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Vattenfall-Europe-Chef Rauscher muss gehen

Nach Störfall im Atomkraftwerk Krümmel

Beim Energiekonzern Vattenfall räumt infolge der jüngsten Pannen in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel der zweite Topmanager seinen Posten. Nach dem Rücktritt des Geschäftsführers der Vattenfall Europe Nuclear Energy (VENE), Bruno Thomauske, zu Wochenbeginn gab am 18. Juli der Chef von Vattenfall Europe, Klaus Rauscher, seinen Rücktritt bekannt. Atomkraftgegner halten das Auswechseln von Managern nicht für ausreichend, weil sich dadurch an den Sicherheitsdefiziten der alten Atomkraftwerke nichts ändern würde. Sie fordern die Stilllegung von Brunsbüttel und Krümmel.

Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Konzern heftig kritisiert. Merkel rügte, die Informationspolitik des Konzerns sei "nicht akzeptabel". Es seien "dramatische Fehler" gemacht worden, betonte die Kanzlerin und mahnte: "Das darf sich so nicht wiederholen." Dennoch entziehe sie Vattenfall wegen eines Vorfalls nicht gleich gänzlich das Vertrauen.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte, es habe wenig Sinn, nur Personen an der Unternehmensspitze auszutauschen. Notwendig sei eine "komplette Sachverhaltsaufklärung" und vor allem eine "Änderung der Sicherheitskultur". Er hoffe, dass der Nachfolger von Rauscher "die Chance für einen Strategiewechsel nutzt und Vattenfall zu den Regeln des Atomgesetzes zurückkehrt, wonach alte Meiler als erste vom Netz gehen sollen und deren Laufzeit auf jüngere Reaktoren übertragen werden können."

Rauscher sagte, es sei nicht zu verkennen, dass die Vorgänge der vergangenen Wochen dem Ansehen der Vattenfall Europe AG geschadet hätten. Es seien Fehler gemacht worden, für die er als Vorsitzender des Vorstandes die Verantwortung zu tragen habe.

Atomkraftgegner: Neue Personen lösen keine alten Sicherheitsprobleme

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sagte, das Auswechseln von Personen löse keine Sicherheitsprobleme. Vattenfall versuche die Öffentlichkeit zu beruhigen. Eine substanzielle Änderung der Konzernpolitik sei nicht zu erkennen.

An der Bedrohung der Bevölkerung durch gefährliche AKW ändere sich nur etwas, wenn diese vom Netz genommen werden, meint BUND-Geschäftsführer Gerhard Timm. Der BUND fordere deshalb die Reaktoraufsichtsbehörden in Kiel und Berlin auf, Vattenfall die Betriebserlaubnis zu entziehen. "Es geht darum, das Atomkraftwerk Brunsbüttel stillzulegen und das AKW Krümmel nicht wieder ans Netz zu lassen", so Timm.

Der BUND kritisierte, dass sich der Chef des Vattenfall-Konzerns Lars G. Josefsson jetzt als Saubermann darstelle. Auch nach den schweren Störfällen in Brunsbüttel 2001 und in Forsmark 2006 seien Personalwechsel vorgenommen worden. Am Sicherheitsproblem bei Vattenfall habe sich dadurch nichts erkennbar geändert. Verantwortlich für die Störfälle in Schweden und Deutschland sei Vattenfall-Chef Josefsson. "Herr Josefsson ist nach Ansicht des BUND verantwortlich für die schlechte Sicherheitskultur bei Vattenfall. Deshalb ist er als Chef eines großen Energiekonzerns und als Klimaschutzberater der deutschen Bundesregierung nicht mehr tragbar."

Auch nach Auffassung der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW wird die Sicherheitslage in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel nicht besser, wenn lediglich verantwortliche Manager zurücktreten. Der Managerwechsel ändere nichts daran, "dass in Krümmel und Brunsbüttel alte Atomkraftwerke stehen, die weit vom heutigen technischen Sicherheitsstandard abweichen". Das Auswechseln von Verantwortlichen sei üblicherweise nur reine Kosmetik, um ein Problem für beendet zu erklären. Die Auch in der Vergangenheit habe es bereits Rücktritte von Atommanagern gegeben, ohne dass in der Folge menschliche und technische Pannen hätten vermieden werden können, so die IPPNW. Es sei abwegig, den gefährlichen Brand eines Transformators sowie den dramatischen Druck und Füllstandsabfall in Krümmel nun primär als "Kommunikationsproblem" darstellen zu wollen. Die Öffentlichkeitsarbeit von Vattenfall sei aus Sicht des Konzerns möglicherweise gar nicht so schlecht gewesen, "weil geschickt von der Schwere des Störfalls in Krümmel und von den technischen Mängeln des Atomkraftwerks generell abgelenkt wurde", meint die Organisation.

Vermutlich dienten die jüngsten Personalentscheidungen des Unternehmens insbesondere diesem "Ablenkungsmanöver". Man solle jetzt in Ruhe die Analysen des Störfalls abwarten. Es zeichne sich ab, dass es gravierende technische Probleme mit der Einspeisung von Kühlwasser gegeben habe, weswegen die Betriebsmannschaft als Rettungsanker schließlich die Ventile hätte "aufreißen" müssen. Bei dem Störfall habe der so genannte Reaktorschutz ein Sicherheitssystem aktiviert. Das ist laut IPPNW "ein objektives Kriterium dafür, dass zuvor andere technische Systeme versagt haben. Derartige technische Probleme lassen sich aber mit einem Auswechseln von Managern nicht beheben." Auch die IPPNW fordert daher die unverzügliche Stilllegung von Krümmel und Brunsbüttel, weil nur so das Spiel mit dem Feuer ein Ende habe.