war vielleicht gewollt, ist jedoch nicht gelungen. Doch sie wäre wichtig gewesen, sehr wichtig sogar – in einer Zeit wie der heutigen, wo so viele Dinge am Scheideweg stehen. Der neue Bundespräsident hingegen war nicht klar, er hat laviert. Gleich zu Beginn kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, er wolle seinen „verunglückten“ Vorgänger trösten: „Ich danke... für die unnachahmliche Führung dieser Sitzung“. Gauck spricht in diesem Zusammenhang von einem „leuchtenden Beispiel“.

Das klingt verdächtig nach „einer Krähe hackt der anderen kein Auge aus“, doch lassen wir es als ehrlich gemeinte Wertschätzung durchgehen. Die Formulierung allerdings „...dass Politik Freude machen kann“ ist ein unsensibler Fehlgriff angesichts des real existierenden Selbstbedienungsladens für Politiker. Auf die Fragen, die Gauck zu Beginn seiner Rede polemisch stellt, gibt er keine Antworten. Obwohl gerade diese sehr interessant gewesen wären. „Geht die Schere zwischen Arm und Reich weiter auf? Verschlingt uns die Globalisierung? Werden Menschen sich als Verlierer fühlen, wenn sie an den Rand der Gesellschaft geraten? Hat die europäische Idee Bestand?“ Ja, Herr Gauck, das würden wir auch gern wissen!

Freiheit und Gerechtigkeit

Joachim Gauck erkennt angesichts der von den Medien täglich verbreiteten Angst-Nachrichten richtig: „Mein Lebensthema Freiheit ist dann... keine Verheißung... sondern eine Verunsicherung.“ Wie wahr, wie wahr. „Ängste vermindern...Mut... und Selbstvertrauen.“ Richtig. Und er erkennt einen Zusammenhang zwischen Freiheit und Gerechtigkeit. Auch richtig. Was er vergisst: Viele Menschen fühlen sich in diesem Land weder frei noch gerecht behandelt. Das heißt nicht, dass beides nicht vorhanden wäre. Es ist nur bei vielen nicht im Bewusstsein. Um das zu erreichen braucht es mehr Begeisterung als in Gaucks Worten zu finden war. Dieses Thema hätte es verdient, ausführlicher behandelt zu werden. Überhaupt ist der Gerechtigkeitsabschnitt in Gaucks Rede besonders verwirrend. Man hat das Gefühl, hier wurden Phrasen und akzeptierte Allgemeinplätze aneinandergereiht um, sorry, zu füllen.

„Wenn die Zahl der Menschen wächst, die den Eindruck haben, ihr Staat meine es mit dem Bekenntnis zu einer gerechten Ordnung in der Gesellschaft nicht ernst, sinkt das Vertrauen in die Demokratie.“ Was für eine Feststellung! Dieses Vertrauen sinkt seit vielen Jahren. Die Frage lautet ja deshalb schon lange: Wie kann dieses Vertrauen wieder hergestellt werden? Gaucks von ihm hochgelobter Amtsvorgänger hat jedenfalls nichts dafür getan. Und Gauck bleibt die Antwort auf diese Frage schuldig.

Fromme Wünsche

Der neue Bundespräsident beschwört auch die Vergangenheit der Deutschen herauf, erinnert an die Errungenschaften der Nachkriegszeit. Recht hat er, das Nazi-Trauma anzusprechen, auf dass es endlich abgelöst werde durch ein neues Selbstbewusstsein. Doch er bleibt dabei halbherzig, vermeidet klare Worte. Dabei ist das eines der wichtigsten Themen der Deutschen. So gut aufgearbeitet, wie Gauck an anderer Stelle seiner Rede behauptet, ist diese Zeit nämlich nicht. Mag sie als Volk genügend gesühnt sein, doch die private Trauer, die private Scham und das private Schuldgefühl in den Nachkommen existiert noch im Stillen und kommt hier und da zum Ausbruch, nicht zuletzt in neonazistischen Aktivitäten. Hier hat Gauck eine große Chance verpasst, Wesentliches klar und eindeutig an- und auszusprechen. Offenbar ist es ihm selbst nicht bewusst. Die Aussage hingegen „Euer Hass ist unser Ansporn...“ an die Adresse der Radikalen klingt wie eine Provokation. Möge sie von diesen nicht so verstanden werden!

Insgesamt kommt die Rede bieder daher, voller frommer Wünsche, gut gemeint, aber ohne jeden Schwung. Es fehlt die Begeisterung, die Menschen mitzureißen vermag. Dafür braucht es kraftvolle Worte voller Spirit. Ich denke, das ist es, was man von einem Staatsmann erwarten darf, der Gauck ja nun sein will. Er appelliert an die Menschen, Zuversicht zu haben. Doch er selbst vermag sie nicht wirklich zu vermitteln.

Uta Pleißner - Die Macht unserer Kommunikation

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