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E.On & Vattenfall

Gutachter sehen offenbar Sicherheitslücke im Atomkraftwerk Brunsbüttel

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Nach Darstellung der Deutschen Umwelthilfe haben die relevanten Sicherheitsgremien der Bundesrepublik Deutschland dem Atomkraftwerk Brunsbüttel eine gravierende Sicherheitslücke im Bereich der Notstromversorgung bescheinigt. Sowohl die Reaktorsicherheitskommission (RSK) der Bundesregierung als auch der "Hausgutachter" der Bundesatomaufsicht, die Kölner Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), sehen offenbar gravierende Probleme. Nach Einschätzung der Reaktorsicherheitskommission könnten die Sicherheitsdefizite noch nicht einmal durch Nachrüstungen behoben werden. Dennoch hätten die Aufsichtsbehörden die Betreibergesellschaften E.On und Vattenfall seit 2002 zu einer grundlegenden Modernisierung gedrängt - doch sei dies "vergeblich" gewesen. Schließlich hätten die Behörden "nach einigen Änderungen im Detail" einer Wiederinbetriebnahme im März 2003 zugestimmt, "obwohl sich alle Experten einig waren, dass die grundsätzlichen Probleme nicht gelöst waren", schreibt die Umwelthilfe. Vattenfall Europe hat den Vorwurf der Deutschen Umwelthilfe zurückgewiesen. Das Kernkraftwerk Brunsbüttel weise keine sicherheitstechnischen Mängel auf, teilte der Konzern mit.


Nach Auffassung der Umwelthilfe verfügt der Siedewasserreaktor Brunsbüttel unter allen deutschen Atomkraftwerken über das gegen Betriebsstörungen anfälligste Sicherheitsleitsystem. Die Notstromversorgung sei auf Betriebsstörungen sogar schlechter vorbereitet als der schwedische Reaktor in Forsmark, in dem sich am 25. Juli ein schwerer Störfall ereignete. Die Einschätzung der Umwelthilfe stützt sich eigenen Angaben zufolge auf zahlreicher interner Unterlagen der Reaktorsicherheitskommission der Bundesregierung, der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln, von Technikern des Kraftwerks und der schleswig-holsteinischen Aufsichtsbehörde.

Aus Protokollen und Sachverständigen-Gutachten gehe hervor, dass die deutschen Aufsichtsbehören die Brunsbrüttel-Betreiber Vattenfall und E.On seit 2002 vergeblich zu einer grundlegenden Modernisierung der Notstromversorgung des Reaktors gedrängt hätten. "Auslöser waren gravierende Mängel in der Sicherheitsleittechnik des Reaktors, die erst im Zusammenhang mit der Inbetriebnahme eines neuen Simulators zur Schulung der Betriebsmannschaften erkannt wurden und die zuvor über Jahrzehnte niemand bemerkt hatte. Daraus ergab sich, dass schwere Störfälle wie jetzt in Forsmark von der komplexen und defizitären Sicherheitselektrik in Brunsbüttel möglicherweise nicht hätten bewältigt werden können."

Die Behauptung der Betreiber, ein Störfall wie in Schweden sei in deutschen Reaktoren nicht möglich, sei insofern "definitiv falsch", meint DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. "Möglicherweise würde er im Detail anders ablaufen als in Forsmark, aber auf kritische Störfall-Situationen ist der Brunsbüttel-Reaktor erkennbar schlechter vorbereitet als der in Forsmark".

GRS: "Planungsfehler in der Notstromversorgung"

Über die "Planungsfehler in der Notstromversorgung und der Steuerung mehrerer Aggregate in den Not- und Nachkühleinrichtungen" - so laut Umwelthilfe der Titel einer GRS-Ausarbeitung - hätten sich Kraftwerkstechniker während der Abnahmetests für den Simulator per Fax ausgetauscht. Die Faxe geben den Angaben zufolge "einen Eindruck vom Ausmaß der Verwirrung, die über die über Jahrzehnte unentdeckten Mängel und Unstimmigkeiten herrschten".

