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480-Millionen-Geldbuße für "Wiederholungstäter" ThyssenKrupp

Kartellverstöße

Die EU-Kommission hat gegen die Industriegruppen ThyssenKrupp, Schindler, Otis und KONE eine Geldbuße von insgesamt 992 Millionen Euro wegen der Teilnahme an Kartellen beim Einbau und der Wartung von Aufzügen und Rolltreppen in Deutschland, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden festgesetzt. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der EU-Kommission "um eindeutige Verstöße gegen Artikel 81 EGV, der wettbewerbsbeschränkende Geschäftspraktiken untersagt". ThyssenKrupp muss nun offenbar 479,669 Millionen Euro berappen. Für den deutschen Konzern wurde es besonders teuer, weil er nach Auffassung der Kommission ein "Wiederholungstäter" ist. Es handelt sich hierbei um die höchsten Geldbußen, die bisher von der Kommission wegen Kartellverstößen festgesetzt worden sind. Die EU wirft den Konzernen vor, unter anderem auch Kosten von Krankenhäusern "künstlich aufgebläht" zu haben. Sie liefert lesenswerte Darstellungen von Versuchen "hochrangiger Mitglieder der Geschäftsleitung", die Kartelle zu vertuschen. Die Konzerne haben die Vorwürfe laut EU nicht bestritten. Sie verzichteten sogar auf Anhörungen.

Insgesamt waren laut Kommission 17 Tochtergesellschaften der genannten Gruppen zusammen mit Mitsubishi Elevator Europe B.V. an Kartellbildungen beteiligt. Aufzüge und Rolltreppen seien ein wichtiger Bestandteil des modernen Stadtlebens. Die Kommission verweist hierbei auf den Konzern Otis, nach dessen Angaben seine Aufzüge, Rolltreppen und Rollsteige alle 9 Tage eine Personenzahl befördern sollen, die der gesamten Weltbevölkerung entspricht.

"Gebote für Beschaffungsaufträge manipuliert"

Nach Angaben der EU-Kommission haben die beteiligten Unternehmen zumindest 1995 und 2004 "ihre Gebote für Beschaffungsaufträge manipuliert, die Preise festgesetzt, Projekte gegenseitig zugeteilt, die Märkte aufgeteilt und geschäftlich wichtige und vertrauliche Informationen ausgetauscht". Die Auswirkungen dieses Kartells könnten nach Auffassung der EU-Behörde "noch zwanzig bis fünfzig Jahre zu spüren sein, da die Wartungsarbeiten häufig von den Unternehmen durchgeführt werden, die die Anlagen errichteten".

Durch ihre Kartellpraktiken beim Einbau von Anlagen hätten die an den Kartellen beteiligten Unternehmen "die Märkte für viele weitere Jahre verfälscht". Den Tochtergesellschaften von KONE wurde den Angaben zufolge gemäß der Kronzeugenregelung der Kommission "ein vollständiger Geldbußenerlass für ihre Kartellteilnahme in Belgien und Luxemburg gewährt, da sie als erste Unternehmen der Kommission Informationen vorlegten". Auch Otis Niederlande wurde demnach ein vollständiger Erlass für seine Teilnahme an dem niederländischen Kartell eingeräumt.

EU: Künstliche Erhöhung der Kosten für Krankenhäuser

Die gegen die ThyssenKrupp-Unternehmen festgesetzten Geldbußen wurden um 50 Prozent erhöht, "da ThyssenKrupp ein Wiederholungstäter ist", so die Kommission. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes findet es "empörend, wie die Einbau- und Wartungskosten bei Gebäuden wie zum Beispiel Krankenhäuser durch diese Kartelle künstlich aufgebläht wurden". Die Geschäftsleitungen der beteiligten Unternehmen hätten um die Unrechtmäßigkeit ihres Tuns gewusst, "versuchten jedoch, ihr Vorgehen zu verheimlichen, und setzten dieses fort". Der dadurch verursachte Schaden werde sich noch über viele Jahre auswirken, "da er nicht nur beim Ersteinbau, sondern auch bei der anschließenden Wartung von Aufzügen und Rolltreppen entstand".

Kroes: "Die Erinnerung an die festgesetzten Geldbußen sollte für die betreffenden Unternehmen ebenso lange dauern."

