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Beiräte von Unternehmen "letzte Bastion der legalen Bestechung"

Politiker-Nebentätigkeiten

Wenn der Beirat der Hamburg-Mannheimer Versicherungs AG sich einmal jährlich im Sitzungssaal seines Hamburger Geschäftsgebäudes trifft, ist die Atmosphäre eher entspannt. Die Anwesenden lauschen Vorträgen des Gastgebers zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens oder zur Auslandsstrategie der Konzernmutter. Zum Schluss folgt der Punkt "Verschiedenes". Nach insgesamt rund drei Stunden geht man dann zum angenehmen Teil über: Das Unternehmen bittet zu Tisch. Für Beiräte wie FDP-Chef Guido Westerwelle, CDU-Präsidiumsmitglied Volker Rühe oder den SPD-Wirtschaftsexperten Rainer Wend ist das Treffen nicht nur aus kulinarischer Sicht lohnenswert. Jedes Beiratsmitglied erhält 8000 Euro im Jahr.

Offiziell soll der Beirat den Aufsichtsrat und Vorstand der Hamburg-Mannheimer in wichtigen Wirtschaftsfragen beraten. Doch was der Oberstudienrat Rühe oder die Anwälte Wend und Westerwelle in dem 14-köpfigen Beirat an Expertise einbringen können, dürfte schon angesichts der kurzen Sitzungsdauer eher gering sein. Die Versicherung allerdings nimmt es mit der Gegenleistung ihrer Beiratsmitglieder nicht so genau. Selbst wenn Mitglieder zu der einzigen Sitzung nicht erscheinen - laut Hamburg-Mannheimer fehlt im Durchschnitt jeder Fünfte - fließt das Geld. Schließlich ist es offiziell ein Jahreshonorar.

Diese Praxis der Hamburg-Mannheimer ist keine Ausnahme. Die Hamburger verweisen auf andere Versicherungen. Dazu zählt die Barmenia. Ihr Beirat trifft sich in der Regel einmal im Jahr. Sie bezahlt den Mitgliedern des Gremiums satte 3000 Euro plus Reise- und Übernachtungskosten. Auch hier sind Bundestagsabgeordnete prominent vertreten: FDP-Mann Detlef Parr (Mitglied des Sportausschusses), der CDU-Sozialpolitiker Andreas Storm und seine Fraktionskollegin Hildegard Müller. Laut Vertrag mit der Barmenia gehört es zu ihren Aufgaben, "den Versicherungsgedanken in der Öffentlichkeit zu fördern". Dutzende Politiker sitzen in Beiräten, darunter SPD-Urgestein Hans-Ulrich Klose, FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt, der frühere Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) oder der Ex-Bundesminister für Verkehr Matthias Wissmann (CDU).

Bisher bewegt sich diese einträgliche Symbiose zwischen Wirtschaft und Politikern in einer paradiesischen Grauzone. Die Beiräte tragen keinerlei Verantwortung, kassieren aber traumhafte Bezüge. Hans-Peter Schwintowski, Wirtschaftsrechtler an der Berliner Humboldt-Universität, bezeichnet solche Beiräte schlicht als "Honorationsveranstaltung". Schwintowski: "Die Aufgaben eines Beirats sind nicht rechtlich fixiert. Beiräte haben weder Entscheidungsbefugnisse noch haften sie. Es gibt praktisch keine Rechenschaftspflicht." Zwar gebe es viele Beiräte, die wichtige Aufgaben erfüllen, häufig ohne Entschädigung. Doch bei größeren Firmen gehe es, so Schwintowski, um etwas anderes: Sie wollen sich das Renommee ihrer Beiratsmitglieder sichern und sie durch finanzielle Großzügigkeit einbinden.

Dieses Geben und Nehmen spielt sich weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Für die Firmen besteht keine Veröffentlichungspflicht. "Und die Verhaltensregeln des Bundestages verlangen keine klare Darstellung der Gegenleistung von Volksvertretern in solchen Gremien", beklagt Schwintowski. Dass die Abgeordneten nicht belegen müssen, ob und wie viel sie für ihr Geld arbeiten, sieht er als einen schweren Fehler.

Nach Meinung von Dieter Birk, Professor für öffentliches Recht an der Universität Münster, können solche Zustände Politiker in den Ruch der Bestechlichkeit bringen. "Wenn ein Bundestagsabgeordneter als Beirat Geld ohne eine echte Gegenleistung annimmt, dann kann man das als Vorstufe zur Korruption bezeichnen. Damit erkauft sich das Unternehmen die Nähe zur politischen Macht", urteilt Birk. Selbst wenn ein Politiker sein Honorar spende, sei dies keine Entlastung: "Das ist völlig egal. Worauf es ankommt ist: Der Politiker kann mit dem Geld tun und lassen, was er will."

Auch der Düsseldorfer Parteienforscher Thilo Streit hält diese Zustände für höchst bedenklich: "Das geht in die Nähe der eigentlich verbotenen Beraterverträge." Streit verweist auf Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, wonach Politiker ohne Gegenleistung keine Honorare erhalten dürfen. Sein Kollege Peter Lösche von der Universität Göttingen konstatiert: "Da entsteht der Verdacht der Beeinflussung." Lösche plädiert daher für neue Regelungen, die zu mehr Transparenz führen. Die Chancen dafür stehen aber eher schlecht. Lösche: "Es gibt einen parteiübergreifenden Konsens darüber, diesen Bereich nicht im Sinne von mehr Durchschaubarkeit neu zu regeln." Das bestätigt indirekt der SPD-Politiker Wilhelm Schmidt. Er ist Mitglied im Ältestenrat und gehört einer Kommission an, die über mögliche neue Verhaltensregeln berät. Offenbar mit wenig Verve: "Ich erlebe dort eine große Zurückhaltung und keine engagierte Mitarbeit." So bleibt es, wie es ist. Die meisten Politiker und Firmen geben auf Fragen keine konkreten Antworten.

Dafür hat der Fraktionschef der Grünen in Niedersachsen, Stefan Wenzel, kein Verständnis. Er fordert schärfere Gesetze zu Nebenverdiensten von Politikern. "Beiräte sind die letzte Bastion der legalen Bestechung geworden", moniert er. Bisher haben Politiker wenig zu fürchten. Potenzielle Kritiker sind oft in das System eingebunden. Bei der Hamburg-Mannheimer etwa saß neben den Politikern Westerwelle, Rühe und Wend ein selbsternannter Oberkontrolleur der Politik am Tisch: Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler. Auch er kassierte mit.