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Kölner Urteil heizt Debatte um Wehrpflicht an

DFG-VK rät zur späten Verweigerung

Das Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts vom Mittwoch, dass die Wehrpflicht willkürlich und daher rechtswidrig ist, hat die Debatte um die zukünftige Struktur der Bundeswehr angeheizt. Während sich die Grünen ebenso wie die Jusos durch den Richterspruch in ihrer Forderung nach einer Freiwilligenarmee bestätigt fühlten, wollten führende Sozialdemokraten in dem Kölner Urteil am Donnerstag keine Vorentscheidung für ein Ende der Wehrpflicht sehen. Die Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) forderte alle jungen Männer auf, erst einmal abzuwarten, ob die Bundeswehr ihnen eine Einberufung zusendet und erst dann einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen. Außerdem sollten sich alle Einberufenen vor Gericht wehren.

Das Kölner Verwaltungsgericht hatte die derzeitige Einberufungspraxis in einer Grundsatzentscheidung am Mittwoch als rechtswidrig bewertet. Derzeit werde nur noch weniger als die Hälfte aller wehrpflichtigen Männer zum Dienst heranzogen, erklärten die Richter. Dies verstoße gegen das Willkürverbot des Grundgesetzes.

Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs bezeichnete das Urteil als "unsinnig". Über die Wehrgerechtigkeit "entscheidet das Parlament", sagte er. Sein Fraktionskollege Hans-Peter Bartels betonte, wenn neue gesetzliche Regelungen gefordert seien, "dann müssen wir die eben schaffen".

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Willfried Penner (SPD), verwies darauf, dass in gleicher Sache mehrere Verwaltungsgerichte anders entschieden hätten. Er sagte, er habe nur wenige Eingaben von Wehrpflichtigen, die eine mangelnde Wehrgerechtigkeit beklagten.

Juso-Chef Niels Annen verwies darauf, dass die Zahl der Befürworter einer Freiwilligenarmee in der SPD stetig zunehme. Er zeigte sich daher zuversichtlich, dass SPD und Grüne am Ende der Legislaturperiode das Aus für die Wehrpflicht beschließen werden. Es könne auch nicht im Interesse der Bundeswehr sein, wenn die Einberufungspraxis rechtswidrig sei sagte Annen und sprach von einer "Wehrpflichtlotterie".

Der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas kündigte an, auf einem SPD-Kongress im Herbst zur Wehrpflicht "eine Entscheidung über deren Abschaffung" herbeiführen zu wollen. Niemand wolle Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) "jetzt offen in den Arm fallen", sagte Maas. Gleichwohl sei es "an der Zeit zu entscheiden".

Nach Einschätzung von Grünen-Fraktionsvize Winfried Nachtwei können die Einberufungsprobleme der Bundeswehr nicht im Rahmen der Wehrpflicht gelöst werden. Er plädierte daher für eine rasche Überprüfung der Wehrform. Seine Parteivorsitzende Angelika Beer forderte die Bundesregierung auf, den Ausstieg aus der Wehrpflicht voranzubringen und nicht auf eine Überprüfung des Kölner Urteils durch das Bundesverwaltungsgericht warten. "Wer sich auf Gerichte verlässt, macht seine politischen Hausaufgaben nicht", sagte Beer.

Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, mahnte gleichfalls eine politische Lösung der Wehrpflicht-Frage an. "Das muss nicht vor den Gerichten entschieden werden, sondern vom Parlament", sagte Gertz.

Selbst Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, wie Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) bisher immer ein Verfechter der allgemeinen Wehrpflicht, sagte auf der Jahrestagung der "Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik", die "Herstellung der Wehrgerechtigkeit" sei ein entscheidendes Kriterium für die künftige Sicherheitspolitik. Schneiderhan wies darauf hin, dass zwar an der Landesverteidigung festgehalten werde. Aber große Panzerarmeen seien nicht mehr nötig. Die Gefahren lägen vielmehr in der Bedrohung durch den um sich greifenden Terrorismus. "Deswegen verteidigen wir die Bundesrepublik am Hindukusch", sagte er und betonte: "Terror ist der Name unserer Bedrohung."

Die DFG-VK empfiehlt mit ihrer Kampagne "Mach's wie Dieter" Wehrpflichtigen bereits seit mehreren Jahren, erst einmal abzuwarten, ob die Bundeswehr ihnen eine Einberufung zusendet und erst dann einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen. "Alle Wehrpflichtigen, die sich bisher an der Dieter-Kampagne beteiligten, haben mit dem Kölner Urteil Recht bekommen", sagte der KDV-Experte der DFG-VK, Klaus Pfisterer. Seit Jahren werde höchstens jeder Zweite zur Bundeswehr einberufen, was das Verteidigungsministerium bislang immer bestritten hatte. "Wir können jedem Wehrpflichtigen nur raten, sich an der Dieter-Kampagne zu beteiligen oder vor Gericht gegen mögliche Einberufungen zur Bundeswehr zu klagen", empfahl Pfisterer.

Die DFG-VK forderte die rot-grüne Bundesregierung auf, noch in dieser Legislaturperiode das Ende der Wehrpflicht zu beschließen. Die Einberufungsquote - also der Anteil der tatsächlich zum Dienst Herangezogenen unter den tauglich gemusterten Wehrpflichtigen - werde weiter sinken, da inzwischen keine Wehrpflichtigen mit dem Tauglichkeitsgrad T 3 mehr zum Dienst herangezogen würden. Nach Einschätzung der DFG-VK dürften damit jährlich zusätzlich 50.000 Wehrpflichtige ihrer Dienstpflicht entgehen. "Nur noch eine Minderheit jedes Musterungsjahrgangs, also Pechvögel, freiwillig länger Dienende und die Kriegsdienstverweigerer, die zum Zivildienst herangezogen werden, müssen dann noch die Wehrpflicht erfüllen", meint KDV-Experte Klaus Pfisterer.