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Streit um Reformvorschläge gegen die Kostenlawine der Arzneimittelausgaben

Arzneiverordnungsreport 2002

Der im Wissenschaftsverlag Springer erschienene Arzneiverordnungs-Report 2002 der beiden Herausgeber Prof. Dr. Ulrich Schwabe und Dr. Dieter Paffrath beschreibt die Entwicklung der Arzneimittelverordnungen des Jahres 2001 und sagt, dass 4,2 Mrd. Euro durch eine wirtschaftlichere Verordnungsweise ohne Qualitätsverlust eingespart werden könnten. Würde konsequent auf preiswerte Generikapräparate umgestellt und auf hochpreisige Analogpräparate und umstrittene Arzneimittel ohne therapeutischen Nutzen verzichtet, könnte dieses Einsparpotenzial in einer Größenordnung von zwanzig Prozent des gesamten Arzneimittelumsatzes für die Finanzierung von therapeutisch bedeutsamen Innovationen verwendet werden.

Nach Aussagen des Reports rollt Kostenlawine der Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ungebremst weiter: Der Fertigarzneimittelumsatz stieg 2001 um 10,4 Prozent und erreichte einen neuen Rekordwert von 21,3 Mrd. Euro. Der Ausgabenzuwachs gegenüber dem Vorjahr betrug 2,0 Mrd. Euro und lag damit weit über dem langjährigen Durchschnitt der letzten 10 Jahre. Diese hohen Arzneimittelkosten haben ein tiefes Loch in den Gesamthaushalt der GKV gerissen und waren die Hauptursache für das finanzielle Defizit von 2,8 Mrd. Euro bei den GKV-Gesamtausgaben von 138 Mrd. Euro.

Nach Ansicht der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) seien dagegen die dargestellten Einsparvolumina unrealistisch und lenkten von den eigentlichen Ausgabenproblemen der GKV ab. Während die Krankenkassen ihre permanent überdurchschnittlich steigenden Verwaltungskosten mit wachsenden Aufgaben begründen, propagierten sie gleichzeitig bei den Apotheken Einschnitte, die eine ordnungsgemäße Versorgung der Bevölkerung unmöglich machen würden.

Besonders bedauerlich sei, dass die Regierungskoalition offenkundig gewillt ist, diesem St.-Florians-Prinzip der Kassen zu folgen und in dem angekündigten Vorschaltgesetz ausschließlich den Arzneimittelbereich auszubluten. Sollte das Gesetz in der bislang bekannt gewordenen Form umgesetzt werden, rechnet die ABDA mit dem Verlust von 70.000 Arbeitsplätzen in den Apotheken. Im Frühsommer dieses Jahres hätten sich 7,7 Millionen Menschen gegen die Einführung des Versandhandels mit Arzneimitteln und für den Erhalt der unabhängigen Apotheke ausgesprochen.

Anlässlich des Reports beklagte erklärte Dr. Manfred Richter-Reichhelm, erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): "Die Preis- und Produktpolitik der Pharmaunternehmen macht es uns unmöglich, unsere Einsparziele bei den Arzneimittelausgaben zu erreichen." Er betonte, dass sich die Kassenärzte dennoch intensiv bemühen, die Arzneimittelkosten zu senken.

Richter-Reichhelm kritisierte die aus KBV-Sicht fragwürdigen Praktiken der Pharmaindustrie: "Einzelne Hersteller treiben die Medikamentenpreise immer weiter in die Höhe." Besonders dreist sei es, so genannte Scheinpräparate auf den Markt zu bringen, um von der Aut-idem-Regelung zu profitieren. Diese verlangt von Apotheken, Medikamente aus dem unteren Preisdrittel abzugeben. Um das untere Drittel auszuweiten, würden neue Produkte zu völlig überzogenen Preisen eingeführt. Ein Beispiel dafür war nach KBV-Angaben etwa ein Ranitidin-Präparat zu über 500 Euro. Der Wirkstoff Ranitidin wird bei Magengeschwüren verschrieben. Durch das überteuerte Mittel hob sich die Obergrenze des unteren Preisdrittels dieser Wirkstoffgruppe von 33,65 Euro auf bis zu 82,83 Euro. Erst nach einigen Protesten glich das Unternehmen den Preis an.

Als ein Vertreter der Pharmaindustrie kommentierte Walter Köbele, Vorsitzender der Geschäftsführung von Pfizer Deutschland: "Krankenkassen wollen den gesetzlich Versicherten den therapeutischen Fortschritt offenbar vorenthalten", die Einsparempfehlungen im Bereich patentgeschützter Analogpräparate. Er argumentiert, dass Therapiefortschritte weit häufiger das Ergebnis schrittweiser Weiterentwicklungen bereits bestehender Substanzen seien. Die erste Substanz einer neuen Wirkstoffklasse sei dabei nicht zwingend die Beste. Parallelforschung im Wettlauf um das bessere Produkt für den Patienten sei deshalb unverzichtbar.