DIE Internet-Zeitung
Jung im "Sperrfeuer"

Erstmals drohen Offiziere ihrem Minister mit Befehlsverweigerung

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Der Vorgang ist in der über 50-jährigen Geschichte der Bundeswehr offenbar ohne Beispiel. Zum ersten Mal drohen Offiziere ihrem "IBuK", dem Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt, mit Befehlsverweigerung. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ist mit seiner Äußerung, notfalls ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug auch ohne gesetzliche Grundlage abschießen zu lassen, unter "Dauer-Sperrfeuer" geraten. Noch deckt ihn seine Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Aber seine immer heftiger umstrittenen Überlegungen haben nicht nur auf der politischen Bühne in Berlin, sondern auch in der Bundeswehr ein "äußerst zwiespältiges Echo" gefunden, wie aus Generalskreisen am 18. September zu hören war.


Jung hat nach eigenen Angaben bereits nach "befehlstreuen Piloten" Ausschau gehalten, die auch ohne Rechtsgrundlage eine gekaperte Maschine mit unschuldigen Menschen an Bord abschießen würden. Er habe "das alles abgesprochen", ließ der Minister wissen. Es gebe Piloten, die auch vor dem Hintergrund der schwierigen rechtlichen Frage dazu bereit wären, diesen Befehl auszuführen.

Bereits bei der Fußballweltmeisterschaft im vergangenen Jahr habe er "das mit der Luftwaffenführung abgesprochen". Aus Luftwaffenkreisen war zu erfahren, "dass über solche Absprachen vor Ort absolut nichts bekannt geworden ist".

Besonders auf den Fliegerhorsten im ostfriesischen Wittmund und im bayerischen Neuburg an der Donau sind die Ausführungen und angeblichen "Absprachen" auf Unverständnis und Empörung gestoßen. Von den beiden Fliegerhorsten müssten die für den Ernstfall vorgesehenen "Alarmrotten" der Phantom-Abfangjäger in wenigen Minuten aufsteigen, um eine entführte Maschine abzuschießen, die als "fliegende Bombe" auf ein Ziel in Deutschland zusteuert.

Bei den Piloten auf den Fliegerhorsten geht die Frage um: "Bist Du ausgesucht worden. Hast Du zugesagt, einen durch das Gesetz nicht einwandfrei gedeckten Befehl auszuführen?" Die Verunsicherung habe um sich gegriffen, schilderte ein Oberst die Lage. Er machte darauf aufmerksam, dass es in Paragraf 11 des Soldatengesetzes unmissverständlich heißt, es dürften Befehle nicht befolgt werden, wenn sie ein Verbrechen beinhalten.

Der Abschuss eines Passagierjets mit Unschuldigen an Bord würde vermutlich den Straftatbestand des Totschlags erfüllen. Jung will sich dagegen auf "übergesetzlichen Notstand" berufen, was nach Meinung von Verfassungsjuristen nicht geht.

Der Oberst ließ keinen Zweifel daran, "dass meine Männer allesamt nicht ohne klare Rechtsgrundlage starten würden". Der Offizier berichtete, dass die Äußerung des Verteidigungsministeriums, wonach die Piloten trotz unklarer rechtlicher Verhältnisse den Abschussbefehl des Ministers nicht verweigern dürften, auf "Unverständnis" bei den Soldaten gestoßen sei. Der Verband der Jetpiloten hatte seine Mitglieder offen und nachdrücklich dazu aufgerufen, sich einem solchen Befehl zu widersetzen.

"Sehr sauer" stieß in der Truppe auch die Bemerkung von Jung auf, er würde nach einem Abschuss eines Passagierflugzeuges zurücktreten. "Und was geschieht mit dem Piloten, der den Abschussknopf gedrückt hat?", fragten die Luftwaffenoffiziere. "Ihm bleibt dann nur noch der Gang ins Gefängnis", war die einhellige Meinung der Offiziere. Es sei bekannt, dass eine gesetzliche Regelung nach der abweisenden Entscheidung des Luftsicherheitsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht "überfällig" sei. Aber das rechtliche Vakuum dürfe nicht auf den Rücken der Soldaten ausgefüllt werden.

CDU-Politiker: Jung hätte geschickter formulieren müssen

Jung wird auch aus den eigenen CDU-Reihen ein "unglückliches Vorgehen in der brisanten Frage eines Abschusses eines gekaperten Passagierflugzeuges" vorgehalten. Er hätte anders und geschickter formulieren müssen, heißt es.

"Ich bin erprobt in politischen Kampfeinsätzen", gab Jung immer wieder in seiner bisherigen Amtszeit lächelnd zum besten. Aber durch das Gewirr der politischen Fallstricke in der politischen Szene Berlins habe sich Jung bis jetzt nicht durchfinden können, lautet der Vorwurf von seinen Parteifreunden.