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Thomas de Maizière (CDU)

Korruptionsaffäre - Kanzleramtschef de Maiziere möchte nicht zurücktreten

Der Aufarbeitung der Korruptionsaffäre in Sachsen sieht der frühere Landesinnenminister und heutige Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) angeblich gelassen entgegen. Er habe mit dieser Affäre kein Problem und sich auch nichts vorzuwerfen, sagte der CDU-Politiker am 11. Juni im ARD-"Morgenmagazin". Die Vorgänge würden jetzt von der Justiz aufgearbeitet. Dabei gehe es um die Frage, wann er als Innenminister wen informiert habe. Einen Rücktritt lehnt er ab. "Selbstverständlich" bleibe er Kanzleramtschef, sagte de Maiziére. Der Chef der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) im sächsischen Landtag, Gottfried Teubner (CDU), hatte de Maiziére Rechtsbruch vorgeworfen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Ulrich Maurer, forderte den Kanzleramtschef zum Rücktritt auf.

De Maiziére und sein Nachfolger Albrecht Buttolo (CDU) sollen früher von Korruptionsfällen sächsischer Politiker und Justizbeamter gewusst haben als bislang bekannt. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) wollte am Wochenende nicht ausschließen, dass Kabinettsmitglieder bereits früher über die Datensammlung informiert waren. Auf die Frage, ob auch de Maizière Kenntnisse hatte, sagte Milbradt: "Das mag sein."

Nach Informationen des "Spiegel" geht aus einem internen Vermerk des Verfassungsschutzes hervor, dass die jetzt vorliegenden Fälle "zwischen April 2005 und Mitte Juli 2005 bekannt geworden" seien. Die Erkenntnisse seien zeitnah auch dem Innenministerium mitgeteilt worden, das seinerzeit von de Maizière geführt wurde. Demnach hätte es weitaus früher zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft kommen können.

De Maizière wird anhand geheimer Vermerke des Verfassungsschutzes vorgeworfen, er habe in seiner Zeit als Innenminister die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages (PKK) nicht wie gesetzlich vorgeschrieben über brisante Erkenntnisse des Geheimdienstes informiert.

Auch der jetzige Innenminister Buttolo, der unter de Maizière Staatssekretär war, hätte dem Magazinbericht zufolge viel früher einschreiten können. Obwohl das für den Geheimdienst zuständige Referat 47 schon im Jahr 2005 in seinen Zuständigkeitsbereich gefallen sei, will Buttolo erst im März 2006 von den Netzwerken erfahren haben. Damals seien die Fälle noch immer "nicht weitergabereif" gewesen.

Teubner: Glatter Rechtsbruch

Der Chef der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) im sächsischen Landtag, Gottfried Teubner, hat gegen de Maizière (beide CDU) in der vergangenen Woche schwere Vorwürfe erhoben. De Maizière habe als früherer Innenminister in Sachsen und oberster Dienstherr des Landesamtes für Verfassungsschutz die Vorschriften "nicht für ganz voll genommen". De Maizières Handeln sei "glatter Rechtsbruch".

Als Dienstherr des sächsischen Geheimdienstes war de Maizière nach Ansicht von Teubner laut Gesetz verpflichtet, die PKK über rechtstaatlich bedeutsame Hinweise zur Organisierten Kriminalität (OK) zu informieren. "Dies ist nicht geschehen", sagte Teubner.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im sächsischen Landtag, André Hahn, sprach von einem "vorsätzlichen Gesetzesbruch", für den auch juristische Konsequenzen zu prüfen seien. "Die hiesige Staatsanwaltschaft ist gefordert, dazu unverzüglich förmliche Ermittlungen aufzunehmen", sagte Hahn.

De Maizière wollte sich zu den Anschuldigungen zunächst nicht äußern. Inzwischen sagte er, für eine PKK-Information sei die "Erkenntnisdichte" damals zu gering gewesen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Ulrich Maurer, forderte den Rücktritt de Maizières: "Wenn es wirklich stimmt, dass de Maizière während seiner Zeit als sächsischer Innenminister von Verfassungsschutzinformationen zu organisierter Kriminalität gewusst hat, dies aber weder der PKK noch den Ermittlungsbehörden mitgeteilt hat, dann stellt sich die Frage, ob das nicht Strafvereitelung im Amt war."

Roth: Mangelnder Aufklärungswille der Behörden in Korruptionsaffäre

Der Buchautor Jürgen Roth hat den sächsischen Behörden mangelnden Aufklärungswillen in der Korruptionsaffäre vorgeworfen. Nach seinen Informationen habe Sachsens Justizstaatssekretärin Gabriele Hauser noch vor Kenntnis aller Akten intern geäußert, bei der Aufklärung der Korruptionsaffäre "werde nicht viel rauskommen", sagte Roth, der sich seit Jahren mit der Organisierten Kriminalität beschäftigt, der in Dresden erscheinenden "Sächsischen Zeitung".

