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Novelle des Gesetzes soll Aufarbeitung fortführen

SPD und Grüne: Kein Schlussstrich unter Stasi-Akten

Die SPD-Innenexpertin Ute Vogt warnt die CDU vor einem Nein zur von Rot-Grün geplanten Novelle des Stasi-Unterlagengesetzes. Ohne die Novelle könnten "praktisch kaum noch Akten herausgegeben werden", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Es dürfe aber kein "Schlussstrich" unter dieses nach der Wiedervereinigung beschlossene "einzigartige Projekt der Aufarbeitung" gezogen werden, forderte Vogt.

Sie habe allerdings den Eindruck, dass zumindest die ostdeutschen CDU-Abgeordneten ebenfalls die Gesetzesnovelle wollten, fügte die SPD-Politikerin hinzu. Deshalb versuche die Union offenbar, die Diskussion darüber nach hinten zu schieben, um so Streit vor der Bundestagswahl zu vermeiden. Nach einer Expertenanhörung am Montag im Innenausschuss will die Koalition den Gesetzentwurf am Freitag im Bundestag einbringen.

Vogt sagte, sie erwarte sich von der Anhörung der Experten Unterstützung für die geplante Streichung des Paragrafen 14, der eine Anonymisierung der Akten erlaube. Wenn man Teile der Akten schwärze, bestehe die Gefahr, dass sie später für wichtige Recherchen wertlos seien, sagte Vogt. Die SPD-Innenexpertin sprach sich zugleich entschieden gegen ein Veto Betroffener bei der Herausgabe ihrer Akten aus.

"Es kann nicht sein, dass jemand ein Alleinentscheidungsrecht über seine Akten bekommt", sagte Vogt. Das mache eine Aufarbeitung des Stasi-Unrechts unmöglich. Vogt plädierte stattdessen für mehr Vertrauen in die Arbeit von Marianne Birthler, die als gewählte Beauftragte für die Stasi-Unterlagen darüber entscheide, welche Akten herausgegeben werden und welche nicht.

Der frühere DDR-Bürgerrechtler Wolfgang Ullmann (Grüne) wirft der CDU bei der Novellierung Stasi-Unterlagengesetzes Verzögerungstaktik vor. Die Union sei entschlossen, eine Änderung des Gesetzes in der laufenden Legislaturperiode zu verhindern, sagte Ullmann am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Sie versuche, nach der Auseinandersetzung zur Verwendung mit den Akten zu Altkanzler Helmut Kohl (CDU) aus dem bisher herrschenden Konsens zum Umgang mit den Stasi-Akten auszubrechen.

Ziel des von der frei gewählten Volkskammer und dem Bundestag mit großen Mehrheiten verabschiedeten Gesetzes sei die "Dekonspirierung" des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der DDR gewesen, sagte Ullmann. Das Gerichtsurteil, das die Herausgabe der Abhörprotokolle von Telefongesprächen Kohls untersagte, halte er für "rechtirrig von A bis Z". Kohl sei kein Betroffener, da er im Gegensatz zu den Stasi-Opfern nicht Gegenstand einer operativen Überwachung gewesen sei. Kohl sei nur routinemäßig abgehört worden.

Sachsens Justizminister de Maizière betonte, der rot-grüne Entwurf ermögliche einen "vernünftigen Umgang" mit den Stasi-Akten von Prominenten und Amtsträgern. Er sprach sich dafür aus, die umstrittene Novelle im Einvernehmen zwischen Koalition und Union zu verabschieden, im Zweifel auch erst in der nächsten Legislaturperiode. Nur die Streichung des Paragrafen 14, der die Schwärzungen der Stasi-Akten zulässt, müsse jetzt vorgenommen werden.

Am Freitag soll der Gesetzentwurf im Bundestag verabschiedet werden. Strittig ist eine Neuregelung des Paragrafen 32, der die Herausgabe von Akten von Personen der Zeitgeschichte an Forscher und Medien regelt. Kohl hatte unter Berufung auf diesen Paragrafen gegen die Herausgabe seiner Akten geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte dem Alt-Kanzler Recht gegeben und die Herausgabe der Akten von Prominenten, die gegen ihren Willen von der Stasi ausspioniert wurden, grundsätzlich an deren Einverständnis geknüpft.

Seither bemühen sich Birthler und die Befürworter einer möglichst umfassenden Aufklärung der Stasi-Vergangenheit um eine Novellierung des Paragrafen. So sollen Akten herausgegeben werden können, wenn dadurch "keine überwiegend schutzwürdigen Interessen" der Betroffenen verletzt werden. Die Union, Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und Teile der SPD sind gegen eine solche Neuregelung. Sie argumentieren, wer Opfer der Stasi-Spionage geworden ist, müsse nicht dulden, dass die Spionageergebnisse nun an die Öffentlichkeit gezerrt werden.