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General Motors verabschiedet sich von einem Drittel seiner Opel-Belegschaft

Wieder 10 000 Familien

Ein Teil der Gesellschaft verliert seine "normal" bezahlte Arbeit und damit sein normales soziales Gefüge. Der andere Teil, die verbleibenden Arbeitsplatzinhaber, dürfen vorläufig dankbar sein und länger arbeiten. Aktueller Tatort ist Rüsselsheim: Der Automobilhersteller Opel wird in den nächsten zwei Jahren in Deutschland fast 10 000 der 32 000 Arbeitsplätze "abbauen". 9500 sind es genau genommen. In ganz Europa will General Motors derzeit 12 000 Stellen streichen. Um das Wort Kündigung zu vermeiden, werden Abfindungen gezahlt und "Beschäftigungs und Qualifizierungsgesellschaften" gegründet. So wurde gemeinsam mit dem Betriebsrat eine "Lösung" gefunden, um einen Arbeitskampf zu vermeiden, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

Wie die "Financial Times Deutschland" schreibt, sollen die verbleibenden 22 000 Opel-Beschäftigten auf einen großen Teil ihrer übertariflichen Leistungen verzichten und teilweise länger arbeiten, um die Standorte in Deutschland zu sichern. Der Mutterkonzern General Motors erhoffe sich davon weitere Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich. Dem Betriebsrat in Bochum werden "undemokratischen Methoden und bürokratischen Tricks" vorgeworfen, die alles bisher Bekannte in den Schatten stellen würden.

Kern der Vereinbarung zwischen Management und Betriebsrat ist ein freiwilliges Abfindungsangebot, das sich an alle Beschäftigten richtet sowie die Gründung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften in Rüsselsheim, Bochum und Kaiserslautern. 6500 Mitarbeiter sollen in diese Beschäftigungs- beziehungsweise Qualifizierungsgesellschaften gehen oder eine Abfindung erhalten. Für 3000 Menschen ist Altersteilzeit vorgesehen oder ein Wechsel in "Kooperationen mit Zulieferern".

Management: "Erheblich verbesserte Chancen auf dem Arbeitsmarkt"

Nach Angaben des Unternehmens entfällt mit 5500 Stellen der in Deutschland betroffenen Großteil auf das Stammwerk in Rüsselsheim; in Bochum seien 3600 Arbeitsplätze betroffen, in Kaiserslautern 400. Die Opel Eisenach GmbH sei von den aktuellen Maßnahmen nicht tangiert.

Die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften würden "die Einkommen der betroffenen Mitarbeiter über einen Zeitraum von einem Jahr sichern". Durch Fortbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten sowie Vermittlungsinitiativen werden sich nach Angaben des Unternehmens "die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich verbessern".

Die Gesellschaften mit den Namen "MyPegasus" (Rüsselsheim, Kaiserslautern) und BAQ GmbH (Bochum) würden helfen, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

IG Metall: "Erster positiver Schritt in die richtige Richtung"

Als ersten positiven Schritt in die richtige Richtung hat der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, die Teileinigung zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der Geschäftsleitung der Adam Opel AG gewertet. "Es gibt bei Opel keine betriebsbedingten Kündigungen und keine Standortschließungen, das ist die wichtigste Botschaft an die Belegschaften", sagte Huber am Donnerstag in Frankfurt am Main.

Es sei zwar ein Zwischenerfolg, dass die Unternehmensleitung von ihrer ursprünglichen Planung, 10 000 Arbeitsplätze abzubauen, abrücken musste, aber "die jetzt im Raum stehende Zahl" von 6500 sei "trotzdem zu hoch".

Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel und Arbeitsministerin Silke Lautenschläger (beide CDU) nannte die Einigung laut "Frankfurter Rundschau" eine "schmerzliche, aber für alle Seiten akzeptable Lösung". Der Oberbürgermeister von Rüsselsheim, Stefan Gieltowski (SPD), habe erleichtert reagiert: "Weder bei Opel noch in der Stadt selbst werden die Lichter ausgehen."

Der Vorstandsvorsitzende der Adam Opel AG, Hans H. Demant, sagte, niemandem seien diese Einschnitte leicht gefallen. Der "begeisterte Hobbyfotograf" meint, langfristig würden sie Opel aber zu neuen Erfolgen führen. Die gemeinsam vereinbarten Maßnahmen würden "unsere Wettbewerbsfähigkeit in der Automobilbranche wiederherstellen und unsere Produkt- und Qualitätsoffensive weiter beschleunigen".

