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Chinesische Kampfkunst: Trainingsmethoden und ihre Bedeutung

Die Inneren Kampfkünste als Weg des spirituellen Kriegers

Die Inneren Kampfkünste als Weg des spirituellen Kriegers. Teile II der Serie über die Chinesische Kampfkunst.Gongfu bedeutet sinngemäß: Meisterschaft durch Arbeit zu erreichen. Das Training der Inneren und auch der äußeren chinesischen Kampfkünste führt somit zu einer Vielzahl an Fähigkeiten, wenn es korrekt und ernsthaft betrieben wird. Bei der Entfaltung dieser Eigenschaften ist zum Einen die Qualität des vermittelten Wissens von entscheidender Bedeutung, zum anderen der Fleiß und die geistige Arbeit des Praktizierenden. Hartes Üben führt ohne ständiges Hinterfragen und Ausprobieren in der Praxis nur zu unzureichenden Erfolgen. Es ist wie in jeder Kampfkunst: egal, was man macht – es muss in der Realität funktionieren. Die Anwendung hat immer Recht. Durch kunstvolles Formentanzen ohne das Verständnis der Anwendungen und ihrer energetischen Bedeutungen erlangt man kein echtes Gongfu.

Das Bewusstsein und seine Weiterentwicklung spielt dabei eine entscheidende Rolle. Begabung ist zwar das Startkapital, spielt aber im Laufe der vielen Trainingsjahre eine zweitrangige Bedeutung. Die im Folgenden aufgeführten Methoden, mit denen inneres Gongfu entwickelt wird, entfalten nur in ihrer Einheit ihre volle Wirksamkeit. Ein guter Lehrer ist ebenso unerlässlich wie das eigene ständige Ausprobieren der Techniken auf ihre Wirksamkeit, was nicht nur im martialischen Sinne sein muss.

In den chinesischen Kampfkünsten wird vor allem der richtige Stand intensiv geübt

Standübungen

Standübungen gibt es in allen chinesischen Kampfkünsten, wobei jede ihre eigenen dabei bevorzugten Stände hat. Im Taijiquan ist vor allem das Stehen im Taiji Zhuang (Zhan Zhuang) in der Reiterstellung (Mabu Zhuang) gebräuchlich, oft als „Baum stehen“ oder „Baum umarmen“ (aufgrund der dabei nach innen gerundeten Arme bezeichnet, die vor dem Körper gehalten werden). Dabei wird vor allem am Anfang meist hoch (gao) geübt, später auch mitteltief (zhong) und tief (di), wie es bei vielen äußeren Stilen von Anfang an praktiziert wird.

Im Xingyiquan ist Santishi mit einer stärkeren Gewichtung auf das hintere Bein üblich, wobei der Schüler gleich die drei äußeren Harmonien, d.h. die Verbindung von Hand und Fuß, Ellbogen und Knie sowie Schulter und Hüfte ebenso verinnerlicht wie die drei Spitzen Zehen, Finger und Nase, die eine Einheit bilden. Später kommen neben Atemübungen noch weitere hinzu.

Im Baguazhang wird vor allem das Stehen und Laufen im Kreis in den Acht traditionellen Handhaltungen (Badazhang) geübt, wodurch vor allem Beine und Rumpf durch die gezielte Dysbalance erheblich gekräftigt werden. Es werden Beweglichkeit, Kraft und die Rotationsachse entwickelt, die für die späteren Drehungen eine unverzichtbare Voraussetzung darstellen. Die dabei entwickelte Fähigkeit eines schnellen Sinkens und Lösens erhöhen die Geschwindigkeit auch in den anderen Stilen.

Damit das Qi dem Willen des Geistes folgen kann, muss dieser vor allem klar und ruhig sein. Frei von Ballast und unnötigen Gedanken und Ablenkungen. Stärke entsteht aus einer klaren durchgehenden unverkrampften Linie. Das wird beim Stehen auf allen Ebenen geübt. Dabei sollte man einen wichtigen Unterschied beachten: der Geist ist ein scharfes Schwert, dessen Klinge poliert und geschliffen wird, wenn man bewusst damit arbeitet. Wenn man die inneren Kampfkünste „nur zur Entspannung“ übt, schadet man der Kunst und kommt auf dem Weg nicht weiter. Zwischen Erwachen und Betäubung kreuzt sich die Weggabel. Die Entfaltung der vollen Schönheit und Kraft dieser Künste mit ihrem Potential zur Erweckung und Stärkung des ganzen Menschen verlangt Respekt, Hingabe und die Bereitschaft, an sich zu arbeiten und zu lernen. Es ist kein Kuchen, aus dem man sich einzelne Rosinen herauspicken kann ohne dass dieser wichtige Teile seiner Botschaft verliert.

Das längere Üben des Stehens hat neben der Kräftigung insbesondere der Beine auch die Aufgabe, es dem Schüler, leichter als während der Bewegungen, zu ermöglichen, Geist und Körper systematisch von allen unnötigen Spannungen zu befreien und ihm zu helfen, seine Struktur zu finden. Die Herstellung der Verbindung von Erde und Himmel im Zusammenhang mit einem Aspekt der Sancai- den 3 Erscheinungen Tiandiren: Himmel, Erde, Mensch- wird vor allem nach unten durch das Absinken vom Huiyin-Punkt zwischen Geschlechtsorganen und After sowie das Öffnen vom Yongquan hinter den Fußballen und nach oben durch die entspannte Streckung des Körpers hin zum Baihui auf der Schädeldecke ermöglicht. Die Verbindung dieser Punkte wird nach außen hin durch den kleinen und großen Energiekreislauf (Xiaozhoutian und Dazhoutian) und innerlich u. a. auch durch den Kanal in der Wirbeläule , hergestellt, der vor allem im Yoga eine wichtige Rolle als zentraler Energiekanal namens Sushumna spielt.

