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Aidshilfe NRW gegen Bestrafung von Freiern, Pflichtuntersuchungen und Kondompflicht

Landesverband berät über aktuelle politische Entwicklungen zur Sexarbeit

Köln, 23. Oktober 2014 - Die Aidshilfe NRW lehnt die Bestrafung der Freier von Zwangsprostituierten ab, wie sie von Union und SPD geplant wird. Damit sieht sie sich im Einklang mit den Empfehlungen des Runden Tisches Prostitution NRW, der vor zwei Wochen die Ergebnisse seiner vierjährigen Bera- tungen vorgestellt hat. „Die wenigsten Kunden werden in der Lage sein, die Situation der jeweiligen Sexdienstleistenden realistisch einzuschätzen“, erklärte Markus Willeke, Geschäftsführer der AIDS-Hil- fe Essen und Vertreter der Aidshilfe NRW am Runden Tisch. „Die Gefahr einer Fehlinterpretation ist viel zu groß. Zudem erzeugt eine solche Strafandrohung Unsicherheit zu Lasten der Prostituierten“, sagte Willeke. „Die Freier können wichtige Partner bei der Bekämpfung von Zwangsprostitution sein. Oft sind es gerade sie, die den Behörden wichtige Hinweise geben oder die Sexdienstleistenden ermu- tigen, Anzeige zu erstatten. Daher ist die geplante Strafvorschrift unnötig und kontraproduktiv.“

Gegen verpflichtende regelmäßige Untersuchungen von in der Sexarbeit Tätigen setzt die Aidshilfe NRW Professionalisierung und Empowerment. „Die Verantwortung für die eigene Gesundheit hängt vom Grad der Selbstbestimmung ab“, so Peter Struck, Vorstandsmitglied der Aidshilfe NRW. „Pflichtun- tersuchungen widersprechen dem Prinzip der Stärkung von Selbstbestimmung und Eigenverantwor- tung, wie es bei uns seit vielen Jahren in der HIV-Prävention angewandt wird.“ Ähnliches gilt aus Sicht der Aidshilfe auch für die rechtliche Verpflichtung zur Verwendung von Kondomen, wie sie in Bayern und im Saarland besteht. „Eine Kondompflicht beim Verkehr mit Sexarbeiterinnen oder Sexarbeitern macht aus epidemiologischen Gesichtspunkten definitiv keinen Sinn. Es fehlt zudem an angemesse- nen Kontrollmöglichkeiten, denn ‚Lockvögel‘ der Polizei, die sich als Freier ausgeben, sind abzuleh- nen“, erläuterte Struck. „Sicher wird eine Kondompflicht die Nachfrage nach ungeschütztem Sex nicht verhindern.“

Der Runde Tisch Prostitution hat auch Impulse für die von der Bundesregierung geplante Reform des umstrittenen Prostitutionsgesetzes von 2002 gesetzt. Die in der Neufassung vorgesehene Anmelde- pflicht für Prostituierte etwa lehnen die Expertinnen und Experten von Ministerien, Beratungsstellen, dem Landeskriminalamt und den Kommunen sowie der Aidshilfe NRW ebenso ab wie eine Herauf- setzung des Mindestalters für Sexarbeiterinnen auf 21 Jahre. Für die häufig vertretene These, der Menschenhandel habe mit dem rot-grünen Gesetz von 2002 zugenommen, konnte der Runde Tisch keine Belege liefern.

Zu den aktuellen Entwicklungen zur Sexarbeit in der Landes- und Bundespolitik beraten an diesem Samstag die Delegierten der Mitgliederversammlung der Aidshilfe NRW in Bochum. Zu Beginn der Beratungen wird die Oberbürgermeisterin der Stadt Bochum, Dr. Ottilie Scholz, ein Grußwort an die Aidshilfe richten. Außerdem diskutiert der Verband seine Haltung zum Rauschmittelkonsum und wählt einen neuen Landesvorstand. (25. Oktober 2014, 12.00 bis 17.00 Uhr, Jahrhunderthaus, Alleestraße 80, 44793 Bochum.)