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Ratzinger und andere

Spekulationen in Deutschland über die Nachfolge von Papst Johannes Paul II.

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Papst Johannes Paul II. ist am Samstag gestorben. Jetzt wird über nicht nur in Rom über einen Nachfolger spekuliert. Dabei nennen Kirchen-Experten und Vatikan-Korrespondenten immer wieder den Namen des deutschen Kurienkardinals Joseph Kardinal Ratzinger. Der frühere Erzbischof von München und Freising leitet seit über 23 Jahren die einflussreiche Glaubenskongregation. Ratzinger zählte zu den engsten und loyalsten Vertrauten von Johannes Paul II., ist intimer Kenner der Machtverhältnisse innerhalb der Kurie und verfügt über ein in Jahrzehnten gewachsenes Netzwerk aus Kontakten und Verbindungen.


Doch der bekennend konservative Kirchenmann hat ein großes Manko: Sein Alter. Am 16. April wird der Kardinal 78 Jahre alt, ein Umstand, der ein Pontifikat mit nur absehbarer Dauer wahrscheinlich macht. Außerdem gilt Ratzinger seit langem als amtsmüde und setzte sich selbst für einen afrikanischen Papst ein.

Wahlberechtigt sind derzeit 117 Kardinäle, unter ihnen sechs aus Deutschland. Die ganz überwiegende Anzahl von ihnen ist von Johannes Paul II. berufen worden, der damit auch die Weichen für seine Nachfolge gestellt hat. Die Ausrichtung auf ein konservativ geprägtes Konzil könnte Kandidaten wie Ratzinger und dem Kölner Joachim Kardinal Meisner entgegenkommen.

Auch für Meisner spricht die streng konservative Ausrichtung und die enge persönliche Bindung zu Johannes Paul II. Zudem ist der Kölner Oberhirte in Rom wesentlich angesehener als in seiner Heimatdiözese, wo er unter anderem mit seinem Vergleich zwischen Abtreibungen und dem Holocaust für wochenlange Aufregung gesorgt hat. Mit 71 Jahren ist Meisner zudem im "besten Papstalter". Allerdings hält man ihm einen Mangel an Charisma und wenig Fortune bei öffentlichen Auftritten vor.

Auch der frühere Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Walter Kasper, ist in Rom hoch angesehen. Er wurde 1999 vom Papst zum Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen ernannt.

Andere potenzielle Bewerber aus Deutschland wie der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, scheinen dagegen chancenlos. In Rom hat man nicht vergessen, dass sich der eher liberale Lehmann in der Abtreibungsfrage nur widerwillig dem Papst gebeugt hat.

Für das in spätestens 20 Tage beginnende Konklave sagen Insider einen Machtkampf zwischen den italienischen Kardinälen und der lateinamerikanischen Fraktion voraus. 1978 war die Wahl von Karol Wojtyla nur durch die Uneinigkeit der italienischen Kardinäle möglich geworden. Die Jahrhunderte zuvor hatten die italienischen Kardinäle die Papstfrage stets unter sich ausgemacht.

Im Jahr 2005 werden die Karten aber anders gemischt. Die Akzeptanz der katholischen Kirche in Europa und den USA lässt nach, während der katholische Glaube in Südamerika und Afrika weiterhin floriert. Ein junger Papst aus diesen Regionen könnte wichtige Akzente setzen und die Gesamtkirche stabilisieren. In Südamerika standen Gläubige und Klerus bislang loyal zu Rom, auch bei umstrittenen Themen wie der Sexuallehre. Grund genug für einen Bewerber aus Lateinamerika, selbstbewusst in die Papstwahl zu gehen.

Die weitere Variante wäre möglich, wenn sich die Kardinäle nach dem drittlängsten Episkopat in der Geschichte des Papsttums für eine Übergangslösung entscheiden. Dann würde das fortgeschrittene Lebensalter von Bewerbern wie Ratzinger oder des bei den Gläubigen ungemein beliebten Pariser Erzbischofs Jean-Marie Lustiger keine Rolle mehr spielen. Der Tod von Johannes Paul II. bedeutet zweifellos eine Zäsur für die katholische Kirche, ein "Zwischenpapst" würde erst einmal Ruhe und Kontinuität gewährleisten.

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