Die Kartelle

Die bei den Nachprüfungen aufgedeckten Beweismittel ergaben laut Kommission, dass die betreffenden Unternehmen Kartelle in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden betrieben. "Dieser Befund wurde durch eine Vielzahl von Unterlagen und Unternehmenserklärungen erhärtet, die von den Antragstellern auf Anwendung der Kronzeugenregelung vorgelegt wurden."

Die Unternehmen teilten sich den Angaben zufolge Ausschreibungen und Aufträge für den Verkauf, den Einbau, die Wartung und Modernisierung von Aufzügen und Rolltreppen untereinander zu, "um die Marktanteile einzufrieren und die Preise festzusetzen". Geschäftsgeheimnisse und vertrauliche Angaben über das Bieterverhalten und die Preise seien zwischen den Kartellteilnehmern ausgetauscht worden. Die manipulierten Projekte hätten Aufzüge und Rolltreppen für Krankenhäuser, Bahnhöfe, Einkaufszentren und gewerbliche Gebäude betroffen.

"Um den Eindruck eines wirklichen Wettbewerbs zu erwecken"

Die Zuteilung der Projekte sei in allen vier Mitgliedstaaten ähnlich verlaufen. "Die Unternehmen setzten sich gegenseitig über Ausschreibungen in Kenntnis und stimmten ihre Gebote gemäß zuvor vereinbarter Kartellquoten ab. Scheinangebote mit unangemessen hohen Preisen wurden von den Unternehmen abgegeben, die nicht für einen Auftrag vorgesehen waren, um den Eindruck eines wirklichen Wettbewerbs zu erwecken."

Die Unternehmen führten und verteilten laut Kommission untereinander aktualisierte Projektlisten für Belgien, Deutschland und Luxemburg. "In Deutschland und den Niederlanden wurde häufig vereinbart, dass das Unternehmen, das in einer langjährigen, guten Geschäftsbeziehung zu einem bestimmten Kunden stand, die meisten Aufträge dieses Kunden erhalten sollte; dies wurde von den Unternehmen als der Grundsatz 'bestehende Kunden behalten' bezeichnet."

EU: Geschäftsführer waren beteiligt - und waren sich des Unrechtmäßigen ihres Tuns bewusst - Vertuschungsversuche

Nach Angaben der Kommission nahmen bei allen vier Kartellen "hochrangige Mitglieder der Geschäftsleitung (wie zum Beispiel Geschäftsführer, Vertriebs- und Dienstleistungsdirektoren und Leiter der Kundendienstabteilungen) an regelmäßigen Zusammenkünften und Gesprächen teil. Es gibt Nachweise dafür, dass den Unternehmen das Unrechtmäßige ihres Tuns bewusst war und dass sie Maßnahmen trafen, um ein Aufdecken zu verhindern; in der Regel kamen sie in Bars und Restaurants zusammen, sie unternahmen Reisen aufs Land oder ins Ausland und benutzten Handy-Bezahlkarten, um ein Aufspüren ihrer Gespräche zu verhindern".

In ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hätten die Unternehmen die von der Kommission festgestellten Tatsachen "nicht bestritten, keines von ihnen hat eine Anhörung beantragt".

Die "Praktiken" sind nach Auffassung der Kommission "besonders schwere Zuwiderhandlungen gegen die Kartellvorschriften des EG-Vertrages". Bei der Festsetzung der Geldbußen seien der Umfang der Märkte für die betreffenden Produkte, die Dauer der Kartelle und die Größe der beteiligten Unternehmen berücksichtigt worden. "Die gegen die ThyssenKrupp-Gesellschaften festgesetzten Geldbußen wurden um jeweils 50 Prozent erhöht, da es sich um Wiederholungstäter handelt", wiederholt die Kommission in ihrer Mitteilung.

Sie richtet ihre Kartellenscheidungen an alle für das unrechtmäßige Verhalten verantwortlichen juristischen Personen. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der europäischen Gerichte "bilden Mutter- und Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit, wenn die Muttergesellschaft entscheidenden Einfluss auf das Geschäftsverhalten ihrer Tochtergesellschaften ausübt. Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass eine Muttergesellschaft entscheidenden Einfluss über eine vollständige Tochtergesellschaft ausübt."