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Bundestag stimmt mit 90 Prozent-Mehrheit für Bundeswehr-Einsatz im Sudan

Erdöl-Interesse oder Friedenssicherung?

Die Bundeswehr wird für weitere sechseinhalb Monate Militärbeobachter in den Sudan schicken, um sich an der so genannten "UN-Friedensmission" UNMIS im Süden des Landes zu beteiligen. Das beschloss der Bundestag am 27. April mit großer Mehrheit in Berlin. Für die Verlängerung des Einsatzes votierten 497 Abgeordnete, das sind 90 Prozent der 552 abgegebenen Stimmen. Das bis zum 15. November befristete neue Mandat sieht die Entsendung von bis zu 75 Beobachtern vor, die Kosten werden auf 800.000 Euro veranschlagt. Nach offizieller Darstellung geht es um Friedenssicherung. Zugleich ist von Rohstoffinteressen die Rede. Die Weltmächte konkurrieren im Sudan um das begehrte Erdöl und andere Rohstoffe.

Das Bundeswehr-Mandat umfasst auch zukünftig den Einsatz von bis zu 75 Soldaten, die im Schwerpunkt zur Wahrnehmung von Militärbeobachteraufgaben und in für UNMIS gebildeten Stäben und Hauptquartieren eingesetzt werden.

Darfur, der Südsudan und die Zentralregierung

Die Unionsfraktion erwirkte offenbar eine Beschränkung dieses Mandats auf den Südsudan. Ein Einsatz in der sudanesischen Westprovinz Darfur sollte damit ausdrücklich ausgeschlossen werden. Paradoxerweise begründete dann aber der CSU-Abgeordnete Hans Raidel in der Bundestagsdebatte den Bundeswehr-Einsatz im Südsudan mit der Situation in Darfur: "Wer den Menschen im Sudan, insbesondere in Darfur helfen will, muss dem Antrag der Regierung auf Beteiligung deutscher Soldaten an UNMIS zustimmen", so Raidel. UNMIS ist der Einsatz im Südsudan, der internationale Militäreinsatz in Darfur firmiert unter der Bezeichnung AMIS.

Raidel griff die sudanesische Zentralregierung scharf an. "Natürlich wissen wir, dass es sich nicht nur um einen Bürgerkrieg zwischen Rebellengruppen handelt, sondern dass die Regierung für viele Gräueltaten selbst verantwortlich und insgesamt unzuverlässig ist. Für alle Friedensbemühungen der UNO und der Afrikanischen Union und anderer zeigt sie – positiv dargestellt - nur eine mangelnde Kooperationsbereitschaft. Im Prinzip sabotiert sie alle Friedenspläne und hält sich nicht an bereits geschlossene Abmachungen." Selbst wenn in einzelnen Bereichen Fortschritte hätten erzielt werden können, sei das geschlossene Friedensabkommen weiter wacklig und in vielen Punkten in seiner Wirksamkeit fraglich. "Die Überwachung des Abkommens gestaltet sich sehr schwierig. Das gilt auch für die Auflösung beziehungsweise Rückführung der Truppen."

Raidel: China und Russland wollen Rohstoffe - wir haben humanitäre Ziele

Nach Darstellung des Unionsabgeordneten interessieren sich China und Russland lediglich für die Rohstoffe im Sudan, während der Westen insbesondere humanitäre Ziele verfolgt: "Es darf nicht passieren, dass China und Russland die Ausbeutung der Rohstoffe betreiben und der Rest der Welt insbesondere die UNO, die EU, die G8 und Deutschland für humanitäre Fragen bis hin zur Welthungerhilfe zuständig sind", so Raidel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle "Frieden und Zukunft für Sudan und Darfur" und eine neue Afrikapolitik auf den Weg bringen, sagte der Unionsabgeordnete. China und Russland müssten aber noch dazu gebracht werden, ihren Widerstand gegen schärfere Maßnahmen der Vereinten Nationen aufzugeben.

