Seite 1 bei Google kann so einfach sein.

Chemikalien und Übernutzung gefährden Nord- und Ostsee massiv

Gutachten des Umweltrates

Überfischung, Schadstoffeinträge, Eutrophierung und die intensive Nutzung der Meere durch Schifffahrt, Rohstoffabbau und Tourismus gefährden die Meeresumwelt von Nord- und Ostsee nach wie vor massiv. Ein wirksamer Meeresumweltschutz erfordert einschneidende politische Initiativen und grundlegende Korrekturen insbesondere in der Fischereipolitik, der Agrarpolitik und bei der Chemikalienregulierung. Dies ist die Bilanz des "Sondergutachtens zum Meeresumweltschutz", das der Sachverständigenra für Umweltfragen am Dienstag an Umweltminister Trittin übergeben hat. Zum Schutz der beiden Meere vor giftigen Chemikalien fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) neue Zulassungsverfahren und ein Verbot des Einsatzes gefährlicher Substanzen. Der Umweltverband kritisierte die Haltung der Bundesregierung, die den Eintrag gefährlicher Substanzen weiterhin der Selbstkontrolle der Chemieindustrie überlassen wolle.

Die massive Überfischung der kommerziell genutzen Fischarten hat viele Fischbestände dramatisch dezimiert, so das Gutachten des Umweltrates. So befinden sich die Kabeljaubestände in der Nordsee bereits seit mehreren Jahren weit unterhalb der sicheren biologischen Erhaltungsgrenze. Einige Arten, wie der Europäische Aal, drohen bereits auszusterben. Bedroht ist jedoch die gesamte ökologische Vielfalt der Meeresumwelt. Anhaltend hohe Phosphat- und Stickstoffeinträge insbesondere aus der landwirtschaftlichen Düngung führten zu übermäßigem Algenwachstum, zu Sauerstoffmangel, hohen Schwefelwasserstoffkonzentrationen und großflächigem Absterben bodennaher Organismen, so die Gutachter.

Ein Übriges zur Gefährdung der Meeresnatur tun die weiterhin hohen Konzentrationen zahlreicher Schadstoffe im Meerwasser und in den Sedimenten. Diese liegen auch heute noch deutlich über den meeresökologischen und ökotoxikologischen Unbedenklichkeitsschwellen - allen Rückgängen der Schadstoffeinträge zum Trotz. Viele Stoffe, die vom Menschen eingetragen werden, seien hinsichtlich ihrer Wirkungen und Risiken zudem noch kaum erforscht.

Der BUND forderte daher eine konsequente Minimierung und Vermeidung aller schädlichen Einträge. Besonders gefährdet sei das Meer durch langlebige Schadstoffe. Aufgrund ihrer Fähigkeit, in das Hormonsystem von Mensch und Tier einzugreifen seien vor allem die in Elektronikartikeln enthaltenen bromierten Flammschutzmittel zu nennen. Trotz des Rückgangs von Einträgen wie PCB und DDT nach jahrelangen Verboten ließen sich auch diese noch immer in erheblichen Konzentrationen in Meereslebewesen und Fischen nachweisen. Deshalb müssten alle Substanzen mit entsprechend hohem Gefährdungspotential aus dem Verkehr gezogen werden. Dies könne nur durch eine konsequente Reform der Chemikalienpolitik gelingen.

Rund ein Drittel der Chemikalien, die z.T. seit Jahrzehnten im Einsatz seien, hätten nie eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen. Die Industrie müsse sich endlich zu ihrer Verantwortung bekennen und die erforderlichen Sicherheitsdaten erheben und offen legen. Die Umweltschützer verlangen ein Ende des Eintrags gefährlicher Chemikalien in die Meere bis zum Jahr 2020, Zulassungsverfahren für langlebige und sich anreichernde Chemikalien und für solche mit hormoneller Wirksamkeit sowie ein konsequentes Verwendungsverbot für Gifte bei Vorliegen von Alternativen.