Mai 2001
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Berliner Bankgesellschaft braucht gut zwei Milliarden Euro
Berlin weiß jetzt, wie hoch die Belastungen aus der Bankenkrise sind. Das Eigenkapital der mehrheitlich landeseigenen Bankgesellschaft (BGB) muss nach Angaben des Bundesaufsichtsamtes für Kreditwesen um gut zwei Milliarden Euro (knapp vier Milliarden Mark) erhöht werden. Dieser Kapitalbedarf entspreche den Erwartungen des Senats, sagte am Donnerstag Finanzsenator Peter Kurth (CDU).
Festlegungen des Transplantationsgesetzes
Nach jahrelangem Streit der Parteien wurde mit dem seit 1. Dezember 1997 geltenden Transplantationsgesetz die Organspende in Deutschland erstmals gesetzlich geregelt. Danach muss der Verstorbene zu Lebzeiten eine Organentnahme schriftlich erlaubt haben, oder ein Angehöriger muss sein Einverständnis dazu geben. Das Gesetz sieht also die "erweiterte Zustimmungslösung" vor.
Gentechnik: Umstrittener Bt-Mais wird großflächig "erprobt"
Die Syngenta GmbH hat am Dienstag angekündigt, ihren heftig umstrittenen genveränderten Bt-176-Mais in Deutschland zum Zweck von Freilandstudien erneut anzubauen. Das Saatgut, das sich durch die gentechnische Veränderung selbst gegen Fraß- und Qualitätsschäden durch den Schädling Maiszünsler schützt, sei an wissenschaftliche Institute und über den normalen Handelsweg an Landwirte abgegeben worden. Die Anbaufläche in Deutschland soll rund 80 Hektar betragen.
Haushaltsnotlage in Deutschland: Eine Krise mit weitreichenden Folgen
Deutschland, oft als wirtschaftliches Kraftzentrum Europas gepriesen, steht vor einer Herausforderung, die das Fundament seiner Stabilität bedroht: die Haushaltsnotlage. Diese Krise, die sich schleichend über Jahre hinweg entwickelt hat, ist mittlerweile in Bund, Ländern und Kommunen angekommen und wirkt sich zunehmend auf den Alltag aller Bürgerinnen und Bürger aus. Steigende Preise, marode Schulen, überfüllte Krankenhäuser – die Auswirkungen der knappen Kassen sind bereits spürbar. Doch die wahren Gefahren liegen noch tiefer: Eine anhaltende Haushaltsnotlage könnte zu einem Teufelskreis aus Sparmaßnahmen, sinkenden Investitionen und schrumpfender Wirtschaftskraft führen.
Nichtraucherschutzgesetz und andere Wege zum Nichtraucher
Die Lobby der Tabakindustrie ist nach wie vor gewaltig: Für Imagepflege, Marketing und Sponsoring geben die deutschen Zigarettenhersteller im Jahr 600 Millionen Mark aus, wie Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg am Dienstag der Nachrichtenagentur ddp sagte. Jede Bundestagspartei mit Ausnahme der PDS sei bereits in den Genuss "qualmender Sponsoren" gekommen. Selbst auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen 1998 in Leipzig sei die Presse-Lounge von Zigarettenproduzenten bestückt worden. Das I-Tüpfelchen in Sachen Marketing hat jetzt Philip Morris gesetzt. Der Tabakkonzern lädt die Bundestagstagsabgeordneten am Mittwoch - einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag zur Regelung des Nichtraucherschutzes - in das Restaurant in der Reichstagskuppel ein, wie Pötschke-Langer sagte.
Hans Otto Theater zeigt "Albert Speer" und "Der Untertan"
Das Potsdamer Hans Otto Theater will in der nächsten Spielzeit mehr künstlerische Highlights auf die Bühne bringen. Dazu zähle insbesondere die deutsche Erstaufführung "Albert Speer" im März 2002, sagte Dramaturgiechef Roland Bertschi bei der Präsentation des neuen Spielplans am Dienstag in Potsdam. Der "Untertan" von Heinrich Mann werde im September 2001 uraufgeführt. Intendant Ralf-Günter Krolkiewicz rechnet für die 20 Produktionen und etwa 450 Vorstellungen mit knapp 85.000 Besuchern.
Krankenkassen sollen Zahnreparaturen nicht mehr bezahlen
Deutschlands Zahnärzte fordern von der Bundesregierung eine radikale Reform des Gesundheitswesens mit deutlich höherer Kostenbeteiligung der Patienten. "Zahnreparaturen sollten künftig nicht mehr vollständig als Pflichtleistungen von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden", sagte der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Karl Horst Schirbort, der "Berliner Zeitung" (Mittwochausgabe). Das vorhandene Geld müsse stärker auf die Gesundheitsvorsorge konzentriert werden. Es sei nicht Aufgabe der Versichertengemeinschaft, für selbst verursachte Zahnschäden aufzukommen.
