Tausende Kinder werden ausgestossen und vernachlässigt
HIV und Aids in Russland
Hauptübertragungsweg sind infizierte Spritzen. Die meist drogensüchtigen Frauen lassen die Kinder nach der Entbindung in den Kliniken zurück, weil sie ohne Hilfestellungen der Mutterschaft völlig überfordert gegenüber stehen. Nach Schätzungen von Voronin werden bald Tausende dieser Kinder landesweit die Kliniken füllen. Für die Neugeborenen der Beginn einer Kindheit ohne Zuwendung, Fürsorge und Förderung.
Detlef Hiller, Leiter der Osteuropa-Abteilung der Kindernothilfe: "Bei meinem Besuch in St. Petersburg habe ich eine Station mit 25 Kindern besucht. Einige von ihnen waren bereits seit 18 Monaten dort. Niemand kümmerte sich um sie. Einige ältere wurden aus dem Bettchen geholt und krabbelten über den dunklen Flurgang. Eine Mitarbeiterin erzählte mir, dass man im Sommer versucht habe, die Bettchen einiger Kinder in einen sonnendurchfluteten Raum zu stellen. Das gab ein solches Geschrei, dass man sie wieder zurückholen musste. Die Kinder hatten die Sonne noch nie gesehen und hatten Angst vor der Helligkeit."
18 Monate dauert es in der Regel, bis man mit einem Antikörper-Test bei Neugeborenen nachweisen kann, ob sie selber infiziert sind oder nicht. In der Regel bleiben die Kinder aber die ersten drei Lebensjahre auf diesen Stationen. Angst regiert in Russland, wenn es um HIV und Aids geht, so Voronin. Aus Unkenntnis über die Infektionswege und mangelnde Aufklärung behandelten die meisten Pflegekräfte die zurückgelassenen Kinder wie Unberührbare. Dabei sind nur rund ein Drittel aller Neugeborenen einer HIV-infizierten Mutter selber mit dem Virus infiziert. Die Kindernothilfe unterstützt mehrere Projekte für behinderte, verwahrloste und obdachlose Kinder in St. Petersburg. Zur Zeit recherchiert sie Hilfsprojekte für die auf den Säuglingsstationen zurückgelassenen Mädchen und Jungen.