IG Metall: "Wir müssen noch weiter runter"

"Wir müssen noch weiter runter", betonte Huber von der IG Metall. Die vereinbarten freiwilligen Abfindungsregelungen sowie die Gründung einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft würden den Menschen unter den gegebenen Umständen eine gewisse Sicherheit auf Zeit geben.

Nach Informationen der "Financial Times Deutschland" will General Motors bis März entscheiden, wo die nächste Generation des Opel-Mittelklassemodells Vectra gebaut wird: in Rüsselsheim oder bei der schwedischen GM-Tochter in Trollhättan. Damit Rüsselsheim den Auftrag erhält, verlangt das Management, dass die Opel-Beschäftigten, die bislang rund 20 Prozent mehr verdienen als im Flächentarif, auf diese Zulagen weitgehend verzichten und mehr arbeiten.

Für unerlässlich hält auch IG Metall-Vorstand Huber von der IG Metall, dass jetzt konkrete Investitionspläne und Produktentscheidungen verhandelt werden, die die Beschäftigung an den Opelstandorten "nachhaltig" sichern. "Wir haben das rettende Ufer noch nicht ganz erreicht. Wir müssen uns in den nächsten Wochen auf weitere harte Auseinandersetzungen mit dem Unternehmen einstellen, um Lösungswege zu konkretisieren und weiter auszubauen", betonte Huber.

Vertrauensmann: "Einer hat dagesessen und geweint"

Andreas Kunstmann warf im Oktober in einem Beitrag auf der "World Socialist Web Site" der IG Metall und den Opel-Betriebsräten vor, mit "undemokratischen Methoden und bürokratischen Tricks" einen Abbruch des Streiks in Bochum herbeigeführt zu haben. Auf einer Belegschaftsversammlung am 20. Oktober in der RuhrCongress-Halle hätten die 8000 anwesenden Belegschaftsmitglieder Sprechverbot erhalten. Es habe weder eine Aussprache noch Diskussion stattgefunden. "Reden durften nur drei ranghohe Funktionäre": Der Betriebsratsvorsitzende, sein Stellvertrter und der örtliche IG-Metall-Bevollmächtigte. Sie beschworen die Arbeiter, ihre "Verantwortung" wahrzunehmen, schreibt Kunstmann.

Um das Diskussionsverbot durchzusetzen, die drei Funktionäre zu schützen und zu verhindern, dass sich ein Belegschaftsmitglied des Mikrofons bemächtigte, sei das Podium vom konzerneigenen Werksschutz bewacht worden. Ohnehin sei die damalige Arbeitsniederlegung von der Belegschaft ausgegangen und gegen den Willen der IG Metall erfolgt. Befürworter des Streiks seien auf der Versammlung von den Betriebsräten als Gegner von Verhandlungen dargestellt worden - wie dies zuvor auch das Unternehmen tagelang getan hätte.

Ein großer Teil der Versammlungsteilnehmer sei "angesichts des öffentlichen Drucks", einem "öffentlichen Trommelfeuer der Bundesregierung, der Landesregierung, der SPD, der IG Metall und der Betriebsräte", bereits in Erwartung auf einen Abbruch des Streiks zur RuhrCongress-Halle gekommen. Üblicherweise stehen nach Angaben von Kunstmann bei Belegschaftsversammlung auch im Saal Mikrofone, "damit sich die Kollegen dorthin begeben und mit diskutieren können. Aber heute gab es nur das Mikrofon auf der Bühne, auf der die Betriebsräte saßen."

Auf die Frage nach der Stimmung in der Halle soll Opel-Vertrauensmann Uli Schreyer gesagt haben: "Es gab verschiedene Reaktionen. Als die Kollegen die Fragestellung gesehen hatten, waren sie total enttäuscht. Einer hat da gesessen und geweint. Es herrscht eine ziemliche Anspannung in der Belegschaft, wir machen alles selbst. Unterstützung erhalten wir von der Bevölkerung, die uns verpflegt. Die Gewerkschaften und Betriebsräte arbeiten gegen uns."