Mütter - Nicht nur am Muttertag in Zentrum
Die Verbindung von Beruf und Familie wirkt sich offenbar positiv auf die Gesundheit von Frauen aus. Berufstätige Mütter hätten ein gesteigertes Selbstwertgefühl und Wohlbefinden, sagte Bundesfamilien- und Frauenministerin Christine Bergmann (SPD) am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung des ersten Frauengesundheitsberichtes der Bundesregierung. Häusliche Gewalt und Misshandlungen seien häufig unerkannte Ursachen für Gesundheitsprobleme von Frauen. 19.000 Frauen sterben jährlich an Brustkrebs. Die Studie beleuchtet erstmals die gesundheitliche Situation von Frauen in Deutschland.
Bahnindustrie für mehr "Chancengleichheit"
Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) fordert mehr "Chancengleichheit" für die Schiene. Nur die Bahn könne die wirtschaftliche, ökologische und sichere Bündelung der Verkehrsströme möglich machen, sagte VDB-Präsident Dieter Klumpp am Dienstag in Frankfurt am Main. Solange der Verkehr auf der Straße nicht mit den von ihm verursachten Kosten konfrontiert werde, sollte auch die Bahn nicht einem Trassenpreis der heutigen Art unterworfen sein.
Autofahren - Die letzte Meile Freiheit
1997 hatten die US-Wissenschaftler Donald Redelmeier und Robert Tibshirani von der University of Toronto eine Studie zum Thema Handy-Nutzung im Auto veröffentlicht, die weltweit Beachtung fand (New England Journal of Medicine: "Association between Cellular-Telephone Calls and Motor Vehicle Collisions", Vol. 336, No. 7). Die beiden Forscher hatten herausgefunden, dass Handy-Telefonate während des Autofahrens das Unfallrisiko um das Vierfache vergrößern, da sie zu stark vom eigentlichen Fahrgeschehen ablenken. Doch Handy-Befürworter hatten die Studie als Argument angeführt, dass ein Verbot nicht sinnvoll sei, weil Mobiltelefone einen schnelleren Notruf ermöglichten. Dagegen verwahren sich die Forscher jetzt.
Viel Geld für Umweltschutz im Mittelstand
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist eine der größten Umweltstiftungen Europas. Sie nahm im März 1991 ihre Tätigkeit auf und hat seitdem rund 4.100 Projekte mit insgesamt 1,7 Milliarden Mark gefördert. Knapp die Hälfte des Geldes ging in die ostdeutschen Bundesländer. Bei 89 Prozent der Projekte hat die Stiftung nach eigenen Angaben ihre Förderziele erreicht. Die Stiftung richtet ihr Hauptaugenmerk auf die mittelständische Wirtschaft. Die Förderung geschieht in der Regel außerhalb staatlicher Programme, zum Teil werden sie ergänzt. Insbesondere gefördert werden umwelt- und gesundheitsfreundliche Verfahren und Produkte, der Austausch von Umweltwissen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, die Umweltbildung, die Bewahrung wertvoller Kulturgüter vor schädlichen Umwelteinflüssen sowie der Schutz des nationalen Naturerbes.
Roxette-Welttournee startet im September in Stuttgart
Erstmals nach sieben Jahren geht die schwedische Pop-Band Roxette wieder auf Tour. Der Startschuss für die Welttournee fällt im September in Stuttgart. "Deutschland ist einer unserer wichtigsten Märkte, hier haben wir sehr viele Fans", sagte Sänger Per Gessle am Montag in München. Insgesamt werden die Schweden in zwölf deutschen Städten live zu sehen sein, darunter auch München, Hannover, Frankfurt, Berlin und Leipzig.
Atommüllwiederaufarbeitung: Massive Verseuchungen bestätigt
Die Wiederaufarbeitung von Atommüll verursacht massive Verseuchungen der Umwelt und ist keinesfalls die gesetzlich geforderte "schadlose Verwertung". Entsprechende langjährige Vorwürfe von Umweltschutzorganisationen bestätigt nach Angaben des ARD-Politmagazins "Report Mainz" auch eine bislang nicht veröffentlichte Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums. Der Untersuchung zufolge werden die in Deutschland zulässigen Strahlenwerte in La Hague um den Faktor sieben überschritten, in Sellafield um den Faktor 20.