Die GRS habe in einer unveröffentlichten Analyse festgestellt, dass "die in Brunsbüttel gefundenen Fehler sowohl bei Störfällen innerhalb der Auslegung als auch bei auslegungsüberschreitenden Ereignissen und bei weiteren zusätzlich zu unterstellenden Fehlern teilweise zu hohen Unverfügbarkeiten im Sicherheitssystem hätten führen können und so die Beherrschung der Ereignisse gefährdet hätten. Es hat sich zudem herausgestellt, dass die zum Teil vor über 20 Jahren vorgenommenen Inbetriebnahmeprüfungen verborgene Fehler in den komplexen Systemen nicht immer aufgezeigt hatten."

Nachdem sich das für die Atomaufsicht zuständige Kieler Sozialministerium, mehrere Gutachterorganisationen - so TÜV Nord, die Energiesysteme Nord in Kiel und die GRS - sowie die Reaktorsicherheitskommission in den Jahren 2002 und 2003 "über Monate in zahlreichen Sitzungen mit den aufgedeckten Defiziten in der Sicherheitselektrik des Siedewasserreaktors befasst hatten, durfte der Meiler nach einigen Änderungen im Detail wieder ans Netz, obwohl sich alle Experten einig waren, dass die grundsätzlichen Probleme nicht gelöst waren", teilte die Umwelthilfe mit.

Der RSK-Fachausschuss "Elektrische Einrichtungen" sei zum dem Ergebnis gekommen, "dass auch nach Herstellung des Soll-Zustandes (Erfüllung der sicherheitstechnischen Anforderungen) ein Anlagenkonzept im Kernkraftwerk Brunsbüttel vorliegt, welches hinsichtlich einiger Auslegungsmerkmale, zum Beispiel Abstimmung des Schaltkonzeptes zwischen Verfahrenstechnik und Energieversorgung, Unabhängigkeit der Teilsysteme und Einfachheit der Leittechnikfunktionen, nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht". Nicht einmal eine theoretisch mögliche - Nachrüstung mit modernster Leittechnik, urteilte die Reaktorsicherheitskommission abschließend, könne die Sicherheitsdefizite heilen, weil dies die Defizite im Anlagenkonzept hinsichtlich des Aufbaus der Notstromversorgung nicht ausgleiche.

"Selbst dieses vernichtende Urteil hat nicht verhindern können, dass der Reaktor Brunsbüttel im März 2003 wieder in Betrieb genommen wurde", kritisiert Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe. Rosenkranz wies darauf hin, dass über die Übertragbarkeit der Abläufe in Forsmark und Brunsbüttel "im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung" auch intern noch kein endgültiges Urteil vorliege. Zwar hätten die Gutachter der Kieler Aufsichtsbehörde in der vergangenen Woche gegenüber Bundesumweltminister Gabriel für die Kraftwerke Brokdorf und Krümmel Entwarnung gegeben, nicht aber für Brunsbüttel.

Dazu habe bis Dienstag dieser Woche eine Stellungnahme des TÜV Nord noch ausgestanden. Die Betreiber selbst hätten bezüglich eines offenen Punktes ("Auswirkungen zeitgleicher Ausfälle von redundanten Wechselrichtern oder Umschaltvorgängen auf das unterbrechungsbehaftete Netz") erklärt, die Beantwortung sei "wegen der Kürze der Bearbeitungszeit noch nicht möglich". Für Rosenkranz ist das "eine erstaunliche Einlassung, nachdem nach bisheriger offizieller Lesart Wechselrichter für die Sicherheit in deutschen Atomkraftwerken gar keine Rolle spielen".

Die Umwelthilfe fordert die Reaktorbetreiber Vattenfall und E.On auf, "die Diskussion über eine Laufzeitverlängerung für Brunsbüttel und andere Altreaktoren in Deutschland sofort einzustellen". Die Alternative könne nur sein: Entweder umfangreiche Nachrüstung und Stilllegung entsprechend der Vereinbarung zum Atomausstieg oder vorzeitige Abschaltung des Siedewasserreaktors. Nach der Vereinbarung der rot-grünen Bundesregierung mit der Atomwirtschaft darf Brunsbüttel bei normaler Auslastung noch bis zum Jahr 2009 weiterbetrieben werden. Käme es zu Stillständen aufgrund von Nachrüstungen, könnte sich die Frist noch verlängern.

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