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Deutsche Sicherheitsbehörden sollen in Guantánamo Gefolterte verhört haben

"Arbeitsteilung" mit Folterstaaten

Deutsche Sicherheitsbehörden sollen einem Zeitungsbericht zufolge im US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba zwei Internierte befragt haben. Die "Süddeutschen Zeitung" berichtete, vom 21. bis 27. September 2002 seien zwei Beamte des Bundesnachrichtendienstes und ein Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz nach Guantánamo gereist. Sie hätten dort den in Bremen aufgewachsenen Türken Murat Kurnaz verhört sowie den aus Mauretanien stammenden Ould Slahi, der in Duisburg gelebt hatte. Nach Angaben von Amnesty international wurde Kurnaz vermutlich in Guantánamo gefoltert. Darüber hinaus sollen das Bundeskriminalamt (BKA), der Bundesnachrichtendienst (BND) und der Verfassungsschutz (VS) in einem syrischen Foltergefängnis den deutschen Staatsbürger Haydar Zammar verhört haben.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat die Vernehmung eines in Syrien inhaftierten Mannes durch Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) bestätigt. Schäuble reagierte damit auf eine Frage von Grünen-Fraktionsvize Christian Ströbele, was er zu Presseberichten über den Fall Mohammed Haydar Zammar sage, wonach deutsche Beamte den nach Syrien verschleppten und wahrscheinlich gefolterten Mann in einem dortigen Gefängnis vernommen haben sollen. Schäuble betonte, er halte nach jetzigem Kenntnisstand den von Ströbele formulierten Vorwurf nicht für gerechtfertigt, dass "man damit möglicherweise die Früchte der Folter erntet, ohne sich die Hände schmutzig machen zu wollen".

Einem Bericht des Internet-Dienstes "German-Foreign-Policy" zufolge gilt Haydar Zammar trotz mehrtägiger Verhöre durch deutsche Beamte bis heute als "verschollen". Haydar Zammar sei seinen Folterern überlassen worden.

Das fortdauernde Folterschicksal von Haydar Zammar, des deutschen Staatsbürgers aus Hamburg, der zuletzt in einer Zelle in Damaskus gesehen wurde, ist für German-Foreign-Policy "eine Konsequenz der Berliner Politik. Verantwortlich sind unter anderem die Minister Steinmeier, Fischer, Schily und Zypries". Sie hätten "die Gefolterten ihrem Schicksal überlassen und es bis heute nicht für nötig befunden, zur sofortigen Freilassung der Opfer öffentlich aufzurufen." Während im Berliner Reichstag Rechtfertigungen ausgetauscht würden, warteten Kurnaz und Zammar auf Hilfe - "sofern sie noch leben".

Die Generalsekretärin von Amnesty international Deutschland, Barbara Lochbihler, forderte "Konsequenzen". Es müsse ausgeschlossen werden, dass Geheimdienste Mitwisser von Menschenrechtsverletzungen würden, ohne es kundzutun. Sie halte es für "nicht in Ordnung", dass es keine Informationen gebe, wie es in Guantánamo zugehe. Amnesty international selbst bemühe sich seit Jahren vergeblich, nach Guantánamo zu kommen, um sich ein Bild von dem US-Gefangenenlager zu machen.

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz findet die Verhöre Terrorverdächtiger durch deutsche Sicherheitsbeamte in Syrien und Guantánamo "grenzwertig". Man dürfe sich nicht gemein machen mit Staaten, die foltern", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, sagte dem Blatt, er kritisiere, dass die Verhöre durchgeführt wurden, obwohl es zumindest in Syrien Hinweise darauf gegeben habe, dass der Betroffene Mohammed Haydar Zammar gefoltert worden sei. "Ich finde es problematisch, wenn wir Leute verhören, die zuvor von anderen gefoltert wurden", sagte Beck. "Das ist - zynisch gesprochen - eine Art Arbeitsteilung", sagte er. Und an so einer "Arbeitsteilung" dürfe man sich nicht beteiligen.

Murat Kurnaz: Ohne Anklage oder Verfahren in Guantánamo

Der in Bremen aufgewachsene Türke Murat Kurnaz wurde nach Angaben von Amnesty Ende November 2001 von pakistanischen Behörden bei einer Routinekontrolle festgenommen. Diese hätten ihn wenig später den US-Behörden in Afghanistan übergeben. Dann kam er offenbar in ein US-Gefangenenlager in Afghanistan. Seinem Anwalt habe er später berichtet, dass er mit anderen Gefangenen in einem umzäunten Pferch im Freien gefangen worden sei und zehn Tage lang im afghanischen Winter nur kurze Hosen habe tragen dürfen.

Die nächste Postkarte kam offenbar im Januar 2002 von dem US-Marinestützpunkt Guantánamo auf Kuba. Murat sei dort als "feindlicher Kämpfer" eingestuft worden. Seitdem werde er dort ohne Anklage oder Verfahren und fast ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Nach Aussage von entlassenen Häftlingen ist der Briefwechsel in Guantánamo zensiert und nur eingeschränkt möglich; Briefe würden oft einbehalten, wenn die Häftlinge nicht mit den US-Vernehmungsbeamten "kooperieren".

Laut Amnesty bezweifeln deutsche Ermittlungsbeamte, dass Murat Kurnaz an illegalen Aktivitäten beteiligt war. "Wir konnten nichts nachweisen", sagte auch Uwe Picard, Staatsanwalt aus Bremen, nach den Überprüfungen von Murat Kurnaz' angeblichen Verbindungen zum Terrorismus.

Auch der Militärische US-Geheimdienst CITF ("Command Information Task Force") stellte offenbar fest: "CITF hat keine (...) Hinweise, wonach der Häftling eine Verbindung mit Al Qaida hätte oder irgendeine spezifische Bedrohung für die Vereinigten Staaten darstellen würde." Kurnaz bleibt dennoch in Guantánamo inhaftiert.

Nach Angaben von Amnesty berichtete Kurnaz von Folter und grausamer Behandlung, die er nach seiner Festnahme in Afghanistan und während seiner Haft in Guantánamo erlitt. Unter anderem sei er in Afghanistan mit Elektroschocks gefoltert und sein Kopf in einen Eimer mit kaltem Wasser getaucht worden. Ein anderes Mal habe ihm ein Offizier ein geladenes Gewehr an die Schläfe gesetzt und gedroht ihn zu erschießen, wenn er nicht 'kooperiere'. In Guantánamo sei er nach einem Verhör, in dem er sexuell gedemütigt worden war, geschlagen und anschließend isoliert worden.

Das Wachpersonal habe ihn mit den Händen auf dem Rücken für etwa 20 Stunden am Boden festgekettet. Als er immer noch nicht 'kooperieren' wollte, habe man ihm sechs Tage lang das Essen verweigert. Bei einer anderen Gelegenheit habe er elf Tage lang nichts zu essen bekommen.

Die Menschenrechtsorganisation hält die Berichte von Murat Kurnaz für glaubwürdig. Die beschriebenen entwürdigenden und grausamen Verhörtechniken seien aus anderen Schilderungen, von denen Kurnaz nichts wissen könne, bekannt. Kurnaz habe außerdem berichtet, dass er auch von deutschen Ermittlungsbeamten befragt worden sei.