Der Sprecher des Justizministeriums, Martin Marx, wies die Vorwürfe zurück. Er könne sich eine derartige Äußerung nicht vorstellen, sagte er der Zeitung.

Nach Roths Darstellung ist das ganze Ausmaß der Korruption in Sachsen noch gar nicht bekannt. Die Affäre reiche bis in die Dresdner Staatskanzlei hinein. Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) seien im November vergangenen Jahres durch einen Staatsanwalt zwei konkrete Fälle von Korruption in der Justiz zur Kenntnis gegeben worden. Danach sei jedoch nichts passiert, kritisierte Roth. Die Warnungen von Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) vor einem Gegenangriff der Mafia nannte Roth "stark übertrieben." "Herr Buttolo versteht wahrscheinlich nicht viel von Mafia", meint Roth.

Geheimdienste

In der Korruptionsaffäre in Sachsen gerät die Arbeit von Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) immer mehr in den Blickpunkt. Die Grünen forderten am 12. Juni, das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestages für die Geheimdienste solle sich mit de Maizière im beschäftigen. Vertreter von FDP und Linkspartei forderten, der frühere sächsische Innenminister solle sein Amt als Geheimdienst-Koordinator ruhen lassen. Einem Medienbericht zufolge soll auch Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) schon länger von der Affäre gewusst haben, ohne eine förmliche Untersuchung der Vorgänge zu veranlassen.

Die Affäre um angebliche Verbindungen von Politikern und Justizbeamten des Freistaats zum organisierten Verbrechen war durch Berichte über eine umfangreiche Datensammlung des sächsischen Verfassungsschutzes ausgelöst worden. Die Vorwürfe sollen von Amtsmissbrauch bis Kinderprostitution, Bandenkriminalität und Mord reichen.

De Maizière wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Innenminister in Dresden den Landtag erst spät über die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes informiert zu haben.

Der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Jerzy Montag, sagte, es gebe an die Adresse de Maizières schon einige Fragen. Schließlich koordiniere er jetzt als Kanzleramtsminister im Bund die Geheimdienste. Die Vorgänge in Sachsen würfen auch für den Bund die Frage auf, nach welchen Kriterien de Maizière dem Parlament Informationen gebe.

Der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Hans-Christian Ströbele, forderte de Maizière auf, dem PKG seine Informationspolitik darzulegen. "Mein Eindruck aus dem BND-Untersuchungsausschuss ist, dass das Gremium nicht immer ausreichend und zutreffend informiert wurde, seit de Maizière der zuständige Minister ist", sagte er. "Ich erwarte, dass de Maizière jetzt dem Gremium seine Kriterien verbindlich darlegt, nach denen er in Zukunft unterrichten wird."

Der PKG-Vorsitzende Max Stadler (FDP) sagte dagegen, er sehe keine Notwendigkeit, de Maizière zu hören. "Es handelt sich nach bisherigen Erkenntnissen um eine rein sächsische Angelegenheit. Von daher ist das von mir geleitete Gremium aus heutiger Sicht dafür nicht zuständig", sagte Stadler.

Der sächsische Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagfraktion, Jan Mücke, sagte: "De Maizière sollte sein Amt als Geheimdienst-Koordinator der Bundesregierung solange ruhen lassen, bis der Untersuchungsausschuss in Sachsen seinen Abschlussbericht vorgelegt hat." Links-Fraktionsvize Gesine Lötzsch forderte, de Maizière solle sein Amt bis zur Klärung der Vorwürfe nicht ausüben.

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) soll seit November von Korruptionsvorwürfen gegen die sächsische Justiz wissen. Die "Berliner Zeitung" berichtete, ein Staatsanwalt habe Milbradt Ende November 2006 bei einem Gespräch in der CDU-Kreisgeschäftsstelle in Kamenz auf Korruption in der Justiz hingewiesen. Der Staatsanwalt, ein CDU-Mitglied, habe dem Ministerpräsidenten zwei konkrete Fälle geschildert. Milbradt sei aber darauf nicht eingegangen und habe es auch unterlassen, eine Untersuchung der vom Staatsanwalt angesprochenen Vorgänge zu veranlassen.

Der ehemalige sächsische Staatssekretär Wolfgang Vehse will gegen den Journalisten Jürgen Roth Strafanzeige wegen Verleumdung erstatten und eine Unterlassungserklärung verlangen. Die Darstellung, er habe sich beim privaten Kauf eines Grundstückes für 600.000 Euro von mindestens einem sächsischen Unternehmen unterstützen lassen, sei falsch und völlig aus der Luft gegriffen, sagte Vehse. Weder er noch das Unternehmen seiner Frau hätten einen Beratungsauftrag von der von Roth genannten Halbleiterfirma ZMD. Die Staatsanwaltschaft Dresden habe die Vorwürfe längst verworfen.

