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Verfassungsgericht verlangt Maßnahmen gegen Spielsucht

Staatliches Monopol verfassungswidrig

Die Bundesländer müssen bis Ende 2007 den Bereich der Sportwetten neu regeln und "unverzüglich" die Spielsucht aktiv bekämpfen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag entschieden. Das staatliche Sportwettenmonopol dürfe nur dann bestehen bleiben, wenn die Lotterieverwaltungen "umgehend" vor Suchtgefahren des Wettens warnen und jede Werbung einstellen, die "gezielt zum Wetten auffordert". Der Erste Senat erklärte das staatliche Monopol für die Oddset-Sportwetten in seiner gegenwärtigen Form für verfassungswidrig, weil eine "effektive Suchtbekämpfung" nicht sichergestellt sei. Nur diese könne aber den Ausschluss privater Veranstalter rechtfertigen. Die Oddset-Sportwette werde derzeit wie eine "grundsätzlich unbedenkliche Freizeitbeschäftigung" vermarktet, rügte das Gericht.

Grundsätzlich könnten mit dem Wettmonopol die Suchtgefahren aber "effektiver beherrscht werden als im Wege der Kontrolle privater Wettunternehmen", heißt es in dem 74-seitigen Urteil. In der Übergangszeit dürfe die Veranstaltung von Sportwetten durch private Anbieter "weiterhin verboten" werden. Die Richter weisen darauf hin, dass eine Neuregelung nicht nur durch die Länder, sondern auch durch den Bund vorgenommen werden könne.

Das Verfassungsgericht betonte, dass rein "fiskalische Interessen des Staates" - also das Ziel, mit den Wetten Geld zu verdienen - zur Rechtfertigung eines Wettmonopols nicht ausreichten. Der Gesetzgeber könne bei einer Neuregelung entweder am Wettmonopol festhalten und dieses "konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht" ausrichten oder den Sportwettenmarkt liberalisieren. Letzteres sei durch eine "gesetzliche normierte und kontrollierte Zulassung" privater Wettunternehmen möglich. Dies erschien am Dienstag aber unwahrscheinlich.

Die Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspiele, Ilona Füchtenschnieder, begrüßte das Urteil, weil die von vielen Beobachtern im Vorfeld befürchtete Liberalisierung des Marktes ausblieb. Füchtenschnieder hatte vor einer Öffnung für private Wettanbieter ausdrücklich gewarnt: "Damit werden wieder neue Kundenschichten, vor allem viele junge sportbegeisterte Männer, angesprochen." Und eine steigende Anzahl von Spielsüchtigen wiederum werde "viele soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, Schulden und Selbstmordrisiken" nach sich ziehen, so die Suchtexpertin. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) geht von rund 150.000 Wettsüchtigen aus. Auch DHS-Geschäftsführer Rolf Hüllinghorst nannte die Karlsruher Entscheidung ein "positives Signal" für alle Suchtbekämpfer.

Der Präsident der staatlichen Sportwette Oddset, Erwin Horak, sagte, das Urteil sei keine Absage an das Staatsmonopol. Die Auflagen des Gerichts würden "schnellstmöglich" umgesetzt. "Die Ordnungsbehörden können und müssen jetzt konsequent gegen alle illegalen Wettanbieter - auch im Internet - vorgehen", sagte Horak. Trotz der vom Bundesverfassungsgericht verhängten Einschränkung für Werbung für Oddset-Sportwetten will der staatliche Veranstalter allerdings weiter als WM-Sponsor auftreten. Das Gerichtsurteil gelte erst für Werbemaßnahmen "von heute ab". Oddset bleibe deshalb "Nationaler Förderer" der Fußball-Weltmeisterschaft.

Nach Einschätzung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) schafft das Urteil Klarheit. "Nun muss bis zum 31. Dezember 2007 eine saubere Neuregelung auf den Tisch", sagte der geschäftsführende DFB-Präsident Theo Zwanziger in Frankfurt am Main. Die seit Monaten laufenden informellen Gespräche zwischen den Ländern, Oddset, dem Deutscher Sportbund, dem DFB und der Deutschen Fußball Liga müssten jetzt zu einer für alle Seiten tragfähigen Lösung kommen.

Der Erste Senat urteilte über die Verfassungsbeschwerde der Münchner Buchmacherin Irene Katzinger-Göth. Sie betreibt ein Wettbüro für Pferdewetten und wandte sich dagegen, dass privaten Anbietern in Bayern - wie in allen übrigen Bundesländern - die Veranstaltung und Vermittlung von Oddset-Sportwetten zu festen Gewinnquoten generell verboten ist. Das Wettmonopol greift laut Urteil in seiner jetzigen Form in unverhältnismäßiger Weise in die Berufsfreiheit privater Anbieter ein. Die Entscheidung bindet zwar formell nur Bayern. Es gab aber nach dem Urteil bereits Signale für eine gemeinsames Vorgehen aller Bundesländer in der Sache.

(AZ: 1 BvR 1054/01 - Urteil vom 28. März 2006)