Ohne Wehrpflicht zur Interventionsarmee
Die offizielle Politik und viele Parlamentarier quer durch die Parteien halten noch eisern an der Wehrpflicht fest. Doch im Offizierkorps mehren sich angesichts der prekären Lage der Streitkräfte die Stimmen, die die Bundeswehr auf dem Marsch in die Freiwilligenarmee sehen. Auch das Bundesverfassungsgericht hat noch für dieses Jahr eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Wehrpflicht angekündigt. Nicht nur die Grünen, sondern auch große Teile der SPD und die FDP erwarten einen Spruch gegen den Zwangsdienst, zumindest aber eine Aussetzung.
Aktionärs-Kritik und Ermittlungen wegen Falschbilanzierung
Dem Telekom-Vorstand mit Ron Sommer an der Spitze steht am Dienstag in der Kölnarena eine schwierige Hauptversammlung bevor. Aktionärsvertreter wie die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) haben bereits angekündigt, hart mit der Führung der Deutschen Telekom AG ins Gericht gehen zu wollen. Hauptkritikpunkt ist der Wertverlust der T-Aktie von mehr als 70 Prozent. Nach der bevorstehenden VoiceStream-Übernahme droht das Papier wegen einer wahrscheinlichen Verkaufswelle weiter unter Druck zu geraten.
Greifswalder Obdachlosenmord wird verhandelt
Wegen gefährlicher Körperverletzung und gemeinschaftlich begangenen Mordes an einem Greifswalder Obdachlosen müssen sich von Dienstag an drei junge Männer aus der Hansestadt vor dem Landgericht Stralsund verantworten. Sie werden beschuldigt, den 42-jährigen Eckhardt Rütz im November vergangenen Jahres zu Tode getreten zu haben. Zur Tatzeit waren zwei der Angeklagten 16, der Dritte 21 Jahre alt. Bei einem Schuldspruch drohen den beiden Jugendlichen bis zu zehn Jahre Jugendhaft und dem 21-Jährigen nach Erwachsenen-Recht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Für den Prozess sind zunächst fünf Verhandlungstage angesetzt. Geladen sind zwei Sachverständige und zwölf Zeugen.
Frankfurt (Oder) Nachrichten
Die rechtsextremistischen Vorfälle in Deutschland reißen nicht ab. Im brandenburgischen Premnitz wurde am Wochenende ein Afrikaner aus Sierra Leone bei einem fremdenfeindlichen Überfall schwer verletzt. Fünf Jugendliche im Alter von 11 bis 20 Jahren stehen unter Tatverdacht, wie die Polizei in Frankfurt (Oder) mitteilte. Im niederbayerischen Steinach löste die Polizei ein internationales Skinhead-Treffen auf. Rund 500 Rechte hatten sich im Schloss Steinach zu einer Geburtstagsfeier versammelt.
Datenschutz Retrospektive I - Da frag ich mich doch..
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Joachim Jacob, warnt vor der umfassenden Überwachung des Internets. Er sei "entschieden dagegen", eine "technische Infrastruktur" dafür zu schaffen, sagte Jacob der "Leipziger Volkszeitung" (Montagausgabe). Eine derartige Überwachung stelle einen "unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Persönlichkeitsschutz" dar. Darüber hinaus liefe sie "den im Teledienste-Datenschutzgesetz und im Mediendienste-Staatsvertrag normierten Grundsätzen der Datenvermeidung und der Datensparsamkeit zuwider", kritisierte Jacob.
Ehrung für türkische Rechtsanwältin Eren Keskin
Die türkische Rechtsanwältin Eren Keskin ist neue Trägerin des Menschenrechtspreises von amnesty international (ai). Keskin nahm die Auszeichnung am Sonntagabend auf einer Benefizgala zum 40. Geburtstag der Menschenrechtsorganisation in Hamburg entgegen. Damit solle ihr hoher persönlicher Einsatz für die Durchsetzung der Menschenrechte gewürdigt werden, teilte amnesty international mit. Der Menschenrechtspreis ist mit einem "symbolischen Preisgeld" von 10.000 Mark dotiert.
Koalition in Deutschland | Groko oder Jamaika
Berlin braucht für das laufende Haushaltsjahr voraussichtlich weitere sechs Milliarden Mark Kredit. Nach einem dreistündigen Krisengipfel gehen die Regierungspartner davon aus, dass die Stadt sich wegen der Bankenkrise weiter verschulden muss. Ein entsprechender Nachtragshaushalt soll am 5. Juni im Senat beschlossen werden. Bei der Bankgesellschaft Berlin könnten nun 3000 statt 1600 Arbeitsplätze wegfallen.