Nolle wirft Sachsens Regierung mangelnden Aufklärungswillen vor

In der Affäre sorgt jetzt auch ein Treffen der Justizstaatssekretärin mit Vertretern von Richterschaft und Staatsanwaltschaft für Wirbel. Bei diesem Treffen am 31. Mai soll die Staatssekretärin Gabriele Hauser angeblich erklärt haben, dass die Ermittlungen in der Affäre zu nichts führen würden.

Zudem werden jetzt auch frühere Affären, die in Zusammenhang stehen mit dubiosen Geldzahlungen und hochrangigen Beamten, wieder in den Fokus gerückt.

Das Ministerium dementierte die angebliche Aussage Hausers. "Wir gehen ergebnisoffen an die Sache heran", sagte Ministeriumssprecher Martin Marx. Der frühere sächsische Innenminister und heutige Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) wies derweil die am Wochenende laut gewordenen Rücktrittsforderungen zurück. Er habe sich in der Affäre nichts vorzuwerfen.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle wirft der Staatsregierung mangelnden Aufklärungswillen vor. Wenn Staatssekretärin Hauser erklärt habe: "Aus der Affäre kommt sowieso nichts raus", dann bezeuge dies, dass das Ermittlungsergebnis innerhalb des Ministeriums offenbar schon feststehe. Auch wenn das Ministerium dementiere, gebe es keinen Zweifel, dass der Satz so gefallen sei, mutmaßte Nolle und verwies auf glaubwürdige und sichere Quellen.

Buchautor Jürgen Roth, der die Affäre Mitte Mai mit ins Rollen gebracht hatte, fügte hinzu, das ganze Ausmaß der Korruption in Sachsen sei noch gar nicht bekannt. Die Affäre reiche bis in die Dresdner Staatskanzlei hinein.

Vermittlung von Prostituierten

Das MDR-Magazin "Fakt" berichtet unterdessen unter Berufung auf die geheimen Akten, dass ein ehemaliger Leipziger Staatsanwalt Personen der Rotlichtszene über Ermittlungsmaßnahmen informiert haben soll. Auch soll es in Juristenkreisen über Jahre hinweg eine regelrechte Vermittlung von Prostituierten gegeben haben. So soll ein Leipziger Anwalt "Prostituierte - unter anderem zur Befriedigung von SM-Vorlieben - seit Jahren an hohe Justizbeamte und andere Personen des öffentlichen Lebens" vermittelt haben.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, André Hahn, forderte mit Blick auf ungeklärte weitere Fälle von der Staatsanwaltschaft die Aufklärung der Korruptionsaffäre rund um den ehemaligen Wirtschaftsminister Kajo Schommer (CDU), seinen Staatssekretär Wolfgang Vehse und deren Verbindungen zum Automobilzulieferer Sachsenring. Die Ermittlungen, die im Sommer 2006 aufgenommen wurden, müssten endlich zu Ende gebracht werden.

Am 12. Jun. 2007

"Medienberichte und Gerüchte"

Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Anlass für personelle Konsequenzen aus der sächsischen Korruptionsaffäre. Der Parlamentarische Justizstaatsekretär Alfred Hartenbach (SPD) bestätigte am 13. Juni im Bundestag in Berlin zwar, dass es eine Strafanzeige gegen den heutigen Kanzleramtschef und früheren sächsischen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wegen Strafvereitelung im Amt gebe. Doch beruhe diese Anzeige allein auf Medienberichten und Gerüchten. Daher sehe die Regierung derzeit "keine Notwendigkeit für Konsequenzen". Abgesehen von Medienberichten gibt es offenbar umfangreiche Akten des Verfassungsschutzes zu den Vorgängen.

In der sächsischen Affäre geht es um angebliche Verbindungen von Politikern und Justizbeamten des Freistaats zum organisierten Verbrechen. De Maizière wird vorgeworfen, in seiner Zeit als Innenminister dem zuständigen Kontrollgremium im sächsischen Landtag nicht wie gesetzlich vorgeschrieben über die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes informiert zu haben. Auch habe er die Ermittlungsbehörden nicht informiert.

Vor diesem Hintergrund hatten Vertreter von FDP und Linkspartei gefordert, der Kanzleramtsminister solle sein heutiges Amt als Geheimdienst-Koordinator bis zur Aufklärung der Vorwürfe ruhen lassen.

Der Staatssekretär im Kanzleramt, Hans Bernhard Beus, erwiderte, die Vorwürfe hätten nichts mit der heutigen Arbeit von de Maizière zu tun. Hartenbach sagte, eine Strafanzeige als Reaktion auf öffentliche Berichte sei "nicht ungewöhnlich".

Beus zufolge ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "über die Presseberichte" informiert. Ob Merkel mit ihrem Kanzleramtschef darüber gesprochen habe, ließ Beus offen. Er sagte, dass über interne Vorgänge der Bundesregierung nicht im Bundestag unterrichtet werde.

Auch ist unklar, ob Merkel Kenntnisse über den Inhalt der Akten des Verfassungsschutzes vorliegen.

Am 13. Jun. 2007