"Friedensvertrag" stärkt die Süd-Rebellen und die deutsche Wirtschaft

Deutschland unterstützt in Sudan die Rebellen des Südens, die mit der Zentralregierung jahrelang einen Bürgerkrieg um die Einnahmen aus dem Ölgeschäft führten. Im Januar 2005 kam es – nicht zuletzt auch aufgrund intensiven Drucks seitens der deutschen Bundesregierung – zu einem "Friedensvertrag", der den Rebellen die Macht im Süden des Landes und einen Anspruch auf die Hälfte der Einnahmen aus dem Ölgeschäft überträgt (ngo-online berichtete).

Außerdem darf sich der Süden laut Vertrag sechs Jahre später in einem Referendum von Sudan abspalten und einen eigenen Staat bilden. Nach einer Abspaltung des Südens bliebe der Nordsudan ohne Zugang zum Öl.

Die Bundeswehr möchte nach Angaben der Bundesregierung gut sechs Jahre im Land bleiben, um die Umsetzung des Vertrages zu überwachen. Diese sechs Jahre bis zum geplanten Referendum für die offensichtlich beabsichtigte Teilung des Landes wollten deutsche Unternehmen ursprünglich nutzen, um für das Erdöl aus Südsudan einen anderen Transportweg zu errichten: Sie wollten eine neue Eisenbahnlinie von den Ölfeldern des Südsudan – unter Umgehung des Nordsudan – in das westlich orientierte Kenia bauen. Von der kenianischen Hafenstadt Mombasa sollte das Öl dann per Schiff nach Deutschland und in andere westliche Staaten – statt nach Asien – transportiert werden. Der Plan ist vorläufig offenbar gescheitert. Das Interesse Deutschlands am Öl dürfte aber weiterhin bestehen.

UNMIS - Implementierung des "Friedensvertrages"

In dem vom Bundestag mit breiter Mehrheit angenommenen Antrag vom 28. März der Bundesregierung für eine Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Südsudan (UNMIS) ist von Erdöl und dem Referendum nicht die Rede. Es wird lediglich auf den "Friedensvertrag" Bezug genommen: Für die Schaffung von Sicherheit für den wirtschaftlichen und politischen Wie- deraufbau im Südsudan komme UNMIS nach wie vor die zentrale Rolle zu. "Als Beobachtungs- und Verifikationsmission nach Kapitel VI der VN-Charta soll UNMIS die Implementierung des Friedensvertrages von Nairobi überwachen und die ehemaligen Kriegsparteien bei der Umsetzung unterstützen."

Bei der Umsetzung des Abkommens seien wichtige Fortschritte zu verzeichnen, heißt es im Antrag der Bundesregierung weiter. Die Rückverlegung von Truppen beider Seiten sei weit voran geschritten. Dennoch bleibe die Umsetzung hinter dem Zeitplan zurück.

Deutsche Botschaft: Sudan verfügt über große Naturreichtümer ... Öl, Gold, Kupfer ... Der ehemalige deutsche Botschafter in der sudanesischen Hauptstadt Karthum, Hans Gnodtke, und der ehemaligen Leiters des Wirtschaftdienstes der Botschaft, Frank Neumann, plädieren für ein verstärktes Engagement deutscher Unternehmen. "Wirtschaftliches Engagement und ausländisches Investitionskapital können mitentscheidende Kriterien bei der Absicherung des noch fragilen politischen Friedensprozesses werden. Dazu sollten auch deutsche Unternehmen noch stärker als bisher beitragen", heißt es in einem von der deutschen Botschaft veröffentlichten Papier. Umgekehrt sei die konsequente Umsetzung der politischen Vorgaben des Friedensabkommens Voraussetzung, um "das Vertrauen der Investoren und Geber in die Ernsthaftigkeit der Reformbemühungen und den wirtschaftlichen Wachstumskurs Sudans zu stärken".

Laut Statistik gehöre Sudan zwar zu den ärmsten Ländern der Welt (LLDC), doch verfüge das Land "über große Naturreichtümer, die nur ansatzweise erforscht beziehungsweise erschlossen sind. Dazu zählen reiche Bodenschätze wie Öl, Gold, Kupfer und andere Erze und Mineralien". Gnodtke und Neumann machen eine "regional fehlgesteuerte Wirtschaftspolitik" und Mangel an nationalem gesamtwirtschaftlichen Gestaltungswillen dafür verantwortlich, dass lange Zeit "eine effiziente Nutzung dieser Ressourcen" verhindert worden sei.