Bedeutsam ist vor allem der direkte Kanal zwischen Huiyin und Baihui, der durch die Organe zentral nach oben geht. Später wird auch die Verbindung zum Laogong-Punkt in der Handfläche geschaffen, der auf dem Perikard-Meridian liegt, dessen Ausläufer sich im Tanzhong-Punkt, dem Zentrum des mittleren Energiefeldes (Zhong Dantian) mit Renmai dem Kanal auf der Zentrallinie der Vorderseite treffen. Hemmende Muskelanspannungen, Blockaden und Verzerrungen des Kraft- und Energieflusses können zunächst leichter im Stehen gelöst werden. Die inneren Kraftlinien des jeweiligen Standes werden wahrgenommen, von Ballast befreit und immer stärker entfaltet, sodass sich die Energie im gesamten Körper aufbauen kann. Der Geist kann weit mehr als nur die Stärke eines Tigers entwickeln.

Zusammengefaßt kann man sagen: Stehübungen dienen in den Inneren Chinesischen Kampfkünste dem Finden des eigenen Zentrums und der Entwicklung der Basis des Kraft- und Qiflusses.

Viel Kopf.- und Feinarbeit sind für die Übungen nötig

Weitere Basisübungen

Das Üben der Prinzipien gelingt zunächst leichter, wenn man sich auf eine oder wenige Bewegungen konzentriert, die unsere Aufmerksamkeit fordern, da man so den Kopf mehr für Feinarbeit frei hat.

Solcherart Übungen gibt es zu viele, als dass man sie einzeln aufzählen kann. Allen Kampfkünsten gemeinsam ist das anfängliche Üben der Schrittarbeit und des Öffnens der Gelenke, insbesondere von Schulter und Hüfte. Die Beine tragen den Rumpf, stellen also die Basis für jede Bewegung dar. Die Hüfte überträgt diese Kraft in den Rumpf oder auf das jeweilige andere Bein, wobei sie sich bei jeder Bewegung Millimeter für Millimeter neu justieren muss.

Das Ausdehnen des Qi im Taijiquan, das Entwickeln von Pengjing, der anschwellenden Kraft, wird in Kombination mit der seidenspulenden Kraft Chansijin in den Übungen des Chansigong entwickelt. Auf gutem Niveau fließt bei jeder Kampfkunst die Energie spiralig in die Bewegung – von den Füßen durch alle Gelenke bis zu ihrem Endpunkt. Deren Anzahl, Komplexität und auch Ausführung variiert je nach Schule. Als oberstes Kriterium gilt wie bei jeder Kampfkunst auch hier, dass die Technik in ihrer Wirkung durch das Training nachweislich effektiver werden muss. Über Metaphysik und Energie kann man viel reden, solange die Kraft die am Ende entsteht, nicht stärker wird.

Das Stärken der 5 wichtigen inneren Organe Herz, Leber, Milz, Lunge und Nieren sowie der 5 energetischen Entsprechungen, der 5 Elemente bzw. Erscheinungen Wuxing Feuer, Holz, Erde, Metall und Wasser wird durch das Üben der 5 Basisformen Wuxingquan des Xingyiquan gezielt betrieben. Erst durch deren Entfaltung und Verständnis wird eine Kampfkunst innerlich, wodurch sie auch äußerlich wirkungsvoller wird. Bereits hier übt der Schüler, eine enorme Energie in seinen Schlägen und Tritten zu entwickeln, für die Xingyiquan neben seinem absoluten Minimalismus berühmt ist. Die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade. Man geht nur zurück oder zur Seite um sofort wieder nach vorn zu schlagen.

Die Handhaltungen, die Griffe und Abwehrübungen erfordern eine hohe Konzentration

Neben den 8 Handhaltungen im Baguazhang, deren intensives Training überaus wichtig ist, gibt es eine Reihe von Basisübungen, die dem Schüler helfen, die Drehungen und Wendungen im Zusammenhang mit Hand-und Schrittwechsel zu üben. Das Beherrschen der Rotation der Körperachse in Verbindung mit schnellen Richtungswechseln und Schritten sind es, die Baguazhang für den Kampf gegen mehrere Gegner so geeignet machen. Durch längeres Üben werden die Energie der Erde und des Kosmos spiralig in den Kreis im Zentrum geschraubt. Man kann in einen metaphysischen Zustand jenseits von Raum und Zeit eintauchen.

Abschließend sollte ein Spruch nicht unerwähnt bleiben: „Taiji de yao, bagua de bu, xingyi de jin, wudang de shen!“ – „Die Hüfte vom Taiji, der Schritt des Bagua, die Kraft des Xingyi und der Geist von Wudang!“ Das Training aller drei inneren Kampfkünste befruchtet sich in der Tat gegenseitig.

Mario Pestel - German Neijiaquan Association - Verband für Innere Chinesische Kampfkunst in Deutschland e.V." zur Webseite von Mario Pestel