Mit Abschluss des Friedensabkommens habe sich "das Interesse westlicher Investoren an Handel und Geschäft mit Sudan wieder deutlich belebt". Zwar dämpften bestehende Handelssanktionen insbesondere der USA noch den Zulauf. "Gleichwohl nähren die jüngsten Entwicklungen die Hoffnung auf einen positiven Verlauf des Friedensprozesses und damit mittelfristig auf die volle Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit Afrikas flächengrößtem Staat."

Sudan verfolge seit Mitte der 1990er Jahre in Zusammenarbeit mit dem IWF ein wirtschaftliches Reformprogramm zur Modernisierung und marktwirtschaftlichen Orientierung des Landes. "Privatisierung, Liberalisierung und Diversifizierung der Wirtschaft sind Eckpfeiler dieser Reformstrategie", heißt es in dem Papier der deutschen Botschaft. Ein 1999 verabschiedetes Investitionsfördergesetz biete zudem verstärkte steuerliche Anreize, Zollerleichterungen und "Investitionsgarantien für ausländische Investoren" und stelle sie inländischen Investoren gleich. "Es kann im regionalen Vergleich durchaus bestehen."

Der Aufschwung habe sich fortgesetzt, "und zwar wesentlich assistiert durch unerwartet hohe Einnahmen aus dem Ölexport", heißt in dem undatierten Papier der Botschaft. Investoren sollten nach Auffassung der deutschen Botschaft insbesondere die Entwicklung in der Landwirtschaft verfolgen. Wichtigster "Wachstumssektor" und Motor der industriellen Entwicklung Sudans sei inzwischen der Ölsektor.

Pipeline- und Raffineriekapazitäten würden ausgebaut. Die Erschließung neuer Felder werde mit Nachdruck vorangetrieben. "Der Sektor zieht derzeit im up- und downstream-Bereich die größten ausländischen Investitionen an, zumeist noch aus Asien."

Für Investoren biete der gewaltige Aufbaubedarf des Landes insgesamt "vielfältige Investitionschancen" in fast allen Regionen und Wirtschaftsbereichen des Landes. Auch deutsche Investoren sollten in jedem Fall die Entwicklung im Sudan aufmerksam verfolgen und noch stärker als bisher auf mögliche Beteiligungschancen prüfen. Es bestünden berechtigte Hoffnungen auf eine positive Trendwende – "diese Chance darf keinesfalls verpasst werden", empfiehlt die deutsche Botschaft.

Berichte über eine mögliche militärische Eskalation durch die USA

Nach Einschätzung des Informationsdienstes "German-Foreign-Policy" vom 17. Dezember 2006 setzen die USA im Sudan "nach wie vor auf militärische Eskalation. Berichten zufolge würden die Vereinigten Staaten Luftangriffe auf den Sudan und eine Blockade des Ölhafens Port Sudan in Betracht ziehen.

Die Drohung, den am Roten Meer gelegenen Ölexporthafen zu blockieren, sei ein offener Angriff auf die die Interessen Chinas. China habe in den vergangenen Jahren seine Aktivitäten in Afrika stark ausgeweitet und beziehe inzwischen einen bedeutenden Teil seiner Erdöleinfuhren aus dem Sudan.

"German-Foreign-Policy" wirft in einem Bericht vom 14. Dezember 2006 den Grünen vor, sie wollten das deutsche Militärkontingent im Sudan verstärken. Sie entsprächen damit "Forderungen Washingtons". Beabsichtigt sei der Sturz des sudanesischen Regimes. Der Afrika-Experte Helmut Strizek habe gesagt, Berlin habe "im Verein mit Menschenrechtsorganisationen" der durch Rohstofffunde und geostrategische Interessen motivierten US-Politik ein "linkes Deckmäntelchen" verschafft.

Für eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes im Sudan hätten sich auch der deutsche Verteidigungs- und Außenminister, sowie die Entwicklungshilfeministerin ausgesprochen. Allerdings gebe es auch Stimmen gegen eine Ausweitung des militärischen Engagements.